Verrückt genug!
Gründen gegen alle Widerstände
Die meisten Gründungen scheitern. Und dennoch gibt es immer wieder Menschen, die es probieren. Die an eine Idee glauben, gegen alle Widerstände. Gut so!
Der Blick eines Investors auf ein Start-up ist meist eher nüchtern. Im Wesentlichen geht es um Risikobewertungen, Exit-Strategien, Wahrscheinlichkeiten. „Die allermeisten Gründungen scheitern“, meinte neulich ein Venture-Capital-Investor lapidar, mit dem ich ein Interview führte. Wer gründen würde, überschätze sich entweder selbst oder glaube an eine Idee, an die kein anderer glaubt. Oder beides. Und dennoch, meinte er, gerade daraus erwachse auch eine Chance. Gerade da liege das Potenzial.
Glaube an eine unternehmerische Chance
Man muss wirklich ein bisschen wahnsinnig sein, um sich darauf einzulassen. Im Jahr 2013 wurden nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) rund 338.000 Existenzgründungen gezählt. Diesen standen 354.000 Pleiten gegenüber, ein negativer Saldo von circa 19.000. Doch laut DIHK-Gründerreport stimmt auch das: Die Gründer sind immer besser ausgebildet. Sie können immer öfter definieren, was ihr Produkt ist, womit sie ihr Geld verdienen wollen, was sie von ihren Konkurrenten abgrenzt. Und noch etwas ist klar: Hauptgrund, sich selbstständig zu machen, ist nicht mehr wie noch vor ein paar Jahren die Angst vor der Erwerbslosigkeit, sondern der Glaube an eine unternehmerische Chance.
Genau dieses Feuer braucht unsere Wirtschaft. Die jungen, hungrigen Start-ups. Die aufopferungsbereiten Existenzgründer. Sie zwingen die Etablierten, sich immer wieder neu zu erfinden. Und wenn auch nicht zwangsläufig aus jeder Idee das neue Facebook wird, so hat sich insbesondere in Berlin, aber auch in vielen anderen deutschen Großstädten eine lebendige Szene junger Unternehmen gebildet, die Arbeitsplätze schaffen, seriös wirtschaften und Steuern zahlen.
Gerade an der Schwelle zum Durchbruch tun sich diese Unternehmen noch schwer. Es ist etwas anderes, mit Freunden eine Idee zu verwirklichen, als später für das Wohl von Mitarbeitern verantwortlich zu sein und gleichzeitig die Shareholder-Interessen zu bedienen. Es ist etwas anderes, in der Garage am nächsten großen Ding zu tüfteln, als im Konferenzraum dem Geplänkel der mittleren Führungsebene zu lauschen. Es ist etwas anderes, vom Gründergeist beseelt die Start-up-Conventions aufzumischen, als die Kunden wieder und wieder davon überzeugen zu müssen, dass nur das eigene Produkt, der eigene Dienst ihnen einen Mehrwert bietet, den die Konkurrenz nicht liefern kann.
„Fail faster“
„Wir wollten nie Manager werden“, lautete eine Aussage in einem Interview, das ich vor Kurzem mit den inzwischen etablierten Gründern einer großen deutschen Onlinehandelsplattform geführt hatte. Beinahe wären die jungen Gründer an ihrem eigenen Erfolg gescheitert, aufgerieben in Meetings und Tagesgeschäft. Und so haben sie sich befreit: Sie haben ihre Büros aufgegeben, sind zurück in den Großraum gegangen, sie haben die Tagesgeschäfte einem versierten Management übertragen und sich auf ihre Talente als Gründer besonnen: Immer wieder das eigene Unternehmen neu zu erfinden. Nur wenn man sich diese „Verrücktheit“ erhält, bleibt der Schwung bestehen, den man braucht, um sich in der immer schneller drehenden Wirtschaftswelt zu behaupten.
Wir brauchen diese Leute. Und wenn ein Start-up scheitert, darf dies nie als ein Zeichen von Schwäche gewertet werden. Das ist schon den Besten passiert. Nicht umsonst gibt es in der Start-up-Welt den Slogan „Fail faster“ – schneller scheitern. Denn erst aus der Niederlage lernen wir den Markt kennen, unsere Kunden, was funktioniert, was nicht, wie wir selbst ticken. Es ist eine ständige Herausforderung. Hochachtung vor denen, die verrückt genug sind, sich darauf einlassen.
Henning Zander ist freier Wirtschaftsjournalist. In seinem Blog „Neues aus der Aktentasche“ beschäftigt er sich mit Themen rund um Selbstständigkeit und Berufseinstieg.