Urlaub einmal anders
Was Adlershofer in diesem Sommer ausbrüten
Faulenzen am Strand, Reisen durch ferne Länder und bei alledem möglichst nicht an die Arbeit denken: So stellen sich viele Menschen die perfekten Sommerferien vor. Doch Wissenschaftler und Unternehmer in Adlershof nutzen die Sommermonate auch ganz anders – beispielsweise um einen fliegenden Roboter zu konstruieren.
Nicht die Copacabana und nicht die Seychellen sind das Ziel von Verena V. Hafner in diesem Sommer, sondern das nördlich von Berlin gelegene Finowfurt. Dort findet im September ein Wettbewerb für autonom fliegende Roboter statt. Und Hafner, Juniorprofessorin am Institut für Informatik der Humboldt-Universität, hat ein klares Ziel: "Wir wollen den Wettbewerb gewinnen!"
Deshalb tüfteln Hafner und ihre Studierenden auch in den Sommerferien in den Institutsräumen in der Rudower Chaussee an zwei Quadrocoptern. Das sind fliegende Roboter mit vier Rotoren, die sich, ausgestattet mit einem Akku, länger als eine halbe Stunde in der Luft zu halten vermögen. In der Vorbereitungsphase sind sie noch an eine Fernsteuerung angeschlossen – doch das Ziel ist, dass sie sich mithilfe von Sensoren eigenständig orientieren.
Kognitive Robotik heißt das Spezialgebiet, dem sich die 32-jährige Juniorprofessorin verschrieben hat. Dabei arbeitet sie daran, Erkenntnisse aus Biologie und Psychologie auf Roboter zu übertragen. So testet sie zum Beispiel, ob sich die Orientierungsweise von Wüstenameisen, die anhand der Lichtverhältnisse die Himmelsrichtungen erkennen, mithilfe von Polarisationsfiltern auf Flugroboter übertragen lässt. Befreit von Vorlesungen, Prüfungen und administrativen Pflichten, bleibt ihr dafür im Sommer mehr Zeit. Weite Reisen lägen sowieso nicht drin, sagt die Mutter eines knapp einjährigen Sohnes – und die Fahrt zum Wettbewerb nach Finowfurt bedeute ja auch einen netten Ausflug.
Forschungen im Tröpfchenbereich
Ebenso wenig Lust auf Fernreisen hat Holger Eickhoff. Allein in diesem Jahr war der Geschäftsführer der Scienion AG schon vier Mal beruflich in den USA, weshalb er im Urlaub nicht auch noch im Hotel übernachten will. Immerhin, ein bis zwei Wochen will er sich freimachen und mit seiner Familie dorthin fahren, "wo es guten Wein gibt".
Ansonsten aber hat Eickhoff vor, die Sommermonate, in denen bei Scienion erfahrungsgemäß weniger Aufträge eingehen, zu Forschungszwecken zu nutzen. Sein Biotechnologieunternehmen, das zwei Mal mit dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg ausgezeichnet wurde, hat sich auf die Herstellung von Hardware für die Medizintechnik spezialisiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Systemen für den Umgang mit kleinsten Flüssigkeitsmengen im Picoliterbereich. Die haben, wie Eickhoff erläutert, die Eigenschaft, je nach Temperatur und Witterung unterschiedlich zu reagieren, weshalb die Optimierung der Systeme eine permanente Aufgabe darstellt.
Trotzdem bleibt bei Scienion auch Zeit für das eine oder andere sommerliche Vergnügen. Alljährlich machen die gut 25 Berliner Mitarbeiter einen Ausflug, zum Beispiel mit dem Kajak. Und dann wollen Eickhoff und sein Team auch noch unbedingt bei einem kleinen Fußballturnier von Adlershofer Unternehmen den Pokal zurückholen, den sie vor einem Jahr an ein ebenfalls in der Volmerstraße ansässiges Unternehmen abgeben mussten.
Multi-Chip-Module im 3-Schichtsystem
Freizeitaktivitäten mit seinen Kollegen unternimmt auch Patric Dornburg. In der Regel alle drei Wochen, und das nicht nur im Sommer, geht der angehende Mikrotechnologe mit seinem Team des Multi-Chip-Modul-Produzenten AEMtec bowlen oder ins Kino. Ansonsten aber bedeuten für den 20-jährigen Auszubildenden die Sommerferien – abgesehen von zwei Wochen Urlaub, die er voraussichtlich an der Ostsee oder am Balaton verbringen wird – vor allem eines: Der Besuch der Berufsschule, für den sonst wöchentlich zwei Tage reserviert sind, fällt weg. Stattdessen arbeitet er von Montag bis Freitag im Drei-Schicht-Betrieb in den Firmenräumen im Photonikzentrum in der Carl-Scheele-Straße mit. Hinzu kann je nach Auftragslage noch der Samstag kommen, da die Produktion bei AEMtec im Sommer nicht heruntergefahren wird.
Nach seinem ersten Ausbildungsjahr ist Dornburg dabei bereits voll eingebunden; an seiner derzeitigen Arbeitsstation, dem Bestücken der Multi-Chip-Module, macht er jedenfalls einen sehr professionellen Eindruck. "Ich finde es interessant, zu wissen, wie das Innenleben eines Handys oder eines Navigationsgerätes funktioniert", begründet er seine Berufswahl. Die hat in heißen Sommern überdies einen nicht zu verachtenden Vorteil: In den Reinräumen beträgt die Temperatur das ganze Jahr 22 Grad.
von Christian Hunziker