Skyrmionen ultraschnell erzeugen und steuern
Team von MBI, HZB und MIT erforscht Skyrmionen – kleine magnetische Texturen, die für eine Anwendung in Speicher- und Logikfunktionen in Frage kommen könnten
Kleiner, schneller, energieeffizienter: Die zukünftigen Anforderungen an Computer und Datenspeicher sind schwer zu erfüllen und alternative Konzepte werden ständig erforscht. Kleine magnetische Texturen, sogenannte Skyrmionen, könnten ein Bestandteil neuartiger Speicher- und Logikbausteine werden. Um für eine technologische Anwendung in Frage zu kommen, ist jedoch eine schnelle und energieeffiziente Steuerung dieser nanometergroßen Skyrmionen erforderlich.
Magnetische Skyrmionen sind teilchenartige Magnetisierungsbereiche, die sich als sehr kleine Wirbel in einem ansonsten gleichmäßig magnetisierten Material bilden. In bestimmten ferromagnetischen dünnen Filmen sind Skyrmionen bei Raumtemperatur stabil, mit Durchmessern bis hinunter in den Bereich von zehn Nanometern. Es ist bekannt, dass Skyrmionen durch kurze elektrische Strompulse erzeugt und bewegt werden können. Erst kürzlich wurde entdeckt, dass auch kurze Laserpulse in der Lage sind, Skyrmionen zu erzeugen und zu vernichten. Im Gegensatz zu elektrischen Strompulsen können Laserpulse von Sub-Pikosekunden-Dauer verwendet werden, die einen schnelleren und potenziell energieeffizienteren Weg zum Schreiben und Löschen von mittels Skyrmionen gespeicherten Information bieten. Dies macht das Laser-Skyrmion-Schreiben interessant für technologische Anwendungen, z.B. für die alternative Realisierung von Speicher- und Logikfunktionen.
Forschende des Max-Born-Instituts haben gemeinsam mit Kolleg*innen des Helmholtz-Zentrums Berlin, des Massachusetts Institute of Technology und weiterer Forschungseinrichtungen im Detail untersucht, wie sich die laserbasierte Erzeugung und Vernichtung von Skyrmionen kontrollieren lässt, um die Anwendung des Prozesses in Bauelementen zu fördern. Um die magnetischen Skyrmionen abzubilden, nutzte das Wissenschaftsteam eine auf Holografie basierende Röntgenmikroskopie, die die winzigen Magnetisierungswirbel mit einem Durchmesser von 100 Nanometern und weniger sichtbar machen kann. Da sie die Skyrmionen so sehen konnten, waren die Forschenden in der Lage, systematisch zu untersuchen, wie Laserpulse mit unterschiedlicher Intensität in Gegenwart eines externen Magnetfeldes Skyrmionen erzeugen oder löschen können. Untersucht wurden zwei optimierte Materialsysteme, in denen magnetische Skyrmionen entstehen können. Beide bestehen aus mehreren ultradünnen Schichten ferromagnetischer und paramagnetischer Materialien.
Angesichts der thermischen Natur des Prozesses ist es nicht überraschend, dass die Laserintensität gut gewählt sein muss. Es gibt ein materialabhängiges Fenster von Laserintensitäten zur Erzeugung eines neuen Skyrmionenmusters, das völlig unabhängig vom vorherigen magnetischen Zustand ist. Bei niedrigeren Intensitäten bleibt ein bestehendes Muster unverändert oder wird nur geringfügig verändert, bei viel höheren Intensitäten wird die Mehrschichtstruktur beschädigt. Bemerkenswert ist, dass die Anzahl der Skyrmionen, die innerhalb des Laserfokus‘ entstehen, nicht von der Laserintensität beeinflusst wird. Jedoch fanden die Forschenden heraus, dass sich die Dichte der erzeugten Skyrmionen durch das Vorhandensein eines externen Magnetfeldes präzise steuern lässt. Die Stärke des externen Feldes bietet somit einen „Steuerknopf“, um die Anzahl der erzeugten Skyrmionen einzustellen und ermöglicht sogar die Vernichtung von Skyrmionen, wie die Wissenschaftler*innen in der Zeitschrift Applied Physics Letters berichten.
Sie demonstrierten die kontrollierte Erzeugung oder Vernichtung einzelner Skyrmionen innerhalb des Laserspots, wie es für Anwendungen in der Datenspeicherung erforderlich ist, wo ein einzelnes Bit durch die An- oder Abwesenheit eines Skyrmions dargestellt werden könnte. Von Interesse für mögliche Anwendungen ist jedoch auch die Fähigkeit, eine bestimmte Dichte von Skyrmionen simultan in dem von einem einzigen Laserpuls beleuchteten Bereich zu erzeugen. Dieser Prozess könnte als sogenannter „Skyrmionen-Reshuffler“, also einem „Mischer“ für Skyrmionen, im stochastischen Rechnen eingesetzt werden. Dort werden Zahlen als Folgen aus Zufallsbits von "0" und "1" dargestellt, wobei die Wahrscheinlichkeit, auf "1" zu treffen, den Zahlenwert kodiert. Berechnungen können dann über logische Verknüpfungen zwischen einzelnen Bits verschiedener Eingangszahlen durchgeführt werden.
Obwohl es sich im Vergleich zur vorherrschenden digitalen Logik eindeutig um einen Nischenansatz handelt, hat sich das stochastische Rechnen für bestimmte Probleme wie die Bildverarbeitung als vielversprechend erwiesen. Für korrekte Ergebnisse stochastischer Rechenoperationen werden jedoch vollständig randomisierte Bitfolgen als Eingangssignale benötigt. Wie in dieser Arbeit gezeigt wird, kann solch ein zufälliges Mischen von Skyrmionen optisch auf einer Zeitskala von Pikosekunden durchgeführt werden, kompatibel mit der Taktrate moderner Computer und viel schneller als in früheren Konzepten, die auf thermischer Diffusion basieren und auf der Zeitskala von Sekunden arbeiten.
Originalpublikation
Application concepts for ultrafast laserinduced skyrmion creation and annihilation
Kathinka Gerlinger, Bastian Pfau, Felix Büttner, Michael Schneider, Lisa-Marie Kern, Josefin Fuchs, Dieter Engel, Christian M. Günther, Mantao Huang, Ivan Lemesh, Lucas Caretta, Alexandra Churikova, Piet Hessing, Christopher Klose, Christian Strüber, Clemens von Korff Schmising, Siying Huang, Angela Wittmann, Kai Litzius, Daniel Metternich, Riccardo Battistelli, Kai Bagschik, Alexandr Sadovnikov, Geoffrey S. D.Beach, and Stefan Eisebitt
Appl. Phys. Lett. 118, 192403 (2021). URL, DOI oder PDF
Weitere Informationen:
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie im Forschungsverbund Berlin e.V.
Prof. Dr. Stefan Eisebitt
Tel. +49 30 6392-1300
E-Mail eisebitt(at)mbi-berlin.de
Dr. Bastian Pfau
Tel. +49 30 6392-1321
E-Mail bastian.pfau(at)mbi-berlin.de
Pressemitteilung MBI vom 11.05.2021