Schlaue Kügelchen gegen Lebertumoren
IUT arbeitet an verbessertem Therapieverfahren
Es ist eine runde Sache, an der die Experten der Institut für Umwelttechnologien GmbH (IUT) derzeit arbeiten. Es geht um winzige Kügelchen, die mit radioaktivem Yttrium-90 überzogen sind. „Mit derartigen Miniaturstrahlenquellen lassen sich Tumoren behandeln“, sagt Projektleiter Dr. Eberhard Fritz. Speziell für Lebertumoren ist das schon erprobt worden. Bisher besitzt IUT keine Patente im Zusammenhang mit dem Verfahren. Das könnte sich bald ändern. „Wir wollen das Verfahren in einigen Punkten verbessern“, erklärt der 58-jährige Physiker.
Das betrifft vor allem die Kügelchen, die dem Tumor möglichst nahe kommen sollen. Über einen Katheter, der von der Leiste des Patienten eingeführt wird, strömen die mit radioaktivem Yttrium-90 beladenen Minipartikel in die Versorgungsarterie des Lebertumors. Von dort gelangen sie direkt in die feinen Gefäße, die der Tumor gebildet hat, um die Zufuhr von Blut und Nährstoffen sicher zu stellen.
Trommelfeuer radioaktiver Strahlung
„Nun entfalten die Kügelchen eine zweifache Wirkung“, erklärt Fritz. Da ihr Durchmesser größer ist als derjenige der feinsten Blutgefäße, werden letztere verstopft. Der Tumor wird von seinem Nachschub abgeschnitten und beginnt zu schrumpfen (Embolisation). Doch reicht dieser Effekt oft nicht aus, da Tumoren schnell neue Blutgefäße bilden können. Jetzt kommt die Radioaktivität ins Spiel. Die in den Minikügelchen verkapselte Substanz eröffnet ein Trommelfeuer radioaktiver Strahlung auf den Tumor. Im Falle von Yttrium-90 sind es Elektronen, die die Krebszellen schädigen und absterben lassen. Gesundes Gewebe wird wegen der kurzen Reichweite der als ß-Teilchen bezeichneten Elektronen im Gewebe kaum geschädigt. Mit der Halbwertszeit von etwas mehr als zweieinhalb Tagen klingt die Strahlung in der Leber rasch ab.
So ist die als Radio-Embolisation oder „Selektive Interne Radiotherapie (SIRT)” bezeichnete Methode in der Regel besser verträglich als Behandlungen, bei denen die Strahlenquelle außerhalb des Körpers liegt. Bei letzteren wird zwangsläufig gesundes Gewebe beeinträchtigt.
Höhere Lebenserwartung
SIRT ist bei Leberkrebs zugelassen, wenn Operationen oder Chemotherapie nicht in Frage kommen oder keine Besserung brachten. In Deutschland wenden acht Zentren das Verfahren an. Besonders viele Erfahrungen sammelten die Universitäten in München und Münster. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. In vier von fünf Fällen verkleinerten sich die Tumoren, manchmal verschwanden sie ganz. Vielen Patienten ging es besser, die Lebenserwartung erhöhte sich teilweise von wenigen Monaten auf zwei bis drei Jahre.
„Für die Therapie von Lebertumoren gibt es weltweit einen riesigen Bedarf“, erklärt IUT-Experte Fritz. So erschien es sinnvoll, die „interne Radiotherapie“ zu verbessern. Die 1992 gegründete Firma mit ihren derzeit 35 Mitarbeitern hat spezielles Know-how etwa beim Nachweis sowie bei der Herstellung radioaktiver Substanzen.
Als Ansatzpunkt erwiesen sich die Mikrokügelchen, die für das Verschließen der Blutgefäße verantwortlich sind. Deren exakte Größe ist entscheidend. Sind die Partikel zu groß, gelangen sie nicht in die Gefäße. Sind sie zu klein, bleiben sie nicht in der Leber stecken, sondern wandern in Lunge oder Magen weiter. Das kann zu Komplikationen führen.
Firmenpartner aus der Nachbarschaft
Bei der Suche nach einem Hersteller solcher gleichförmigen Mikrokugeln erlebte Fritz eine dicke Überraschung. Im Internet stieß er auf die Firma „microParticles GmbH “, die auch in Adlershof und zwar im Nachbargebäude sitzt. Die auf die Herstellung von Kunststoff-Partikeln im Mikro- und Nanobereich spezialisierte Firma entpuppte sich als denkbar bester Partner. Entscheidend bei dem Projekt, das vom Bundesministerium für Wirtschaft gefördert wird, ist auch eine ausgeklügelte Logistik. Denn wegen seiner kurzen Halbwertszeit zerfällt Yttrium-90 rasch. Die Substanz muss deshalb innerhalb von drei Tagen beim Kunden sein. „Vielleicht gründen wir eine eigene Firma für diesen Zweck“, sagt Fritz.
Paul Janositz