Saubere Schiffsbeschichtungen
Clean Ocean Coatings entwickelt eine umweltfreundliche Alternative
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„Wasser ist Leben und das zeigt sich unweigerlich“, sagt Christina Linke. Welcher Gegenstand auch immer ins Meer gelangt, er werde besiedelt: Zunächst entsteht darauf ein Biofilm, bald kommen Algen, schließlich Seepocken. „Am Ende ist es ein Korallenriff.“ An einem Schiff will das niemand haben, denn es würde damit noch schwerer und in seiner Fahrt gebremst. Spezielle Antifouling-Anstriche am Rumpf sollen das vermeiden. Doch sie enthalten Biozide auf Zinn- und Kupferbasis sowie Mikroplastik. „Sie sind so designt, dass sie im Lauf der Zeit erodieren“, erläutert Linke. „So wird beginnender Bewuchs entfernt, allerdings gelangen damit auch die Giftstoffe ins Wasser. 100.000 Tonnen pro Jahr“, sagt sie. „Die größte legale Umweltverschmutzung.“ Denn die Anstriche sind weiter zugelassen, lediglich bestimmte Inhaltsstoffe wurden verboten.
Christina Linke und Patricia Griem, Gründerinnen der Firma Clean Ocean Coatings, haben eine biozid- und lösemittelfreie Alternative weiterentwickelt und bringen sie nun auf den Markt. „Auf Testflächen an Frachtschiffen hat der Anstrich in mittlerweile fast acht Jahren gezeigt, was er kann“, sagt Geschäftsführerin Linke. Es gibt viel weniger Anhaftungen und sie seien leicht zu reinigen. „Unsere Kunden fragten: Wann können wir die Beschichtung kaufen?“
Es sollte jedoch noch etwas dauern, denn die Beschichtung soll nicht nur funktional sein, sondern auch für den großflächigen Einsatz geeignet. Das heißt unter anderem: effizient aufzutragen, haltbar, die Zutaten lagerfähig und so weiter. Für entsprechende Tests hat das Hamburger Unternehmen einen zweiten Standort im Adlershofer Gründungszentrum aufgebaut. Hier gibt es passende Labore, in denen drei Mitarbeitende beispielsweise Haltbarkeitstests machen, Untersuchungen zur Toxikologie – und Modellboote für Messen beschichten.
Es handelt sich um nanostrukturierte Partikel, die in einer Polymermatrix liegen. Das grundlegende Konzept wurde von der Phi-Stone AG entwickelt, unter Leitung von Griem. Doch die Rezeptur drohte in der Schublade zu verschwinden, da es keine weitere Forschungsförderung gab. Die Materialwissenschaftlerin Griem traf zufällig auf Linke, die in Lebensmitteltechnologie promoviert, aber stets ein Faible für Meeresbiologie hatte – und ebenso begeistert vom Potenzial des neuen Antifouling-Anstrichs war. So gründeten die zwei Frauen im Mai 2021 Clean Ocean Coatings, um die umweltfreundliche Beschichtung zur Marktreife zu bringen.
Das Besondere: Sie ist lösemittelfrei und bildet eine glatte Oberfläche ohne Poren. Das verhindert einerseits Anhaftungen, andererseits lässt sie Schiffe leichter durchs Wasser gleiten. Allein dadurch ließen sich im Vergleich zu herkömmlichen Coatings sieben Prozent Treibstoff einsparen, zeigten Strömungsversuche an der Technischen Universität Berlin. Hinzu kommt die Ersparnis, weil am Rumpf kein Riff wächst. In besonders schweren Fällen, so Linke, erhöht der Bewuchs den Treibstoffverbrauch um bis zu 40 Prozent. „Durch die bis zu dreimal längere Haltbarkeit unseres Coatings, die halbierte Anzahl an Lackschichten sowie den niedrigeren Treibstoffverbrauch hilft unsere Lösung nicht nur der Umwelt, sondern auch Reedereien und Eignern“, sagt sie. Denn jeder Aufenthalt im Dock verursacht hohe Kosten, ohne dass das Schiff Geld verdient.
Aktuell fahren vier Frachtschiffe mit Testflächen durch die Meere, hinzu kommt ein Segelboot und der neue Forschungskatamaran „Limanda“ der Universität Rostock. In diesem Jahr werden vier weitere Pilotschiffe im Rahmen des EU-Projekts „SEAGLOW“ einen neuen Anstrich bekommen. Beim eigentlichen Ziel, der kommerziellen Schifffahrt, sind die Gründerinnen hoffnungsvoll. Die Zulassung sei erfolgt und die ersten Angebote auf dem Tisch, rund 150 interessierte Kunden hat Linke gezählt. Damit stiege der Materialeinsatz enorm. Für ein 160-Meter-Frachtschiff beispielsweise ist mit einer Unterwasserfläche von 6.500 Quadratmetern zu rechnen, die 4.000 Liter Beschichtung erfordert. „Unser Hersteller kann das liefern und die Produktion erheblich ausbauen.“ Das Ziel: Bis 2030 auf einen Umsatz von 70 Millionen Euro kommen, das entspricht 250 Beispielschiffen. Angesichts von rund 90.000 Schiffen, die auf sämtlichen Meeren fahren, wäre das nur ein kleiner Anteil. Aber ein weiterer Schritt, um die Schifffahrt umweltfreundlicher zu machen.
Ralf Nestler für Adlershof Journal