Robuster Rechner für den Einsatz im All
MUSE vor der Feuerprobe
Ob Satelliten in der Erdumlaufbahn oder Raketenfahrzeuge für die Mondlandung – das Herz eines jeden Weltraumfahrzeugs ist der Computer. Am Fraunhofer-Institut FIRST in Adlershof entwickeln Informatiker und Elektrotechniker einen Prozessor, der den hohen Anforderungen an die Rechenleistung im All gerecht wird – und dabei auch extremen Temperaturschwankungen und Weltraumstrahlung trotzt.
Noch steht MUSE gemütlich und warm auf einem Tisch in einem Testlabor des Fraunhofer Instituts FIRST in Adlershof. Kabel verbinden den Prozessor mit einem Computer und Bildschirm, der die Auslastung und Temperatur der zentralen Recheneinheit anzeigt. Über den Bildschirm laufen Aufnahmen der Mondoberfläche, ein weißes Rechteck streift über graue Krater und Geröll. MUSE übt hier schon mal in einer simulierten Umgebung, was künftig einmal sein Hauptjob sein könnte: Landeflächen für Raumfahrzeuge auf dem Erdtrabanten suchen.
Überhitzungsschutz
„Wir arbeiten jetzt daran, unseren Rechner einsatzfähig zu machen”, sagt Samuel Pletner, Leiter des Projekts MUSE – in voller Länge: „Multicore Architektur zur sensorbasierten Positionsverfolgung im Weltraum”. Stolz zeigt Pletner einen Plastikprototyp des Gehäuses, das seinen neuen Rechner künftig im All vor Überhitzung schützen und über spezielle Metallzungen die beim Rechnen entstehende Wärme ableiten soll. Der seit 1992 bei Fraunhofer FIRST arbeitende Elektrotechniker hat Erfahrung: Er entwickelte bereits die Steuerrechner für den seit 2001 im Orbit kreisenden Brandbeobachtungssatelliten BIRD und für TET-1, einen Satelliten, der ab Juni neue Weltraumtechnologien im All erproben soll.
Mit MUSE haben Pletner und seine Kollegen ein Stück weit Neuland betreten: Denn MUSE soll künftig mehr machen, als ein Raumfahrzeug lenken. Der Prozessor mit acht Kernen soll Daten aus Kameras und Sensoren an Raumfahrzeugen oder Robotern auswerten und diese richtig positionieren – etwa um eine perfekte Mondlandung hinzulegen oder durch das All rasenden Weltraummüll aufzusammeln. „Bei solchen Einsätzen, in denen schnelles Handeln wichtig ist, macht es keinen Sinn, die entstehenden großen Datenmengen erst zur Erde zu schicken und dort rechnen zu lassen”, erklärt Pletner.
Vermeidung falscher Steuerbefehle
Das Verarbeiten der Daten – etwa von dreidimensionalen Bildern der Mondoberfläche – ist allerdings nicht das Hauptproblem des Rechnereinsatzes im All. „Am meisten zu kämpfen haben wir mit der Weltraumstrahlung”, sagt Pletner. Diese Strahlung, die auf der Erde durch die Atmosphäre nur stark abgeschwächt ankommt, schädigt die Elektronik auf den Platinen im All und kann auch Rechenfehler auslösen. Die Forscher fertigten MUSE deshalb nicht nur aus besonders strahlungsresistenter Hardware, sie bauten auch auf der Softwareseite Sicherungen ein, indem sie mehrere Kerne gleichzeitig dieselbe Rechnung machen lassen.
Eine sogenannte Voting-Einheit bewertet die Ergebnisse und sorgt dafür, dass nur eine Rechnung, die als plausibel erkannt wird, als Befehl an das Raumfahrzeug geht. „Auf diese Weise verhindern wir unkontrollierte Bewegungen durch falsche Steuerbefehle”, erklärt Pletner. Sparsam ist der Prozessor auch, was angesichts der schwierigen Stromversorgung im Orbit lebenswichtig ist: Wo ein normaler Tischrechner in Aktion eine Verlustleistung von 300 Watt produziere, seien es beim MUSE-Rechner gerade einmal um die 20 Watt, sagt Pletner. Auch mit den extremen Temperaturen kann das Gerät umgehen, „es hält von minus 40 bis plus 85 Grad Celsius Umgebungstemperatur alles aus”. 70 Prozent der Kosten eines Satelliten werden in der Regel auf das Prozessordesign verwandt, an den Rechnerkomponenten sollen die teuren Weltraummissionen nicht scheitern. Im warmen Testlabor hat sich Pletners neue Entwicklung gut geschlagen. In einem nächsten Schritt soll der Multitaskingprozessor sein Können auf einem Testsatelliten des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums beweisen. Die wahre Feuerprobe steht MUSE also noch bevor.
von Claudia Wessling
Link: http://www.first.fraunhofer.de/abteilung-qualitaetssicherung/projekte/