Robuste Immundiagnostik
Adlershofer Start-up Epimune GmbH ist mit epigenetischer Methodik Immunerkrankungen auf der Spur
Die Adlershofer Epimune GmbH ist frisch gegründet. Und doch baut sie bei der Entwicklung ihrer Immundiagnostik auf etablierten Verfahren auf. Im Visier: angeborene und erworbene Immunerkrankungen sowie Blutkrebs. Bisher aufwendige Diagnosen sollen mithilfe der epigenetischen Methodik des Start-ups einfacher und robuster werden.
Bei angeborenen Immundefekten stößt die medizinische Diagnostik an ihre Grenzen. Es gibt rund 300 verschiedene, teils selten auftretende Krankheitsbilder. Manche sind tödlich. Andere beeinträchtigen Betroffene lebenslang, ohne entdeckt zu werden. Je früher die Behandlung einsetzt, desto besser die Heilungschancen. Doch bei Neugeborenen fallen tückische Immundefekte oft durchs Raster, weil bei ihnen anfangs noch die Immunabwehr der Mutter wirkt.
„Neben angeborenen Defekten gibt es zahlreiche erworbene Störungen, bei deren Behandlung Ärzte auf ein genaues Monitoring der Immunzellen angewiesen sind“, erklärt Christoph Sachsenmaier. Lückenlose Überwachung sei auch nach Transplantationen geboten, wo die Immunabwehr gezielt beeinflusst wird, um Abwehrreaktionen gegen die neuen Organe zu verhindern. Daneben spiele die Überwachung des Immunsystems auch in der Früherkennung von Blutkrebs eine wichtige Rolle.
Genau diese lückenlose Immunüberwachung möchte die Epimune GmbH möglich machen. Obwohl erst im Herbst 2017 gegründet, handelt es sich keineswegs um Neulinge im Geschäft. Hinter der Gründung steht die Epiontis GmbH, die sich in den letzten 15 Jahren zum gesunden Mittelständler mit 30 Beschäftigten entwickelt hat. Auch Sachsenmaier, der das Strategic Business Development vorantreibt, ist seit vielen Jahren im Biotechbereich aktiv; unter anderem bei der Berliner Epigenomics AG.
Epimune baut nicht nur auf diesen Erfahrungen auf, sondern auch auf einer von Epiontis etablierten Methode zur Quantifizierung von Immunzellen in menschlichem Blut. Epiontis nutzt ihre durch viele Patente geschützte Technologie zurzeit jedoch nicht für medizinische Diagnosen, sondern für die Pharmaforschung. Mit Erfolg: Von den 20 weltgrößten Pharmakonzernen nutzen 17 die Methode der Adlershofer.
Seit Oktober 2017 gehört Epiontis zu dem US-Unternehmen Precision for Medicine, das mit mehr als 1.000 Mitarbeitern weltweit pharmazeutische und Life-Science-Unternehmen bei der Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte unterstützt. Mit Unterstützung des neuen Eigentümers von Epiontis treibt das Team nun die Gründung der Epimune voran. Sie soll das etablierte Verfahren in die klinische Diagnostik übertragen.
„Dieser Schritt war eigentlich überfällig“, sagt Sachsenmaier. Denn gegenüber den bisher angewandten Diagnoseverfahren hat die Methode viele Vorteile. So braucht es zur Quantifizierung von Immunzellen bisher größere Mengen frisches Blut, das mithilfe von Licht und Fluoreszenzmarkern per Durchflusszytometrie auf Zellen hin analysiert wird. Ein entsprechend ausgestattetes Labor muss nahe sein, damit das Blut möglichst bald nach der Entnahme untersucht werden kann. Für das Monitoring von HIV-Patienten in Armutsregionen ist das eine oft unüberwindbare Hürde. Und effektiven Neugeborenen-Screenings, die manches Leben retten könnten, stehen die bisher benötigten Blutmengen im Wege.
Beim Epiontis-Verfahren genügt dagegen ein Tropfen Blut, der auch getrocknet oder tiefgekühlt sein darf. Denn hier werden nicht lebende Immunzellen gezählt, sondern die epigenetischen Codes verschiedenster Zellen identifiziert. Hintergrund: Alle Zellen haben anfangs identisches Erbgut, differenzieren sich dann erst zu bestimmten Zelltypen mit definierter Funktion – ein Prozess, der entscheidend durch epigenetische Mechanismen reguliert wird. Diese epigenetische Prägung der Zellen spüren die Methoden der Adlershofer auf – wobei sie wie DNA lange Zeit stabil und nachweisbar bleibt.
Neben der einfachen Logistik – das Blut kann gelagert und bei Bedarf weltweit verschickt werden – hat der epigenetische Ansatz einen weiteren entscheidenden Vorteil. Er scannt das Blut nicht nur auf einzelne Zelltypen hin, sondern liefert ein Gesamtbild der vorhandenen Immunzellen. Angesichts der Fülle verschiedener Defekte ist diese Breitbanddiagnostik ein großer Fortschritt. In Neugeborenen-Screenings könnte mit einem Tropfen Blut die ganze Palette möglicher Defekte abgescannt werden.
„Da unser Verfahren so robust und einfach ist, könnten Patienten künftig sogar mit eigenen kleinen Geräten ihr Immunsystem überwachen, zum Beispiel im Zuge einer HIV-Behandlung. Und auch die Früherkennung von Blutkrebs könnte sehr viel einfacher werden“, sagt Sachsenmaier. Doch bevor diese Visionen real werden, liegt viel Arbeit vor den Gründern. Die Validierung in klinischen Studien steht aus. Die CE-Kennzeichnung als In-vitro-Diagnostikum muss her. Und es gilt, Krankenkassen und Ärzte von den Vorteilen der neuen, epigenetischen Diagnostik zu überzeugen. An Argumenten dafür mangelt es ganz sicher nicht.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal