Physik, aber sexy: Energieexperimente hautnah
Bei vielen Schülern hat die Physik einen schweren Stand: zu dröge, zu theoretisch, zu lebensfern. Im UniLab Adlershof lernen sie experimentierend die faszinierenden Seiten des Fachs kennen – bald auch ganz hautnah im Unterrichtsmodul „Energie und ich“.
Wiebke Krambeck steht im sonnenlichtdurchfluteten UniLab im dritten Stock der ehemaligen Messstation des Windkanals, schwarzes Sakko über dunkelblauer Bluse, die Haare adrett zum Dutt zusammengebunden. Die Physikerin spricht darüber, dass Wissenschaft und Wirtschaft unter einem Physikermangel leiden, und natürlich hat sie dazu eine Theorie: „Das Fach hat ein Imageproblem. Bei Physik denkt jeder sofort an einen Wirrhaarigen, der in einem dunklen Keller vor komischen Geräten sitzt.“ Diesem Klischee hat Krambeck den Kampf angesagt – unbeeindruckt von der Warnung eines berühmten Kollegen, wonach ein Atom leichter zu zertrümmern sei als ein Vorurteil.
Interaktivität im UniLab
Seit Februar leitet Krambeck das UniLab, das naturwissenschaftliche Schülerlabor der HU. Das Labor wurde 2004 von der Arbeitsgruppe Didaktik der Physik mit dem Ziel aufgebaut, die bei Jugendlichen oft brachliegende Begeisterung für die Physik zu aktivieren. Gemeinsam mit Lehrern, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Studierenden können Schüler der 5. und 6. Klasse sowie der Oberstufe im UniLab forschen. Insgesamt 15 halbtägige Unterrichtsmodule, etwa zu Optik, Akustik, Elektrizität, stehen zur Auswahl. Interaktivität ist der Schlüssel zum Interesse, ist Krambeck überzeugt: „Die Jugendlichen sollen selbst forschen. Sie sollen sich von ihren eigenen Experimenten beeindrucken lassen.“ Und von einer Infrastruktur, die ihnen keine Schule bieten kann, wie der sündhaft teuren Wärmebildkamera des Physikinstituts.
„Energie und ich“
Diese Kamera wird auch im Projekt „Energie und ich“ eine zentrale Rolle spielen, das das UniLab bald anbieten will. „Energie ist etwas Abstraktes, liegt den Menschen eigentlich fern“, erklärt Krambeck. „Wir wollen das durch den Bezug auf den Körper näher ranholen.“ Was strahlt meine Haut an Wärme ab? Wie viel Energie setze ich um? Und woher kommt meine Energie? Neben Antworten auf diese Fragen sollen die Schüler auch einen Eindruck von der Praxisrelevanz der Forschung bekommen – in Hightech-Unternehmen, wie dem Solarmodulhersteller Solon, die ebenfalls in Adlershof angesiedelt sind.
Matthias Hesse, Physik- und Mathelehrer an einem Berliner Gymnasium in Pankow und Dozent am UniLab, schwärmt von den Möglichkeiten des Labors: „Schulen haben in ihrem Fachbereich Physik häufig ein Budget, das gerade einmal für Reparaturen, Glühlampen und ein paar Kabel reicht.“ Er schätzt auch die wissenschaftliche Atmosphäre der Einrichtung, dass zum Ausprobieren ermutigt und Feedback gefördert werde.
Drei Klassen pro Woche – rund 2.000 Schüler pro Jahr – besuchen inzwischen das Labor. Sie kommen aus ganz Deutschland, auch aus Italien und Russland. Die Warteliste ist lang: „Zwei bis drei Monate im voraus sollte man sich für den Besuch anmelden“, sagt Krambeck. Interessierte Lehrer können über www.unilab-adlershof.de Unterrichtsmodule buchen. Und so mithilfe des UniLabs das zweifelhafte Image der Physik empirisch widerlegen.
von Markus Wanzeck