Optimismus in der regionalen Software Branche
Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden des SIBB, Ortwin Wohlrab
BerliNews, 10.05.2004
Die regionale IT-Branche in Berlin und Brandenburg sieht Licht am Ende des Tunnels. "Die meisten Firmen stecken zwar immer noch mitten in der Konsolidierung", bemerkt Ortwin Wohlrab als Vorsitzender des Branchenverbandes Software-Initiative Berlin-Brandenburg (SIBB). "Aber die Stimmung ist heute deutlich optimistischer als im letzten Jahr", stellt der IT-Fachmann fest, der beim größten Berliner Software-Haus, der PSI AG, beschäftigt ist. Am kommenden Dienstag veranstaltet der SIBB in Adlershof seinen traditionellen "Softwaretag Berlin-Brandenburg", auf dem die Branche Bilanz zieht und Ausblick hält.
Bei einer Reihe von Firmen wird das Gefühl der Zuversicht auch von den neuesten Quartalszahlen gestützt. "Die Auftragseingänge haben sich bei vielen Unternehmen im ersten Quartal 2004 erkennbar gebessert", hat Wohlrab von den 55 mittelständischen SIBB-Mitgliedern erfahren. Auch bei PSI erhöhten sich die Orders um 15 Prozent. "Das zeigt, der Trend geht wieder nach oben", so der SIBB-Vorsitzende, der freilich mit einer "dauerhaften Verbesserung" erst ab 2005 rechnet. Viele haben den jähen Einbruch noch nicht verkraftet, der durch den Crash der "New Economy" und die Chip-Krise verursacht wurde.
Sorge macht Wohlrab die Personalentwicklung. Herrschte vor drei Jahren ein Mangel an IT-Fachkräften bei hohem Auftragsdruck, so ist es heute umgekehrt. "Heute gibt es in Berlin ein Überangebot an Fachkräften", weiß der SIBB-Chef. Bevor sie arbeitslos werden, kehren sei der Stadt, die sie ausgebildet hat, den Rücken und gehen nach Westen. "Das ist im Grunde eine ungesunde Situation", meint Wohlrab. "Wir sollten alles tun, um diesen Spezialisten eine Zukunft zu geben".
Das verlangt Aufträge, die es aber in Berlin zu wenig gibt. Lokale Kompetenz hat es zu Hause schwer. So wird e0ine von Berliner Firmen entwickelte e-Government-Plattform im brasilianischen Sao Paolo in großem Stil eingesetzt, nicht aber an der Spree. "Unsere IT-Branche lebt nicht von dieser Stadt, sondern ganz überwiegend von Kunden außerhalb", bedauert Wohlrab. Nur gut 20 Prozent ihres Umsatzes, schätzt der SIBB-Vorstand, realisieren die Berliner IT-Firmen auf dem "Heimatmarkt". Auch seine eigene Firma PSI macht mit dem Nachbarland Brandenburg mehr Geschäfte als mit dem Berliner Senat. Einziger Berliner Lichtblick ist die Bundesregierung, die in den letzten Jahren verstärkt auf heimische Anbieter zurückgreift.
Verstärkt orientiert die regionale IT-Branche daher auf den Export. Eine Präsentation in den arabischen Emiraten hat man gerade hinter sich, Mexiko steht in Kürze bevor. Neu ist dabei die Konzentration auf die drei IT-Schwerpunktbereiche Mobilität, Sicherheit und Administration. Zudem treten die Berlin-Brandenburger Firmen jetzt im Verbund auf, um komplette Systeme - etwa Sicherheitslösungen für Flughäfen - anbieten zu können. Zuweilen lassen sich dabei auch Berliner Anwendungen als Referenz vorzeigen. Eine der Berliner SIBB-Firmen steuert die Video-Überwachung in der Berliner U-Bahn. Mit Erfolg: Die Schäden durch Vandalimus sind seitdem um 80 Prozent zurückgegangen.
Autor: Manfred Ronzheimer