Ökologische Gewächshäuser mit "Durchblick"
Intelligenter Ersatz für Folienzelte
Aufgrund sinkender Vergütungssätze für Solarstrom in Deutschland verlagern viele Firmen ihre geschäftlichen Aktivitäten in südliche Gefilde. In sonnenverwöhnten Länder wie Spanien, Frankreich oder Italien lassen sich mit Solarstromanlagen bei ähnlichen Vergütungssätzen deutlich höhere Erträge erzielen.
Ökologischer Ansatz
"Auf einer Geschäftsreise nach Spanien, auf der wir eigentlich Standorte für neue Photovoltaikanlagen erkunden wollten, fielen uns die flächendeckenden Folienzelte auf, unter denen Tomaten heranreiften. Daraus entstand die Idee, Gewächshäuser zu bauen, die sowohl ästhetischen, ökologischen als auch ökonomischen Ansprüchen gerecht werden", erläutert Jos Packenius, Projektleiter der abs concept GmbH, die Initialzündung für eine völlig neue Generation von Gewächshäusern. Spezialdisziplin der abs concept GmbH sind ökologische Bauten, die sich durch alternative Energienutzung und den Einsatz innovativer Lösungen auszeichnen. Der Firmenname leitet sich aus dem patentierten aqua-bio-solar-System ab, das die Bereiche Photovoltaik, Solarthermie und natürliches Klima zu ökologisch ganzheitlichen Lösungen verbindet.
Exzessiver Anbau
Die in Spanien und anderen südlichen Ländern praktizierte exzessive Ausweitung der durch Folien geschützten Anbaufläche fordert ihren Tribut: Böden werden durch Überdüngung und Auslaugung massiv belastet, die Vegetation verarmt aufgrund von Monokulturen, die Zugänglichkeit zu Stränden und Ortsbereichen wird stark eingeschränkt, die in vielen Teilen Spaniens vorherrschende Wasserknappheit wird durch den enormen Bewässerungsbedarf der Pflanzen zusätzlich verschärft. "Das Thema hat meinen Mann auch nach unserer Rückkehr aus Spanien nicht mehr losgelassen. Und da ich ihn als sprudelnde Quelle neuer Ideen schätzen und lieben gelernt habe, wusste ich sofort, dass die Zukunft der abs concept in innovativen Gewächshaus-Lösungen liegen wird", erinnert sich Maria Packenius schmunzelnd.
Geschlossener Bewässerungskreislauf
Das gravierendste Problem beim Anbau von Gemüse ist der hohe Bedarf an Trinkwasser, das zur Bewässerung nötig ist. Allein in Andalusien werden 89,7 Prozent der Wasserressourcen zur Bewässerung eingesetzt. Die Folge ist ein permanentes Wasserdefizit: Jeden Tag müssen 88 Liter Trinkwasser pro Einwohner aus anderen Regionen eingeführt werden, weil der Wasserbedarf aus den zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht gedeckt werden kann. "Unser System sieht einen geschlossenen Bewässerungskreislauf vor, der sich zu 100 Prozent aus Regenwassernutzung sowie einer solarthermisch betriebenen Meerwasserentsalzungsanlage speist", skizziert Jos Packenius die abs-Lösung des Wasserproblems.
Intelligente Wasserspeicher
Kern der Lösung sind zwei sogenannte Energiezisternen, unterirdische Regenwasserspeicher, mit deren Hilfe sich Temperaturschwankungen bei geringem Energieaufwand ausgleichen lassen. In der "warmen" Zisterne heizen schwimmende Kollektoren das Wasser in den Wintermonaten tagsüber bis auf 70 Grad Celsius auf. Das vorgewärmte Wasser wird am Abend in die Fußbodenheizung des Gewächshauses geleitet, um dort in kühlen Nächten eine konstante Temperatur von 20 Grad Celsius zu garantieren. Die "kalte" Zisterne, die in heißen Sommermonaten für Abkühlung sorgt, ist durch einen schwimmenden, mit Wasserpflanzen besetzten Textilteppich vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt. Während die Blätter die Wasseroberfläche beschatten, entziehen die ins Wasser ragenden Wurzeln einen Teil der Wärme und kühlen des Wasser damit auf 20 Grad Celsius ab. Dieses Wasser speist eine Sprühvorrichtung, die gleichzeitig kühlt und die Luftfeuchtigkeit im Gewächshaus reguliert.
Holographische Lichtfilter
"Der Clou unserer Lösung sind transparente Solarmodule, die mit speziellen holographischen Folien versehen sind und somit Licht nach bestimmten Wellenlängen filtern können", verrät Jos Packenius stolz. Licht im Infrarotbereich wird vom Gewächshaus abgelenkt und als Energiequelle für die Meerwasserentsalzungsanlage genutzt. Da Licht im Bereich zwischen 450 und 650 Nanometern für das Wachstum der Pflanzen nicht benötigt wird, lenkt eine Holographiefolie es in seitlich angeordnete Hochleistungssolarzellen. Dort wird es zu Strom umgewandelt. Die Energie, die die Photovoltaikanlage liefert, wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist und finanziert somit das innovative Gewächshaus- System. Das übrige Licht gelangt ungefiltert ins Gewächshaus und liefert den Tomaten auch den Wintermonaten ausreichend Licht zum Wachsen und Gedeihen.
Überzeugende Vorteile
Obwohl die innovative Gewächshaus-Lösung mit 4 Millionen Euro pro Anlage erheblich teurer ist als konventionelle Gewächshäuser, sprechen die Vorteile für sich: So lässt sich auf einem Bruchteil der Anbaubaufläche eine Ertragssteigerung von bis zu 500 Prozent erzielen, der Bewässerungsbedarf sinkt um 50 Prozent und es ist kein fruchtbarer Boden nötig, da die Lösung auch als Hydrokultur funktioniert.
"Wie könnte es anders sein, hat mein Mann schon weitere Ideen, mit denen man das System optimieren könnte. Um den biologischen Kreislauf zu schließen, arbeiten wir zurzeit an der Integration einer Anlage, in der die Stauden und Stängel der Pflanze sowie nicht der Norm entsprechende und somit unverkäufliche Tomaten zu Biogas verarbeitet werden", verrät Maria Packenius.
Gewaltiges Marktpotenzial
Was als kühne und unkonventionelle Idee begann, hat längst konkrete Formen angenommen: Gemeinsam mit der Berliner Humboldt- Universität, der Universität Almeria und der spanischen Solarfirma Idesa startet abs concept im Oktober 2008 ein Forschungsprojekt in Cordoba, in dem die Überlegenheit der folienbeschichteten Solarmodule im Vergleich zu herkömmlichen Modulen in einer Pilotanlage wissenschaftlich nachgewiesen werden soll. Da man die Überlegenheit in eigenen Test bereits mehrfach nachgewiesen hat, plant abs concept derzeit den Bau einer Modulfabrik am Rande Berlins, in der die holographischen Module der Marke "Durchblick", die zur Zeit noch in Handarbeit beschichtet werden, industriell in großen Stückzahlen gefertigt werden sollen. Angesichts eines Marktpotenzials, das allein in Spanien bei rund 200 Milliarden Euro liegt, dürfte sich diese Investition mehr als auszahlen.