„Neue Talente haben oft einen schwierigen Zutritt zur Branche “
Sabrina Schnell von TV+Synchron Berlin setzt sich für Diversität ein
Das Leben ist nicht schwarz und weiß, sondern bunt. Ein Fakt, der in der Filmbranche leider noch nicht überzeugend sichtbar wird. Doch die Dinge verändern sich: So sorgt beispielsweise Schauspieler Tyron Ricketts mit seiner Produktionsfirma Panthertainment für die Besetzung von Fernsehfilmen mit People of Color (PoC) in allen Rollen. Auch die Ufa Entertainment verpflichtete sich, ein Diversitätsziel bis 2024 umzusetzen. In Adlershof verfolgt Producerin Sabrina Schnell bei der TV+Synchron Berlin GmbH eine diverse Agenda. Sie kritisiert die Szene: „Im Synchronstudio finden sich immer wieder die gleichen Namen. Teilweise sind ganze Großfamilien im Synchrongeschäft.“ Menschen mit Migrationshintergrund wären eher selten anzutreffen.
Als ein Kunde 2021 bei TV+Synchron den Wunsch äußerte, die deutsche Stimme einer Transfigur in einer Zeichentrickserie divers besetzen zu wollen, nutzte die Produzentin die lange Vorlaufzeit von etwa sechs Monaten, um inklusiver zu suchen. Im gleichen Jahr outeten sich 185 Schauspieler:innen im „ActOut“-Manifest als queer, transgender, intergeschlechtlich oder nonbinär. Sabrina Schnell schrieb die Initiator:innen an und bat um Unterstützung. Mit Erfolg.
„Letztlich hat uns eine nonbinäre Person durch den ganzen Prozess begleitet und wir haben auch jemanden aus dem Manifest für eine Rolle in der Serie besetzt.“
Sabrina Schnell ist mit Organisationen und Menschen in Kontakt, die gesellschaftliche Vielfalt fördern. Seit Anfang des Jahres lädt das Produktionsstudio monatlich zu Nachwuchscastings ein. „Neue Talente haben oft einen schwierigen Zutritt zur Branche. Wichtig ist uns, dass alle eine Chance haben. Zwar liegt unser Schwerpunkt auf Diversität, aber wir besetzen nicht automatisch queere Personen mit queeren Personen. Vielmehr suchen wir einfach Leute, die sensibel und offen sind für diverse Produktionen und deren Stimme zum Projekt passt.“
Heute probieren sich sechs Personen jeweils eine Stunde als Synchronstimme aus. Als Erstes ist Matthias Pasler an der Reihe. Er hatte sich sowohl als Übersetzer als auch als Synchronsprecher bei der Firma beworben. Aufnahmetonmeister Midal Gebser, Cutterin Steffi Wünschmann und Synchronregisseurin Daniela Reidies stellen sich kurz vor und sind ab sofort nur noch „Midal, Steffi und Daniela“, um für eine entspannte und weniger förmliche Atmosphäre zu sorgen.
Gemeinsam mit Daniela geht Matthias das Dialogbuch einer Zeichentrickserie durch. Es ist in kurze Sprechabschnitte, sogenannte Takes, unterteilt. Daniela erklärt wichtige Begriffe: Ist die Figur nicht im Bild, ist sie im „Off“. Ist die Person von hinten oder unscharf zu sehen, ist von „Conter“ die Rede. Ist sie im „On“, ist die Sprechrolle im Vordergrund. Dann ist Lippensynchronität gefragt. Midal spielt die erste Szene auf einem großen Bildschirm im Original ab. Wenn zwei Querbalken auf dem Bildschirm zusammentreffen, ist Matthias‘ Einsatz gefragt.
Der Nachwuchssprecher achtet bei der zu synchronisierenden Szene genau auf die Details. In welchem Rhythmus spricht die Originalstimme, mit welcher Intensität und mit welcher Emotion? „Rhythmisch war es super,“ lobt Steffi die ersten Versuche von Matthias. Sie weiß, dass Musikalität bei der Arbeit im Synchronstudio von Vorteil ist. Danach sind Szenen eines Realfilms dran. Take für Take arbeitet sich Matthias durch das Skript. Er lernt, immer mehr aus sich herauszugehen, damit seine Stimme „voller“ wird, mehr Raum einnimmt und damit auch präsenter wird.
Nach einem kurzen Feedbackgespräch ist das Casting von Matthias abgeschlossen. Er wirkt erleichtert. „Es war neu und ungewohnt für mich. Ich war auch sehr aufgeregt, aber ich wurde super an die Hand genommen. Es war schön. Wie Radfahren mit Stützrädern.“ Matthias lächelt zufrieden.
Susanne Gietl für Adlershof Journal