Neue Erkenntnisse über die Lichtstreuung von Atomen
Forscher:innen der Humboldt-Universität zu Berlin demonstrieren einen überraschenden Effekt am Fluoreszenzlicht eines einzelnen Atoms
Forscher:innen um Jürgen Volz und Arno Rauschenbeutel vom Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin haben neue Erkenntnisse über die Streuung von Licht an einem fluoreszierenden Atom gewonnen, die auch für die Quantenkommunikation nützlich sein könnten. Seine Ergebnisse hat das Forschungsteam jetzt im Fachjournal Nature Photonics veröffentlicht.
Im Jahr 1900 formulierte Max Planck die Hypothese, dass Licht mit Materie, wie zum Beispiel einem Atom, nicht beliebige Energiemengen austauschen kann, sondern nur bestimmte diskrete „Energiepakete“, die Quanten genannt werden. Fünf Jahre danach schlug Albert Einstein dann vor, dass es sich bei diesen Quanten nicht um eine bloße Rechengröße handele, sondern dass das Licht selbst aus Quanten bestehe, die wir heute Photonen nennen. Tatsächlich gibt es inzwischen Photodioden, die empfindlich genug sind, um ein einzelnes Photon zu registrieren. Bei kontinuierlicher Beleuchtung erzeugen diese kein durchgehendes elektrisches Signal, sondern eine Serie von kurzen Strompulsen. Jeder Strompuls zeigt dabei die Detektion eines einzelnen Photons an.
Lichtstreuung unter der Laser-Lupe
Lässt man nun auf eine solche hochempfindliche Photodiode das Licht eines einzelnen Atoms fallen, das man mit einem Laserstrahl zur Fluoreszenz anregt, so wird man in diesem Fluoreszenzlicht niemals zwei Photonen gleichzeitig detektieren. In dieser Hinsicht unterscheidet sich das Licht eines einzelnen Atoms von dem Laserlicht, mit dem es angeregt wird. Denn im Laserlicht treten Photonen sehr wohl gleichzeitig auf. Treffen zwei Laserphotonen aber gleichzeitig auf ein einzelnes Atom, so wird das Atom nur eines davon absorbieren und lässt das gleichzeitig eintreffende zweite Photon passieren. Anschließend wird das Atom das absorbierte Laserphoton in eine beliebige Richtung abstrahlen und steht erst dann wieder bereit, um ein weiteres Laserphoton zu absorbieren.
Mit anderen Worten: Ein einzelnes Atom kann nur ein Photon nach dem anderen streuen und die Photonen im Fluoreszenzlicht eines einzelnen Atoms treffen wie an einer Perlenschnur aufgereiht auf den Detektor. Diese Eigenschaft macht man sich zum Beispiel in der Quantenkommunikation zunutze, bei der man mit einzelnen Photonen, die von natürlichen oder künstlichen Atomen ausgesendet werden, abhörsicher kommuniziert.
Durch den Filter: Photonen-Singles werden Paare
Das Forschungsteam der Humboldt-Universität konnte nun allerdings am Fluoreszenzlicht eines einzelnen Atoms einen sehr überraschenden Effekt nachweisen: Wenn die Forscher_innen aus dem Licht mit Hilfe eines Filters eine bestimmte Farbkomponente entfernten, verwandelte sich der Einzelphotonen-Strom in Paare aus Photonen, die gleichzeitig detektiert werden.
Indem man also aus einem Strom aus einzelnen Photonen die Richtigen entfernt, liegen die verbleibenden Photonen plötzlich als Paare vor. Mit der Wahrnehmung unserer Alltagswelt lässt sich dieser Effekt nicht in Einklang bringen – verbannt man alle grünen Autos von einer Straße, fahren die verbleibenden schließlich deshalb nicht plötzlich in Paaren nebeneinander her. Und auch die bisherige Gewissheit, dass ein einzelnes Atom nur ein Photon nach dem anderen streuen kann, scheint widerlegt. Denn durch den richtigen Farbfilter betrachtet ist das Atom sehr wohl in der Lage, zwei Photonen gleichzeitig zu streuen. Tatsächlich wurde dieser Effekt schon vor etwa 40 Jahren in einer theoretischen Arbeit zur Lichtstreuung von Atomen von Jean Dalibard und Serge Reynaud an der ENS Paris vorhergesagt. Er konnte aber erst jetzt von dem Team um die Quantenphysiker Jürgen Volz und Arno Rauschenbeutel experimentell nachgewiesen werden.
„Hierbei handelt es sich um ein wunderbares Bespiel dafür, wie sehr unsere Intuition versagt, wenn wir versuchen, uns eine Vorstellung davon zu machen, wie Prozesse auf der mikroskopischen Ebene ablaufen“, sagt Jürgen Volz. „Es handelt sich dabei aber um weit mehr als nur eine Kuriosität“, fügt Arno Rauschenbeutel hinzu. „Die erzeugten Photonenpaare sind nämlich quantenmechanisch verschränkt. Es gibt zwischen den zwei Photonen also die spukhafte Fernwirkung, an die Einstein nicht glauben wollte und dank derer man zum Beispiel Quantenzustände teleportieren kann.“ „Dass ein einzelnes Atom sich hervorragend als Quelle für solche verschränkten Photonenpaare eignet,“ darin sind sich Volz und Rauschenbeutel einig, „hätte bis vor kurzem wohl kaum jemand geglaubt.“
Tatsächlich bietet sich der demonstrierte Effekt an, um Quellen verschränkter Photonenpaare zu realisieren, deren Helligkeit das theoretisch mögliche Maximum erreicht und damit existierende Quellen übertrifft. Hinzu kommt, dass die Photonenpaare von Natur aus zu den Atomen passen, von denen sie abgestrahlt wurden. Das ermöglicht eine direkte Schnittstelle zwischen den Photonen und Quantenrepeatern oder Quantengattern, die die gleichen Atome verwenden und für die Quantenkommunikation über große Distanzen erforderlich sind.
Publikation
Luke Masters, Xin-Xin Hu, Martin Cordier, Gabriele Maron, Lucas Pache, Arno Rauschenbeutel, Max Schemmer, Jürgen Volz: On the simultaneous scattering of two photons by a single two-level atom.
Nature Photonics (2023)
Kontakt
Jürgen Volz
Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin
+49 30 2093 82155
juergen.volz(at)hu-berlin.de
Arno Rauschenbeutel
Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin
+49 30 2093 82152
arno.rauschenbeutel(at)hu-berlin.de
Pressemitteilung HU Berlin vom 04.08.2023