Modellierte Missionen
Active Space Technologies plant Eventualitäten im All voraus
Dank der Raumfahrt sind ferne Planeten für die Menschheit nicht mehr unerreichbar. Als Technologie-Schrittmacher ist sie auch für andere Wirtschaftszweige von strategischer Bedeutung. Doch die Raumfahrt ist kostspielig: Obwohl mit rund 10.000 Beschäftigten vergleichsweise klein, fließen mit 1,2 Milliarden Euro deutlich mehr öffentliche Mittel in die Forschung und Entwicklung als in anderen Branchen.
Umso wichtiger ist es, die Kosten durch akribische Planung in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Mit Hilfe intelligenter Algorithmen optimiert ein Spin-off des Adlershofer DLR Entwicklungen in der unbemannten Raumfahrt.
Computergestützte Problemlösung
"Die Kosten und der Arbeitsaufwand von Raumfahrtmissionen sind enorm. Deshalb ist es wichtig, alle Eventualitäten bereits im Vorfeld zu bedenken und Probleme möglichst schon bei der Planung aus dem Weg zu räumen", macht Riccardo Nadalini Geschäftsführer der 2007 gegründeten Active Space Technologies GmbH deutlich. Bevor ein aus bis zu 100 Subsystemen bestehender Satellit zur Erkundung fremder Planeten ins All geschickt wird, arbeiten 200-400 Mitarbeiter fünf Jahre lang seiner Entwicklung. In der Regel werden bis zu drei Prototypen gebaut, von denen nur einer seine Mission erfüllen wird. Die Gesamtkosten belaufen sich auf ca. 500 Millionen Euro.
Der Einsatz von Virtual Engineering eröffnet erhebliche Einsparpotenziale: So kann der Planungsprozess um 30 Prozent beschleunigt, der Produktionsaufwand um 40 Prozent reduziert und die Investitionskosten um bis zu 30 Prozent verringert werden. Nachdem ein Modell des Satelliten am Computer erstellt wurde, werden sämtliche Prozessabläufe und Funktionsweisen anhand festgelegter Rahmendaten simuliert. Ein Prototyp-Test zeigt, ob die Annahmen sich auch unter realen Bedingen bewähren. Sind alle technischen "Kinderkrankheiten" ausgemerzt, wird das am Computer erstellte Modell realisiert.
Simulierte Extreme
"Unsere Spezialdisziplin ist die thermische Modellierung. Auf Grundlage von uns entwickelter Algorithmen simulieren wir, wie sich Satelliten unter bestimmten Umgebungstemperaturen verhalten", erläutert Riccardo Nadalini. Auf ihren Missionen müssen Satelliten extremen Plus- und Minusgraden standhalten. Im Rahmen einer thermischen Modellierung sucht Active Space Technologies nach technischen Lösungen, mit denen sich die Temperatur-Empfindlichkeit sensibler Komponenten absenken bzw. erhöhen lässt. Die Herausforderung besteht darin, dass die im All bzw. auf Planeten herrschenden Umgebungsbedingungen nicht oder nur unzureichend bekannt sind. Der Arbeitsalltag eines Virtual Engineers ist somit von einem hohen Unsicherheitsfaktor bestimmt. Da man auf die Zuarbeit aus anderen Bereichen angewiesen ist, fließen neue Erkenntnisse meist peu a peu in die Entwicklung ein. Selbst minimalste Änderungen können gravierende Auswirkung auf das Gesamtsystem haben und eine völlig neue Modellierung erforderlich machen.
Kostenintensive Kilos
"Das Gewicht ist in der Luft- und Raumfahrt ein ganz entscheidender Faktor. Jedes Kilo mehr an Bord kann zusätzliche Kosten zwischen 2.000-10.000 Euro verursachen", weiß Riccardo Nadalini aus langjähriger Erfahrung. Soll z.B. die Elektronikbox eines Bordcomputers statt mit zwei plötzlich mit vier Platinen ausgestattet werden ohne das Gesamtgewicht zu erhöhen, stoßen selbst versierte Ingenieure an ihre Grenzen. Wird trotz Miniaturisierung sowie den Einsatz leichterer Materialien die maximal zulässige Gewichtsgrenze überschritten, muss die gesamte Lösung neu überdacht werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Möglichkeiten der Verkleinerung weitestgehend ausgeschöpft sind. So sind die Heat-Pipes zur Wärmeabfuhr bereits am Limit, bei Elektromotoren lassen sich nur noch bestimmte Komponenten miniaturisieren, bei anderen müsste man auf völlig neue Technologien ausweichen.
Horizontale Arbeitsteilung
"Wurden Satelliten früher noch von A-Z von einem Unternehmen gebaut, geht der aktuelle Trend dahin, dass Aufträge paketweise an spezialisierte Unternehmen vergeben werden. Diese Form der horizontalen Arbeitsteilung eröffnet kleinen innovativen Unternehmen wie uns vielversprechende Marktchancen", schätzt Riccardo Nadalini. Von dieser Art des Joint-Business profitieren große wie kleine Unternehmen gleichermaßen. Große Unternehmen können bei Bedarf auf Spezialisten zurückgreifen, ohne diese langfristig an sich zu binden zu müssen. Kleine innovative Unternehmen können an renommierten Projekten mitarbeiten, ihre Kompetenz unter Beweis stellen und sich für Folgeaufträge empfehlen. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Ausgründung aus dem DLR findet sich in unmittelbaren Nachbarschaft der Jungunternehmer: Die 1993 gegründete Astro- und Feinwerktechnik GmbH beschäftigt heute 80 Mitarbeiter und hat sich als zuverlässiger Partner für die Luft- Und Raumfahrt etabliert. Nützliche Tipps ihrer erfahrenen Nachbarn sowie der exzellente Ruf des ehemaligen Arbeitgebers DLR dürften der Active Space Technologies GmbH helfen, sich am Satelliten-Markt zu behaupten.