Mission Zukunft: Adlershof als „World Leader in Impact Innovation”
Essay von Prof. Dr. Klaus Fichter, Direktor des Borderstep Instituts und Professor an der Universität Oldenburg
Den früheren US-Präsidenten John F. Kennedy verbinden die meisten von uns wohl mit seinem berühmten Satz: „Ich bin ein Berliner“, den er knapp zwei Jahre nach dem Mauerbau und mitten im Kalten Krieg vor dem Schöneberger Rathaus sprach. Während dieser Satz ein Mutmacher in den 1960er Jahren war und mittlerweile Geschichte ist, so wirkt eine andere Rede Kennedys bis heute nach und könnte Mutmacher für das 21. Jahrhundert und unsere heutigen Bemühungen um Innovation und Nachhaltigkeit in krisengebeutelten Zeiten sein. In seiner viel beachteten „Moonshot“-Rede äußerte Kennedy 1962 den historischen Satz: „We choose to go to the moon in this decade and do the other things, not because they are easy, but because they are hard, because that goal will serve to organize and measure the best of our energies and skills.“ Menschen auf dem Mond: Dieser lange gehegte Menschheitstraum schien damals noch verrückt und seine Realisierung innerhalb „dieser Dekade“ fast unmöglich. Die Vision wurde durch seine Rede zur Mission, zur großen nationalen Aufgabe, zur gemeinsamen Kraftanstrengung, die das Beste an Technologien und Fähigkeiten aktivieren und zielgerichtet bündeln sollte. Der Traum wurde 1969 Wirklichkeit und der „Moonshot“ zum Leitbild für menschliche Kreativität, risikobereite Innovationskraft und visionären Unternehmungsgeist.
Dieses Leitbild greift eine Studie des Berliner Borderstep Instituts auf, die im Auftrag der WISTA Management GmbH 2019 vorgelegt wurde und „Strategieoptionen für den Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof 2030“ formuliert. Diese entstanden auf Basis zahlreicher Interviews und Workshops mit den Stakeholdern des „Ökosystems Adlershof“. Die Studie schlägt u. a. die Gründung eines interdisziplinären Zentrums für „Grand Challenges“-Lösungen vor. „Grand Challenges“ sind Problemkomplexe, mit denen die Weltgemeinschaft langfristig konfrontiert ist. Dazu gehören die Themen „Energie und Klima“ sowie „Umwelt und Nachhaltigkeit“. Sie werden dramatisch negative Auswirkungen haben, wenn sie nicht gelöst werden, rechtfertigen einen hohen Ressourceneinsatz und erfordern eine integrierte und interdisziplinäre sowie technologie- und branchenübergreifende Herangehensweise. Der Vorschlag bettet sich in das neue Paradigma der sogenannten missionsorientierten Forschungs- und Innovationspolitik ein. In Abgrenzung zur traditionellen „Technology Push“-Förderpolitik, die darauf vertraut, dass anwendungsorientierte Forschung und Technologieentwicklung automatisch eine positive gesellschaftliche Wirkung entfalten wird, richtet sich die neue forschungs- und innovationspolitische Philosophie klar an den Grand Challenges aus. So bindet die Hightechstrategie der Bundesregierung den Einsatz staatlicher Fördermilliarden an konkrete Missionen, wie z. B. „plastikfreie Meere“ oder „nachhaltiges Wirtschaften in Kreisläufen“. Auch in der Beurteilung von Technologien war John F. Kennedy in seiner Moonshot-Rede wegweisend. Er charakterisierte sie wie folgt: „[T]echnology has no conscience of its own. Whether it will become a force for good or ill depends on man.“ (vgl. https://www.rice.edu/jfk-speech)
Die Idee einer verstärkten Ausrichtung des Wissenschafts- und Technologieparks Adlershof an den großen Zukunftsherausforderungen wurde in den vergangenen Jahren weiter präzisiert und soll nun durch eine konsequente Missionsorientierung, exzellente Inter- und Transdisziplinarität, den Aufbau leistungsfähiger Innovation Communities und neuartiger Formen der Kollaboration in physischen, virtuellen und hybriden Innovationsräumen realisiert werden. Diese Form der „Next Level Innovation“ ist lösungsorientiert, wertegetrieben und am Beitrag zur Lösung der Grand Challenges wie der Dekarbonisierung von Produktion und Konsum, zirkulärem Wirtschaften oder resilienten Versorgungssystemen ausgerichtet (impact-oriented). Die Arbeitsweise ist kooperativ, lean, agil, experimentell, und gleichermaßen auf Markterfolg und gesellschaftlichen Mehrwert orientiert. Adlershof arbeitet mittlerweile konkret mit der missionsorientierten Innovationsphilosophie. Die Talente und High Potentials werden von der Missionsorientierung angefeuert. Das zeigt auch der neu eingerichtete „Young Professionals Board“.
Adlershof und Berlin können zu einem „World Leader in Impact Innovation“ werden. Dazu braucht es aber noch mehr Mut und Bereitschaft, neue Wege zu gehen, und zwar von allen. Wir sollten John F. Kennedys Aufbruchstimmung übernehmen und für Adlershof und Berlin einen „Moonshot for Sustainability“ formulieren, als Ausdruck einer spezifischen „Berliner“ Haltung. Das schafft Identität und Innovationskraft für die Lösung der Grand Challenges. So dass alle, die an das Machbare des „Unmöglichen“ und eine bessere Zukunft glauben, sagen können: „Ich bin ein Berliner“, egal wo sie sich auf diesem Globus befinden.
Prof. Dr. Klaus Fichter ist Direktor des Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit gemeinnützige GmbH, Berlin, und Professor für Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.