Mehr Zeit für Pflege durch Digitalisierung
NOVENTI Care entwickelt Software für die komplexen Anforderungen im Gesundheitswesen
„Mit Robotern hat das Thema Digitalisierung in der Pflege nichts zu tun“, sagt Julius Knoche lachend. Zwar werde immer wieder an sprechende Automaten mit Armen und Beinen gedacht, die Menschen mit besonderem Bedarf beim Essen, Baden oder Zubettgehen helfen und dabei vielleicht noch Gute-Nacht-Geschichten erzählen. Doch bei der in Adlershof ansässigen NOVENTI Care GmbH, die Knoche als Geschäftsführer leitet, geht es um die Entwicklung von Pflegesoftware und die erfolgreiche Vernetzung mit anderen digitalen Systemen.
„Ein Pflegedienst umfasst sehr viele Aufgaben“, sagt der gebürtige Bremer, der 2011 das Studium der Kommunikations- und Kulturwissenschaften an der Zeppelin Universität Friedrichshafen abgeschlossen hat. Danach war Knoche als Unternehmensberater tätig. Im Mai 2019 kam er nach Berlin, wo NOVENTI die Adlershofer Firma Benutzerorientierte Systeme und Software (BoS&S) übernommen hatte. Im Oktober 2023 wurde die Abteilung Pflegesoftware an die Volaris Gruppe verkauft. „Wir freuen uns darauf, das Team um Julius Knoche dabei zu unterstützen, seine Vision für den Pflegemarkt voranzutreiben und die begonnene Erfolgsgeschichte fortzuschreiben“, betont Volaris-Manager Raimund Schlotmann.
Die Herausforderung ist es, Software zu entwickeln, die den Anforderungen des immer komplexer werdenden Gesundheitswesens entspricht. „Die Abrechnungen sind sehr anspruchsvoll“, sagt Knoche. Zu dokumentieren ist etwa die Art der Pflege – ambulant, stationär oder durch Angehörige – sowie das aktuelle Befinden der zu pflegenden Person. Zudem können die Leistungen, die Kosten und deren Erstattung von Bundesland zu Bundesland beträchtlich variieren. Sie hängen nicht nur von den Aktivitäten der einzelnen Pflegedienste oder -einrichtungen, sondern auch vom Wohnort der Pflegebedürftigen ab. Deshalb muss die Software, die allen Ansprüchen der Pflege gerecht werden will, ziemlich komplex sein.
Zu den Aufgaben des ambulanten Pflegedienstes gehört es zunächst, die Betroffenen und ihre Angehörigen bei Fragen, die die Pflege betreffen, zu beraten. Es muss auch bei Essenslieferung, Organisation von Fahrten oder Krankentransporten geholfen werden. Dasselbe gilt für die Unterstützung bei der Haushaltsführung, etwa beim Kochen oder Reinigen der Wohnung. Zudem müssen Körperpflege und persönliche Betreuung – je nach Pflegegrad in unterschiedlicher Intensität – geleistet und abgerechnet werden.
Eine effektive Personal- und Tourenplanung im ambulanten Dienst ist somit unumgänglich. Hier ist die jahrzehntelange Erfahrung der Adlershofer Expert:innen hilfreich. „Die Software für all diese Details entwickeln wir selbst“, sagt Knoche. So konnte NOVENTI Care mit dem Programm „myCortex“ und der dazugehörigen App „myCara“ eine neue mobile Plattform erstellen. Sie funktioniert online wie offline und bietet eine mit dem Datenschutz konforme Spracherkennung. Das spart Zeit bei der Dokumentation der Pflegemaßnahmen und ermöglicht Arbeitszeit- und Leistungsabrechnungen ohne mühsames Ausfüllen von Formularen.
So einfach ist es allerdings nicht, denn die Gesetzgebung hinkt in manchen Bereichen dem Fortschritt hinterher, etwa bei der digitalen Unterschrift. „Hier müssen wir der Kundschaft zum Teil sagen, dass wir das nicht rechtssicher anbieten können“, erklärt Knoche. Um aus solchen Grauzonen herauszukommen und um die Gesetzgebung zu beeinflussen, seien immer wieder Gespräche mit Verbänden und Krankenkassen notwendig. „Es wird dann spannend, wenn Innovation, Regulatorik und operative Bedürfnisse aufeinanderprallen“, sagt Knoche.
Da ist es wichtig, Mitarbeiter:innen zu gewinnen, die sich in Softwareentwicklung und in den fachlichen Fragen der Pflege auskennen. Es geht um stark vernetzte Regelungen etwa der Krankenkassen und strenge regulatorische Vorschriften zum Datenschutz. Ein großer Teil der Mitarbeitenden habe vorher im Pflegebereich gearbeitet, sagt Geschäftsführer Knoche. Abgeworben werde niemand, doch manche könnten aus körperlichen Gründen nicht mehr in der Pflege weitermachen.
Die Mühe des Unternehmens hat sich gelohnt. Bereits 1.500 Pflegedienste deutschlandweit greifen mittlerweile auf die Adlershofer Software zurück. In den Heimen hat sich die personelle Situation in der letzten Zeit verschlechtert. Die Verwaltung wird immer zeitintensiver, Mitarbeitende fehlen, so dass auf Zeitarbeitsfirmen zurückgegriffen werden muss. Deren Dienste sind teuer. Mehr zuverlässige Digitalisierung könnte Abhilfe schaffen, weil sie mehr Zeit und Zuwendung für die Pflegebedürftigen ermögliche, meint Knoche.
Dr. Paul Janositz für Adlershof Journal