Lokale Antworten auf globale Herausforderungen
Bernd Rech (HZB) und Ulrich Panne (BAM) über Wege zu ressourcenschonender Energieversorgung und neuen Materialien
Ein neues Jahrzehnt ist angebrochen – und mit ihm macht sich angesichts des Klimawandels, wachsender Weltbevölkerung und einer geschundenen Umwelt ein banger Blick in die Zukunft breit. Doch die muss nicht düster sein, denn Wissenschaftler arbeiten an Lösungen – auch in Adlershof. Wie Wissenschaftler die globalen Herausforderungen sehen?
Weltweite Konflikte, ein wachsendes Gefälle zwischen Arm und Reich, Migration, die nicht zuletzt durch den Klimawandel ausgelöst wird. Fragt man Bernd Rech nach globalen Herausforderungen, fallen ihm ad hoc viele ein. „Die meisten davon sind miteinander verwoben“, sagt der wissenschaftliche Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie. Der Physiker verantwortet die Bereiche „Energie“ und „Information“.
Rech gilt international als ausgewiesener Experte für erneuerbare Energien und Technologietransfer. Und damit liegt fast schon von Berufswegen sein Fokus auf der Frage des Klimawandels, der schonenden Ressourcennutzung und der nachhaltigen Energieversorgung – zweifellos existenzielle Fragen für die Menschheit, die eng zusammenhängen. Und zu deren Lösung Forscher beitragen können: „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler helfen dabei, komplexe Zusammenhänge zu verstehen, Lösungswege aufzuzeigen und entsprechende Technologien zu entwickeln – gemeinsam mit anderen Playern können sie Teil der Lösung sein“, sagt Rech. Einen guten Nährboden dafür biete Adlershof, „weil hier viel Wissen zusammenläuft“. Hier findet Grundlagenforschung in der Energie- und Materialforschung den Weg in die Praxis.
Bestes Beispiel dafür ist die Synchrotronquelle BESSY II: „Das Mikroskop hilft, Materialien im Detail zu verstehen, etwa, um neuartige Batterien zu entwickeln, Quantenmaterialien oder innovative Schichtsysteme für Solarzellen“, erklärt Rech. „Im Bereich effizienter Solarzellen wird in Adlershof internationale Spitzenforschung betrieben.“ So werden am Helmholtz Innovation Lab HySPRINT (Hybrid Silicon Perovskite Research, Integration & Novel Technologies) hybride Materialien sowie Bauelemente auf Basis von Silizium und Perowskitkristallen entwickelt, die für die Energiewandlung in der Photovoltaik, aber auch bei der solaren Wasserstoffproduktion eingesetzt werden können. Gerade haben die Adlershofer einen Weltrekord erzielt: Unter Laborbedingungen hat ihre neuartige Hybridsolarzelle einen Wirkungsgrad von 29,1 Prozent erreicht (bisheriger Bestwert: 28 Prozent).
Das wird noch nicht das Ende der Fahnenstange sein: „Aus rein physikalischer Sicht sind 80 Prozent denkbar, wobei 50 Prozent realistisch sind“, sagt Rech. Allerdings bedürfe es dazu noch einiger Forschung rund um komplexe Materialsysteme. Fest steht jedenfalls: „Die Photovoltaik wird sich als günstige und umweltfreundliche Technologie zu einer tragenden Säule der Energiegewinnung entwickeln“, ist der Physiker überzeugt. Auch um CO2-freie Brennstoffe wie Wasserstoff zu gewinnen. Jedenfalls erwartet Rech, dass auf diesen Feldern in den nächsten zehn Jahren große Durchbrüche erreicht und wir eine komplett andere Energieversorgung als heute erleben werden: „Ich bin überzeugt, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien global gelingen wird.“
Auch für Ulrich Panne, Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), ist die Energiefrage die entscheidende: „Vor dem Hintergrund, dass bald zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben werden, landet man bei den vielen damit verbundenen Herausforderungen oft bei dieser Kernfrage“, sagt Panne. „Allein schon wie eine nachhaltige Landwirtschaft die wachsende Menschheit ernähren soll, ist letztlich eine Frage der ressourcenschonenden Energieversorgung.“
Für den Chemiker ist offensichtlich, dass wir eine Zeitenwende erleben: „Wir müssen anders denken, wirtschaften, leben.“ Und forschen. Denn auch der Blick auf die Wissenschaft habe sich verändert, sei kritischer geworden, weil sie nicht nur Lösungen schaffe, sondern mit aus ihr entstandenen Technologien auch neue Risiken in die Welt kämen. „Insofern ist die Klimabewegung ein Weckruf für die Wissenschaft, von der nun erwartet wird, noch stärker ein Motor der Veränderung zu sein“, sagt der BAM-Präsident.
Ulrich Panne ist ein Mensch, der auch Folgen abschätzt. Zu den Kernkompetenzen der interdisziplinär aufgestellten BAM zählt die Bewertung von Risiken. Damit sorgt sie für Akzeptanz von Innovationen. Die BAM kümmert sich um viele Fragen, die jeden von uns betreffen, wie kerntechnische Entsorgung, Fragen der Standsicherheit von Offshore-Windanlagen oder zu neuen Methoden der analytischen Chemie, um Materialien für die Energiewende zu entwickeln.
Alles Fragen, um deren Beantwortung es jetzt gehen muss: „In zehn Jahren werden uns unsere Kinder und Enkel fragen, was wir unternommen haben, damit die Welt eine andere, bessere wird“, sagt Panne. Für ihn steht fest: „Die kommenden zehn Jahre sind die entscheidenden.“ Der Weg werde zwar nicht einfach, aber er ist zuversichtlich, dass viele Probleme gelöst werden können. Rech, Vater dreier noch schulpflichtiger Kinder, blickt ebenfalls optimistisch in die Zukunft: „Schließlich haben wir heute die große Chance, Teil der Lösung zu sein.“
Von Chris Löwer für Adlershof Journal