Lichtpulse bewegen Spins von Atom zu Atom
Forscher lösen die Frage, wie Laserpulse die Magnetisierung durch ultraschnellen Elektronentransfer zwischen verschiedenen Atomen manipulieren können
Wenige nanometerdünne Filme aus magnetischen Materialien sind ideale Testobjekte, um grundlegende Fragestellungen des Magnetismus zu untersuchen. Darüber hinaus haben solche dünnen magnetischen Filme wichtige technologische Anwendungen. Sie werden beispielsweise in magnetischen Massendatenspeichern eingesetzt, z.B. in den magnetischen Festplatten, die in Cloud-Datenspeicherzentren verwendet werden. Während in der heutigen Technologie die Magnetisierung in diesen dünnen Filmen durch externe Magnetfelder manipuliert wird, ist es auch möglich, die Magnetisierung mit Hilfe von Laserpulsen zu beeinflussen. Wenn man magnetische Materialien ultrakurzen Lichtpulsen mit einer Dauer von nur wenigen zehn Femtosekunden (1 Femtosekunde = 1 Millionstel einer Milliardstel Sekunde) aussetzt, beobachtet man, dass sich die Magnetisierung verändert. In einfachen Probensystemen entspricht diese Änderung oft einer einfachen Abnahme der Magnetisierungsamplitude. In komplexeren Materialsystemen kann der Lichtpuls die Magnetisierung jedoch auch dauerhaft umkehren. In solchen Fällen spricht man von optischer Magnetisierungsumschaltung mit offensichtlichen Anwendungspotenzialen. Die bemerkenswerte Geschwindigkeit dieses Schaltvorgangs ist jedoch noch nicht verstanden. Aus diesem Grund untersuchen Forschungsgruppen weltweit die mikroskopischen Prozesse, die dem „Femtomagnetismus“ zugrunde liegen.
Forscher des Max-Born-Instituts in Berlin und des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle haben jetzt in einer kombinierten experimentellen und theoretischen Forschungsarbeit einen neuen mikroskopischen Prozess beobachten können, der erst vor kurzer Zeit theoretisch vorhergesagt wurde. Der Prozess, der als Optischer Intersite-Spin-Transport (OISTR) bezeichnet wird, kann auftreten, wenn geeignete Atome unterschiedlicher Art in einem Festkörper benachbart sind. Unter entsprechenden Bedingungen löst ein Lichtpuls eine Verschiebung von Elektronen von einem Atom zum Nachbaratom aus. Wichtig ist, dass dies überwiegend mit Elektronen einer bestimmten Spinorientierung geschieht und somit die lokale Magnetisierung beeinflusst. Dieser Prozess findet während der optischen Anregung statt und ist nicht von Sekundärmechanismen abhängig. Es ist daher der schnellste denkbare Prozess, der zu einer lichtinduzierten Änderung des Magnetismus führt.
Ein Atom weist eine Magnetisierung auf, wenn es über eine unterschiedliche Anzahl an Spin-up- und Spin-down-Elektronen verfügt. Umso größer dieser Unterschied ist, desto größer ist auch sein magnetisches Moment. Vereinfacht stellt man sich an jedem Atom zwei Reservoirs für die Elektronen der beiden Spinorientierungen vor, die unterschiedlich hoch gefüllt sind. Für ein Kobalt-(Co) und ein Platin-(Pt)Atom, die in einer CoPt-Legierung Nachbarn sind, ist dies in Abbildung 1 skizziert. Wird die Magnetisierung verringert, muss sich auch die Anzahl der beiden Spin-Typen ausgleichen. Ein bekannter Prozess für diesen Ausgleich beider Reservoirs an einem Atom ist der Spin-Flip, bei dem beispielsweise ein Spin-up-Elektron zu einem Spin-down-Elektron wird – in der Abbildung dargestellt durch einen Sprung vom blauen in das rote Reservoir. Diese Spin-Flips treten verstärkt an schweren Atomen wie Pt auf, wo der Spin besonders empfindlich auf die Bewegung des Elektrons reagiert – Physiker sprechen von einer großen Spin-Bahnkopplung. Der bei diesem Spin-Flip-Prozess emittierte Drehimpuls wird von der gesamten Anordnung der Atome im Festkörper absorbiert.
In der vorliegenden Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, haben die Forscher zwei Modellsysteme untersucht, eine reine Co-Schicht und eine CoPt-Legierung. Das Team bestimmte experimentell die Veränderung in der Absorption von ultrakurzen Pulsen weicher Röntgenstrahlung mit kontrollierter Wellenlänge und Polarisation, die durch einen vorhergehenden anregenden Laserpuls induziert wurde. Anschließend wurden die experimentellen Ergebnisse mit theoretischen Berechnungen, wie in Abbildung 2 dargestellt, verglichen. Auf diese Weise konnten die zeitlichen Änderungen der Elektronenanzahl mit Spin-up und Spin-down, die durch den anfänglichen Laserpuls ausgelöst wurden, für die Co- und Pt-Atome getrennt bestimmt werden.
Der Vergleich zwischen dem einfachen System, das ausschließlich Co-Atome enthält (linke Tafeln in Abbildung 2), und der Legierung, die sowohl Co- als auch Pt-Atome enthält (rechte Tafeln), zeigt ausgeprägte Unterschiede im Absorptionsverhalten, die durch die theoretischen Berechnungen unabhängig voneinander vorhergesagt werden. Diese Unterschiede kommen zustande, da bei der CoPt-Legierung ein zusätzlicher Prozess stattfinden kann, bei dem Elektronen von den Pt- zu den Co-Atomen transferiert werden. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei bevorzugt um Spin-down-Elektronen handelt, da die Anzahl der freien Plätze für diese Spinrichtung an den Co-Atomen signifikant größer ist. Am Co-Atom erhöhen die transferierten Elektronen also das Niveau der Spin-down-Elektronen (rot in Abbildung 2), wodurch sich die Füllhöhe dem des Spin-up-Reservoir angleicht und das magnetische Moment des Co-Atoms reduziert wird. Dieser OISTR-Prozess zwischen Pt und Co geht mit einem Ausgleich der Elektronenreservoirs lokal an den Pt-Atomen durch Spin-Flips einher. Diese Spin-Flips erfolgen effizient an den schwereren Pt-Atomen mit ihrer großen Spin-Bahn-Kopplung und nur in wesentlich geringerem Maße an den leichteren Co-Atomen.
Die detaillierten Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Fähigkeit zur optischen Manipulation der Magnetisierung über den optischen Intersite-Spin-Transport entscheidend von den freien Zuständen für Spin-up- und Spin-down-Elektronen der beteiligten Atome abhängt. Diese Zustände können durch Zusammenbringen der richtigen Atomarten in neuartigen Materialien maßgeschneidert werden. Das Verständnis der mikroskopischen Mechanismen, die an der optischen Manipulation der Magnetisierung beteiligt sind, ebnet somit den Weg zu einem logischen Design neuer funktioneller magnetischer Materialien und ermöglich somit eine Kontrolle der Magnetisierung durch Laserpulse auf ultrakurzen Zeitskalen.
Abbildung 1:
Einfaches Bild der Elektronenreservoirs von magnetischen Atomen in einer CoPt-Legierung. Bei Kobalt (Co) ist die Anzahl der Spin-down-Elektronen (rot) um die Co-Atome deutlich geringer als die der Spin-up-Elektronen (blau). Folglich ist der verfügbare Raum zur Aufnahme weiterer Spin-down-Elektronen größer. Ausgelöst durch die optische Anregung (roter Puls) können Spin-down-Elektronen vom Platin (Pt) zu den Co-Atomen übertragen werden (OISTR-Prozess), was das Reservoir füllt und zu einer Entmagnetisierung in Co führt. An den schwereren Pt-Atomen lassen sich aufgrund der hohen Spin-Bahn-Wechselwirkung bereits in den ersten 10-100 Femtosekunden nach der optischen Anregung effiziente Spin-Flips beobachten, die die Anzahl der Spin-down- und Spin-up-Elektronen schnell ins Gleichgewicht bringen.
Abbildung 2:
Gemessene (a) und berechnete (b) ultraschnelle Änderungen der helizitätsabhängigen Absorption an der Co-Resonanz bei einer Photonenenergie von 60,3 eV für einen Co-Film (gelb) und eine CoPt-Legierung (blau). Rechtszirkular polarisiertes Licht misst vorwiegend die relativen Änderungen der Besetzungen von Spin-down-Elektronen. Die Verringerung der Absorption ist folglich ein direktes Maß für das ultraschnelle und effiziente Auffüllen unbesetzter Spin-down-Zustände von Co. Diese Füllung erfolgt in den ersten 10-100 Femtosekunden mittels optisch übertragener Spin-down-Elektronen von den Pt-Atomen.
Publikation:
Optical inter-site spin transfer probed by energy and spin-resolved transient absorption spectroscopy
Felix Willems, Clemens von Korff Schmising, Christian Strüber, Daniel Schick, Dieter W. Engel, J. K. Dewhurst, Peter Elliott, Sangeeta Sharma & Stefan Eisebitt
Nature Communications 11, 871 (2020) doi.org/10.1038/s41467-020-14691-5
Kontakt:
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI)
Dr. Felix Willems
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