Leise und abgasfrei durch die Wellen für den perfekten Tag auf dem Wasser
Start-up Greenboatsolutions hilft Bootsbesitzern bei der Umrüstung auf Elektroantrieb
Elektro-Autos, E-Bikes und E-Tretroller: Auf der Straße ist die Elektrifizierung in vollem Gange. Und auf dem Wasser? In Deutschland fahren mehr als 500.000 Boote auf Binnengewässern und an den Küsten, die meisten davon noch immer mit Verbrennungsmotoren. Die drei Berliner Johann Gocht, Paul Wagner und Elias Kerlinski wollen das nun ändern. Abgasfrei durch die Wellen, lautlos in den Hafen – für Bootsfreunde ergeben sich dank des elektrischen Antriebs ganz neue Möglichkeiten. Doch die Umstellung ist für Einsteiger komplex, zeitaufwendig und oft unnötig teuer. Welcher Antrieb passt zu meinem Boot? Welche Batterie zu meinem Antrieb? Das Onlineportal Greenboatsolutions, das die Jungunternehmer entwickelt haben, soll Bootsbesitzern helfen, die Umrüstung zu meistern.
Elektrische Autofähren, Wassertaxis mit lautlosem Elektroantrieb oder Frachter, die die Energie von Sonne und Wind für ihren Antrieb nutzen – die Idee der Elektromobilität auf dem Wasser ist keine Zukunftsmusik. In vielen Bereichen der professionellen Schifffahrt wird an Konzepten gearbeitet, die den Treibstoffverbrauch und die Emissionen von Schiffen reduzieren sollen.
Alternative Antriebe werden aber auch bei Freizeitkapitänen immer gefragter. Doch für deren Elektromobilität auf dem Wasser gibt es einige Herausforderungen. Dort, das sagt der Bundesverband Wassersportwirtschaft, sind elektronische Bootsantriebe noch ein Nischengeschäft: Der Marktanteil der E-Außenborder liegt unter drei Prozent. Dabei gibt es den Elektroantrieb für Schiffe auf Binnengewässern nicht erst seit gestern. Das erste Elektroboot der Welt schipperte schon 1839 in Sankt Petersburg durch die Kanäle. Das umgerüstete Ruderboot erreichte gemächliche 2,5 Stundenkilometer und konnte ein Dutzend Passagiere befördern. Knapp 50 Jahre später fuhr die von Siemens entwickelte „Elektra“ auf der Spree. Sie konnte 25 Passagiere befördern und war 14 Stundenkilometer schnell.
„Warum also Umweltschutz nicht auch stärker aufs Wasser bringen“, fragt Johann Gocht, für Zahlen und Marketing im Start-up zuständig. Er hat ursprünglich eine Ausbildung als Banker in einem dualen Studium absolviert. „Ich bin eigentlich davon ausgegangen, bis zur Rente in einer Bank zu arbeiten“, erzählt der 22-Jährige. Paul Wagner, der noch technische Informatik studiert und für Design und Programmierung im Unternehmen verantwortlich ist, wollte immer selbstständig sein. Die Vorstellung, in einer großen Firma zu arbeiten, fand er „gruselig“. Elias Kerlinski ist frisch gebackener Wirtschaftsingenieur und kümmert sich um alle technischen Belange.
Jede freie Minute haben die Freunde, die sich seit der 5. Klasse kennen, am Wasser verbracht, auf dem Grundstück von Wagners Eltern. Eine Menge Boote kamen hier vorbei. Paradox erscheint ihnen, dass man den Weg in die Natur, zu Ruhe, Flora und Fauna mit einem stinkigen, lauten Verbrennungsmotor am Boot absolviert. Auch das eigene erste Floß, das sie gebaut haben – ein Schwimmkörper aus Tonnen mit einem Aufbau aus Sperrmüll –, hatte einen stinkigen Zweitaktmotor, „so laut, dass man sich kaum unterhalten konnte“, erinnert sich Wagner. Das muss besser gehen, fanden sie und tüftelten an einem modernen und nachhaltigen Elektrofloß. „Der perfekte Tag auf dem Wasser, das war unser Anspruch“, erzählt Wagner, „beim Design und bei der Nachhaltigkeit.“ Über ein Jahr arbeiteten sie an ihrem Prototypen, beendeten die erste Stufe des Businessplan-Wettbewerbs als 6. von 160 Teilnehmern und gewannen mit ihrer Idee ein Gründerstipendium des Berliner Senats, das sie in die Gründerwerkstatt Adlershof und in den Coworking Space in Adlershof führte.
Während der Suche nach den besten Komponenten und Bauteilen für ihr eigenes Elektrofloß kommen die Gründer auf eine zweite Idee mit noch größerer Wirkung. Das Wissen, das sie in ihren Recherchen und im Kontakt mit Herstellern und Händlern sammeln, wollen sie bündeln und anderen Bootsbesitzern zur Verfügung stellen, um ihre Boote zu „elektrifizieren“. Greenboatsolutions heißt diese herstellerunabhängige, digitale Beratungsplattform mit angeschlossener Kaufmöglichkeit der ausgewählten Komponenten.
„Wir stellen den Bootsbesitzern einige konkrete Fragen, aus den Antworten entwickeln wir konkrete Empfehlungen, die unkompliziert miteinander verglichen werden können“, erzählt Elias Kerlinski. Mit einfachen Fragen – z. B.: „Wie groß ist das Boot?“ oder „Welche Reichweite soll es haben?“, „Binnengewässer oder Salzwasser?”, „Welche Motorenart?” – werden die Interessenten an die Hand und durch den Dschungel unterschiedlicher Parameter, Komponenten und Anbieter geführt. „Eingabe, Vergleich, Lösung – mit allen Vor- und Nachteilen“, erklärt Wagner, „die Suche soll nicht viel länger als fünf Minuten dauern.“
Die Plattform sei einsatzbereit, ergänzt Gocht, momentan sei man auf der Suche nach einem Business Angel, um zu „skalieren“. Warum die Idee noch keiner hatte? „Die Branche“, sagt Wagner schmunzelnd, „ist (noch) nicht wahnsinnig digital unterwegs.“
Ans Wasser kommen die drei Gründer momentan trotz sommerlicher Temperaturen selten. „Wir sind sieben Tage in der Woche im Büro.“
Von Rico Bigelmann für Adlershof Journal