Kochtopf für Elektronen
MBI-Forscher untersuchen Quantenpunkte
Pressemitteilung Forschungsverbund Berlin e. V., 10.06.04
Christoph Lienau arbeitet am Berliner Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie. Er und seine Teamkollegen untersuchen winzige Strukturen, so genannte Quantenpunkte, und das Verhalten der Elektronen darin. Sie nutzen dazu die optische Spektroskopie. Das heißt, er und seine Kollegen analysieren das Licht, das von Bauteilen ausgesandt wird.
Üblicherweise gibt dieses Licht, meist handelt es sich um reflektiertes Laserlicht, Auskunft über die chemische Zusammensetzung einer Probe. Doch die interessiert Lienau nur am Rande. Wichtiger für ihn sind die Oberflächenform der Probe sowie die Aufenthaltsorte von Elektronen. Die Forscher am MBI können tatsächlich nachverfolgen, wie sich Elektronen bewegen. „Wir können sogar einzelne Elektronen ,dressieren’", sagt Lienau.
Bei seiner Arbeit begegnet Lienau oft das Phänomen der Selbstorganisation. „Wenn wir von sich selbst organisierendem Wachstum sprechen", erläutert Lienau, „dann erhoffen wir uns meist geordnete Schichten, dünne Drähte oder punktförmige Strukturen." Das funktioniere zwar im Prinzip, so der Physiker, „aber wo Wachstum ist, da ist auch Unordnung". Nanostrukturen seien nie völlig homogen. Die Oberfläche eines optoelektronischen Bauteils zum Beispiel sieht nicht aus wie eine glatte Tischplatte, sondern eher wie die oberste Lage einer Kiste, in die man Kugeln schüttete. An manchen Stellen türmt sich ein Berg, anderswo klafft ein Loch.
Lienau macht mit seinen Händen deutlich, wie wichtig die Kristall-Gitterstrukturen dabei sind. Die waagrecht gespreizten Finger der Linken deuten die Unterlage an, darauf abgeschieden wird nun anderes Material: Die rechte Hand legt sich auf die linke, die Finger gegeneinander verschoben – das abgeschiedene Material hat eine andere Gitterstruktur. „So entstehen Spannungen im Material, Nano-Inseln bilden sich und Hochebenen", beschreibt Lienau.
Die optoelektronischen Eigenschaften von Halbleiterstrukturen sind von dieser Unordnung geprägt. Sie sei nicht zu beseitigen. „Wir können aber daraus lernen", sagt Lienau. „Dazu müssen wir sehen können, wie diese Unordnung die optischen Eigenschaften der Halbleiter verändert." Mit ausgeklügelten Mikroskopieverfahren beobachten die Wissenschaftler die Wachstumsprozesse in ihren unterschiedlichen Stadien, um die Unordnung besser zu verstehen. „Selbstorganisation ist das Werkzeug, das uns die Natur zur Verfügung stellt", sagt Lienau, „wir müssen versuchen, es zu nutzen."
Zum Beispiel bei der Erzeugung von Quantenpunkten. Lienau nimmt wieder die Hände, um es dem Laien deutlich zu machen. Diesmal bilden sie ein Gefäß: „So ein Quantenpunkt ist wie ein Kochtopf für Elektronen." Die elektrischen Ladungsträger flitzen darin hin und her und stoßen an die Wände, wissenschaftlich ausgedrückt: Die Elektronen bewegen sich in einem Resonator, können dabei nur ganz bestimmte Energiezustände einnehmen. Das führt dazu, dass Licht einer bestimmten Wellenlänge erzeugt wird. Lienau: „Uns interessiert speziell, wie wir die Bewegung der Elektronen in den Quantenpunkten so gut verstehen, dass wir sie mit ganz kurzen Lichtimpulsen gezielt manipulieren können." Diese Blitze sind rund hundert Femtosekunden kurz (1 Femtosekunde: 10 hoch minus 15 Sekunden). Zusammen mit Kollegen, die die selbstorganisierenden Prozesse verfeinern, wollen die MBI-Forscher zum Beispiel versuchen, ganze Ketten solcher Quantenpunkte mit jeweils gleichen Abständen zu erzeugen und die Elektronenbewegung in diesen Ketten zu kontrollieren.
Reine Grundagenforschung? Nicht ganz. Denn daraus ergeben sich zum Beispiel Möglichkeiten für neuartige Laserstrukturen. Und mithilfe solcher Quantenpunkte ließe sich dereinst vielleicht ein leistungsfähiger Quantencomputer realisieren.
Weitere Informationen:
Dr. Christoph Lienau
Tel.: (030) 63 92 – 14 76
E-Mail: lienau(at)mbi-berlin.de