Kein Tag wie jeder andere
Sie sind drei von 34.000: Was es heißt, in Deutschlands größtem Technologiepark zu arbeiten
Montag, 7:30 Uhr.
Stephan Möllers ist seit zwei Stunden wach, gestartet in Panketal, gerade mit der S8 auf dem Weg nach Adlershof. Am S-Bahnhof Storkower Straße steigt Alina Schmalz hinzu. Kurze Zeit später fährt auch Paul Zimmer ganz in der Nähe durch Friedrichshain – er hat sich heute fürs Fahrrad statt der S-Bahn aus Pankow entschieden. Alle drei haben nicht nur einen ähnlichen Weg nach Adlershof. Sie gehören außerdem zu den mehr als 34.000 Menschen, die in Deutschlands größtem Technologiepark arbeiten und studieren.
Alina Schmalz macht beides gleichermaßen. Im Dezember 2024 hat die Chemikerin ihre Masterarbeit abgegeben, die sie bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) geschrieben hat. Ihr Thema: spezielle metallorganische Verbindungen, die in der Katalyse angewendet werden. Das soll auch Thema ihrer Doktorarbeit und weiterer Forschung sein. „Ich wollte in einem nachhaltigen, umweltbezogenen Anwendungsbereich forschen und habe mich im Master deswegen auf physikalische Chemie und Katalyse spezialisiert“, erzählt Schmalz. Nachdem sie morgens bei der BAM angekommen ist, strukturiert sie kurz ihre Aufgaben und dann geht es schon los. Während ihrer Masterarbeit habe sie viel herumprobiert, weswegen sich die Arbeit im Labor effizienter nutzen ließe: „Während beispielsweise eine Messung für zwei, drei Stunden läuft, kann ich nebenbei andere Dinge machen, Daten auswerten oder schon an meiner Arbeit schreiben.“ Am Ende vergeht so ein ganzer Arbeitstag und schließlich fünf Tage pro Woche.
Dienstag, 14 Uhr.
Der Nachmittag ist für Paul Zimmer die ideale Zeit für Meetings, für Zusammenarbeit oder für einen Termin bei einem Zulieferer um die Ecke. Heute weiß er die kurzen Wege im Technologiepark zu schätzen, bis vor zwei Jahren hatte der studierte Maschinenbauingenieur noch nie etwas von Adlershof gehört. Aus Süddeutschland zu seiner Freundin nach Berlin gekommen, stellte er fest, dass hier „90 Prozent der Jobangebote in meinem Gebiet aus Adlershof kommen.“ Sein Gebiet: ein Job mit Sinn, an der Schnittstelle zwischen Medizin und Elektrotechnik. Gefunden hat er ihn bei Magnosco. Das Unternehmen bietet ein smartes Dermatoskop für Hautärzt:innen an, Zimmer arbeitet in der Geräteentwicklung. „Es ist toll hier. Ich habe das Gefühl, am Campus passiert ganz viel, was sehr ehrgeizig ist.“ Für Magnosco sei es außerdem hilfreich, Lieferanten und externe Partner in Laufdistanz zu wissen, sagt Zimmer: „Wir fahren kurz rüber, schauen uns das Problem an und innerhalb einer halben Stunde ist es geklärt und wir können weitermachen.“
Mittwoch, 12:30 Uhr.
Vergleichbares schildert Stephan Möllers: „Ich bin immer wieder überrascht, wie kurz der Tag hier ist, weil wir nie genau wissen, was uns erwartet.“ Möllers ist seit 2023 Abteilungsleiter im Facility-Management bei der WISTA.Service GmbH. Der Versorgungs- und Energietechniker war lange bei Ingenieurbüros in der Anlagenplanung tätig und kümmert sich heute mit seinen Kolleg:innen darum, dass vor allem in den Technologiezentren der WISTA Management GmbH alles läuft – also buchstäblich. Egal ob Heizung, Kühlung, Raumluft, technische Gase, Wasser oder die Jalousien am Fenster. „Wir sind dafür da, dass im Idealfall nichts kaputt geht“, so Möllers. Vermeiden lasse sich das allerdings nie ganz, weshalb mindestens die Hälfte der Arbeit aus spontanen Einsätzen bestehe. Nach dem Lunch – Stullen von zu Hause, eine gekochte Mahlzeit isst er abends mit der Familie – hat Möllers heute einen seiner regelmäßigen Termine mit einer Zentrumsleitung. Diese Meetings strukturieren seine Woche zumindest grob. Was die Arbeit teilweise unplanbar macht, sei gleichzeitig ihr Reiz. Ein Hochtechnologiestandort wie Adlershof braucht entsprechend ausgestattete Gebäude: „Je anspruchsvoller die Nutzung, desto anspruchsvoller die Technik – und spannender für uns.“
Donnerstag, 17 Uhr.
„Meine Freizeit verbringe ich nicht in Adlershof“, gibt Alina Schmalz offen zu. Zimmer schätzt es mindestens, medizinische Praxen in direkter Umgebung zu haben. Adlershof ist und bleibt für die meisten ein Arbeitsplatz – aber eben nicht für alle. In den vergangenen Jahren hat sich das Bild des Standortes gewandelt, neben Laboren und Büros sind Wohnungen entstanden, der Nahverkehr wurde ausgebaut, Einkaufsmöglichkeiten geschaffen und auch Sport und Kultur halten Einzug in den Technologiepark. Wer den Blick weitet und den Hochschulsport der Humboldt-Universität zu Berlin oder den Adlershofer Kiez rund um die Dörpfeldstraße mit einbezieht, kommt zu dem Ergebnis: Aus dem Wirtschaftsstandort ist ein echtes Stadtquartiergeworden – wenn auch mit eindeutigem Fokus.
Freitag, 11 Uhr.
Apropos Fokus. Wie steht es eigentlich um das Thema Homeoffice? Während Zimmer heute – wie an fast jedem Freitag – im heimischen Büro arbeitet, können Schmalz und Möllers „an einer Hand abzählen“, wie oft sie im vergangenen Jahr einmal im Homeoffice waren. Mehr ist bei allen möglich, aber nicht unbedingt sinnvoll. Viel lässt sich heute digitalisieren und virtualisieren. Die (Entwicklungs-)Arbeit in Laboren, Werkstätten oder an technischen Anlagen lebt allerdings vom persönlichen Austausch; davon, dass Menschen zusammenkommen, seien es drei oder 34.000.
Vincent Halang für Adlershof Journal