Katalysator-Genese mit Roboter und KI
Dunia möchte die Erde vor fortschreitender Zerstörung bewahren
Das Adlershofer Start-up Dunia stellt die Materialentwicklung auf eine äußerst systematische Basis. Ein wiederholender Kreislauf in vier Schritten: Design – Make – Test – Analyze. Das Besondere am Vorgehen von Dunia ist der Zeitpunkt, an dem das bereits auf 14 kluge Köpfe angewachsene Team Roboter einsetzt. Während andere am Übergang zur Massenfertigung automatisieren, gehört dieser Schritt für die Gründer Marcus Tze-Kiat Ng, Ahmed Ismail und Alexander Hammer zur Qualitätssicherung. In ihrer KI-gestützten Fahndung nach optimalen Katalysatoren wollen sie nichts dem Zufall überlassen. Zuverlässigkeit, Skalierbarkeit und Stabilität sind das A und O, um Katalysatoren großindustriell einzusetzen. Darum tragen Roboter die neu designten Materialien im feinstrukturierten Nano- oder Mikrometermaßstab auf Testoberflächen auf. Ein reproduzierbarer Prozess, der von Menschenhand ausgeführt zu viele Varianzen aufweisen und damit die jeweiligen Testergebnisse verfälschen würde. „Wir stellen maximale Vergleichbarkeit zwischen den Materialien und ihren jeweiligen katalytischen Wirkungsgraden her“, erklärt Tze-Kiat Ng.
Genau auf die Wirkungsgrade kommt es an, wenn ihr großer Plan aufgehen soll. Dunia ist das arabische Wort für die Erde. Chemie wird häufig in einem Atemzug mit Umweltzerstörung und klimaschädlichen Praktiken genannt. Das Team setzt auf Chemie, um Umweltzerstörung und den Klimawandel aufzuhalten. Genauer: auf Katalysatoren. Je besser deren Wirkung, desto weniger Energie braucht es, um chemische Reaktionen in Gang zu setzen. „Gelingt es, die Energiebarriere mit effizienten Katalysatoren abzusenken, dann werden Umwandlungen, die bisher Jahre dauern oder nur mit sehr hohem Energieeinsatz machbar sind, in Sekundenschnelle möglich“, sagt Hammer. Elektrolyse von Wasser zu Wasserstoff, die Herstellung von Ammonium aus Stickstoff oder auch das Herstellen langkettiger Kohlenwasserstoffe aus dem Klimagas Kohlendioxyd (CO2) – es sind energieintensive Prozesse, deren kommerzieller Einsatz oft an mangelnder Effizienz scheitert. „Das wollen wir ändern und unter anderem den ersten kosteneffizienten CO2-Elektrolyseur der Welt entwickeln“, ergänzt Ismail, der dritte im Bunde. Auch die Photovoltaik, Batterie- und Brennstoffzellen-Produktion haben sie im Blick.
Zum Gründen sind sie vor zweieinhalb Jahren aus Glasgow nach Berlin gekommen. Das Trio mit Wurzeln in drei Ländern auf drei Kontinenten – Malaysia, Ägypten und Deutschland – hatte sich dort während der Studien- und Promotionszeit getroffen. Bei Studienaufenthalten in Frankreich, China, Großbritannien, den Niederlanden und den USA haben sie ein weltweites Netzwerk geknüpft, das ihnen nun bei der Suche nach hochqualifizierten Fachleuten ebenso zugutekommt, wie die benachbarten Hochschul- und Forschungsinstitute in Adlershof. „Zumal Berlin ein Materialwissenschafts-Hotspot ist“, sagt Tze-Kiat Ng. Die Stadt sei außerdem so attraktiv, dass auch Spezialistinnen und Spezialisten aus aller Welt gerne zum Leben und Arbeiten hierherkommen. Und sie bekamen in der Anfangsphase ein Start-up-Stipendium mit freiem Laborzugang. Dieses Gesamtpaket gab den Ausschlag gegenüber London und anderen potenziellen Standorten.
Tatsächlich sind im Team heute alle Erdteile bis auf Australien vertreten. Auch die beruflichen Hintergründe sind divers – vom früheren Topmanager bei General Electric über promovierte Forscherinnen und Forscher bis hin zu Berufseinsteiger:innen und studentischen Hilfskräften. Im Zusammenspiel mit der Technologie – sie selbst bezeichnen es als „Physics-informed Machine Learning“, wie sie die Algorithmen mit ihrem materialwissenschaftlich-physikalisch-chemischen Know-how anlernen – konnte das Team schon 11,5 Mio. US-Dollar an Wagniskapital und eine 2,5 Mio. Euro-Förderung aus dem „EIC Accelerator“-Programm der Europäischen Kommission für sich einwerben. Dies auch, weil es sich bei Katalysatormaterialien um einen Wachstumsmarkt mit 35 Milliarden Euro Volumen bis 2030 handelt. Wer hier wagt und gewinnt, gewinnt im großen Stil. „Das ist attraktiv für Investoren“, sagt Hammer, „aber in unserem Fall wäre es auch ein großer Schritt zur Eindämmung des Klimawandels und zum Erhalt unseres Lebensraums auf der Erde.“
Peter Trechow für Adlershof Journal