Kampf dem Sonnen-Übel
Dem schwarzen Hautkrebs mit Laser-Diagnostik auf der Spur
Sonnenhungrige sind gewarnt: Der schwarze Hautkrebs befindet sich auf dem Vormarsch. Klar ist, je früher Krebs erkannt wird, desto größer sind die Überlebenschancen. Noch aber gibt es keine sofort verfügbare und sichere Gerätetechnik zur Frühdiagnose ohne chirurgische Eingriffe. Das kann sich in naher Zukunft ändern - dank enger Kooperation von Forschern, Medizinern und industriellen Entwicklern aus Berlin und Bochum.
Der schwarze Hautkrebs (malignes Melanom) ist einer der bösartigsten Tumore überhaupt. Auf fast 15 000 wird die Zahl der Neuerkrankungen im vergangenen Jahr allein in Deutschland geschätzt - ein jährlicher Zuwachs von sieben Prozent. Tendenz steigend. Wissenschaftlern des Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) in Berlin Adlershof ist es in mehrjähriger Forschungsarbeit gemeinsam mit Partnern gelungen, im Laserlabor eine sichere Methode zur Früherkennung dieser Krebsart zu entwickelt. Nach Meinung von Experten ist dies ein Meilenstein auf dem Weg zu breit anwendbarer Diagnostik, automatisierten Routineuntersuchungen und beträchtlicher Kostenersparnis im Gesundheitswesen. Unter Verantwortung des Adlershofer Unternehmens LTB Lasertechnik Berlin entstand jüngst ein erstes, in der medizinischen Praxis einsetzbares Diagnosegerät. Dessen klinische Erprobung erfolgt an der Ruhr-Universität Bochum.
MBI-Projektleiter Dieter Leupold legte mit der mit der Erforschung der spezifischen Fluoreszenz des Hautpigments Melanin die Grundlagen für die neue Untersuchungsmethode. Er vermag anschaulich über deren Entwicklungsetappen, die anwendungsorientierte biomedizinische Grundlagenforschung seiner Arbeitsgruppe aber auch über Rückschläge und vermeintlichen Umwege zu berichten. Das enge Zusammenwirken mit den Bochumer Hochschulmedizinern um Klaus Hoffmann und Markus Stücker sowie den Berliner Firmenpartnern um LTB-Geschäftsführer Matthias Scholz habe schließlich recht zügig zu Entwicklung und Bau des ersten Testgeräts geführt, resümiert Leupold nicht ohne Genugtuung. Dabei handelt es sich nach Einschätzung der Projektbeteiligten um eine besonders zuverlässige und zugleich handliche Technik.
Wie verläuft Grundlagenforschung? Wie wird sie im Ergebnis von engagierten Persönlichkeiten beeinflusst? Dazu ein Blick zurück: Seit über 30 Jahren beschäftigt sich Leupold mit der Entwicklung von Farbstofflasern sowie deren Einsatz zur Analyse von ultraschnellen Lebensprozessen. "Praxisorientierte Grundlagenforscher sind immer auf der Suche nach konkreten Anwendungen für ihre Arbeit", lautet seine Auffassung. Für seine Promotion hatte der Physiker mit Hilfe von Festkörper- und Farbstofflasern Abläufe bei der Photosynthese untersucht. "Wenn wir genau wissen, was innerhalb von milliardstel Sekundenbruchteilen mit dem absorbierten Licht, zum Beispiel in einem Blatt, geschieht, dann sind wir auf dem Weg zur künstlichen Photosynthese." In absehbarer Zeit, so Leupold, werde sich aufgrund weltweiter Forschungen damit Strom erzeugen lassen.
Im vergangenen Jahrzehnt wandten sich der Wissenschaftler und sein Team unter anderem dem Einsatz von Farbstofflasern in der Medizin zu. Dass es sich Jahre später mit dem malignen Melanom beschäftigen würde, war keineswegs abzusehen. Eine Vorraussetzung dafür bot der nun vorhandene Femtosekundenlaser, der Lichtimpulse mit einer Dauer von 10-15 (millionstel milliardstel) Teilen einer Sekunde erzeugen kann. Zum Vergleich: In einer Sekunde umrundet ein ausgesandtes Lichtsignal etwa siebenmal die Erde; in einer Femtosekunde durchquert dasselbe Signal nur den Bruchteil einer Haaresbreite.
Damals, in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts, sei die so genannte photodynamische Krebstherapie bereits in Spezialkliniken beispielsweise zur Bekämpfung von Lungen- und Blasenkrebs angewendet worden, erläutert Leupold. Dabei wird das Krebsgewebe, dem zuvor ein bestimmter Farbstoff zugeführt wurde, mit passendem farbigen Licht bestrahlt. Dieses Licht wird absorbiert, und die so aufgenommene Energie löst die Zerstörung der Krebszellen aus. "Wir fragten uns, ob nicht statt normaler Lichtquellen dafür Femtosekundenlaser besser geeignet wären, weil sie in den Farbmolekülen höher angeregte Zustände initiieren, die das Krebsgewebe noch effizienter zerstören müssten." Doch es zeigte sich, dass in dem kranken Gewebe häufig dafür der notwendige Sauerstoff fehlt.
Die MBI-Arbeitsgruppe "FemtoBioMed" ließ sich durch diese Erkenntnis nicht entmutigen. "Unsere Idee: Die den Krebszellen zugeführten Farbstoffmoleküle bringen den Sauerstoff gleich mit." Wolfgang Freyer, ein Mitglied des Teams "und exzellenter Chemiker" (Leupold), entwickelte zunächst am Schreibtisch und später im Labor ein solches Molekül. Es kann mittels hoch spezialisierter Synthese im Institut seit einigen Jahren hergestellt werden. Nur bei der Bestrahlung dieses Farbstoffes mit Femtosekunden-Laserlicht wird für das kranke Gewebe toxisch wirkender Sauerstoff freigesetzt.
Trotz dieses Erfolgs kam dann ein Rückschlag. Der bundesweite Forschungsverbund aus Wissenschaftlern und Praktikern, der an der Weiterentwicklung der photodynamischen Krebstherapie arbeitete, löste sich auf. "Man dachte, diese Methode habe keine große Zukunft mehr; und auch wir stellten diese Arbeit ein, glücklicherweise jedoch - aus heutiger Sicht - nicht völlig." Auf Sparflamme sei mit dem neuen synthetisierten Molekül weiter geforscht worden, "denn wir suchten neue Anwendungsgebiete für diese Entwicklung, auf die mittlerweile ein internationales Patent erteilt worden war".
Parallel zur Tätigkeit in dem Forschungsverbund hatte Leupold begonnen, sich Gedanken um die spektroskopische Untersuchung des malignen Melanoms zu machen. Diese gefährliche Krebsart hatte damals aufgrund des "Sonnenkults" in vielen Ländern angefangen, stark zuzunehmen. Bis zum Jahr 2000 konnte er sich an einer durch die Europäische Union (EU) geförderten Arbeitsgruppe unter Leitung des renommierten Weizmann-Instituts in Israel beteiligen. Dabei ging es insbesondere um einen Sensibilisator, einen neuen Farbstoff, der auf einer Idee der Israelis beruhte. Das MBI-Team übernahm die Aufgabe, mittels Laserspektroskopie dessen Wirkmechanismen zu analysieren. Leupold: "Das Ergebnis war positiv". Die Mitarbeit an dem Projekt sei beendet gewesen, als später Fragen der Herstellung und Vermarktung sowie Tierexperimente in den Mittelpunkt rückten und die "Weizmänner" ein Pharmaunternehmen einschalteten. "Wir haben in dieser Phase sehr viel über den schwarzen Hautkrebs gelernt."
Mit der Bekämpfung dieses Tumors beschäftigte sich zu jener Zeit auch ein Weltfachkongress in Bochum. Leupold lernte Experten der dortigen Universitäts-Hautklinik kennen - künftige Partner seiner Arbeitsgruppe - "die bei Diagnose und Therapie des malignen Melanoms internationale Spitze verkörpern". Schnell waren sich die neuen Kooperateure einig. Im Adlershofer Laserlabor muss der Hautfarbstoff Melanin erforscht werden. Er spielt eine zentrale Rolle beim schwarzen Hautkrebs. "Dieses Pigment war für uns eine Art `Black Box`, die es zumindest ein Stück weit zu enträtseln galt. Dazu brauchten wir den Femtosekundenlaser", erläutert der Wissenschaftler, "und wir erhielten Fördermittel durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft".
Melanin wirkt einerseits durch seine Absorption wie ein natürlicher Sonnenschirm, andererseits ist es für die Entartung des Gewebes zum malignen Melanom verantwortlich. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Grundlagenforschern und Dermatologen wollte die Frage klären, ob es gelingen kann, bei der Bestrahlung mit Laserlicht vom Melanin ein verwertbares optisches Signal zu erhalten, an dem krankes Gewebe exakt zu erkennen sein würde. "Wir fanden heraus, dass von etwa 10 000 ins Melanin eingebrachten Photonen nur ein einziges als Lichtsignal wieder emittiert wird." Über weitere Etappen gelang es schließlich, mit Hilfe von infrarotem Laserlicht einer ganz bestimmten Wellenlänge das Melanin im Krebsgewebe zu einem charakteristischen ultraschwachen Leuchten anzuregen, dieses Ergebnis sichtbar zu machen und Störeffekte auszuschließen. Denn Farbe und Dauer dieser Fluoreszenz unterscheiden sich sowohl von allen anderen Hautpigmenten als auch Hauterkrankungen und -veränderungen. "Damit war der grundsätzliche verfahrenstechnische Durchbruch für eine sichere, nicht invasive Frühdiagnose des schwarzen Hautkrebses erreicht", sagt Leupold, und hebt in diesem Zusammenhang aus seinem Team besonders den Physiker Klaus Teuchner hervor.
Weil für die medizinische Praxis aber leistungsfähige, zuverlässige, kleine und leicht handhabbare Laser- und Detektionstechniksysteme nötig sind, wurden nun Spezialisten der LTB Lasertechnik Berlin, ein Partner des Instituts seit vielen Jahren, ins Verbundprojekt geholt. In mehreren Abschnitten entwickelten und bauten sie ein mobiles und vergleichsweise kostengünstiges Diagnostikgerät, dessen Herzstück, eine Femtosekundenlaser-plus-Verstärker-Einheit auf der Basis von Faser- und Stickstofflasern, auf der letztjährigen Branchenfachmesse in München erstmals vorgestellt wurde - "am derzeitigen Lasermarkt ein Spitzenerzeugnis" (Leupold). Die TSB Technologiestiftung Berlin und Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft hatten das Projekt "Femtosekunden-Zweiphotonen-Fluorometer" gefördert. Für die Erprobung liegt ein positives Votum der Ethikkommission vor.
Frühestens zum Jahresende könne das Gerät in Kleinserie gefertigt und dann weiteren Tests in Kliniken unterzogen werden, weiß Leupold. "Uns liegt daran, dass es als EU-Projekt auch in anderen Ländern erprobt wird." Etwa ab 2007 rechnet er mit der umfassenden klinischen Anwendung. "Von den Anfängen der diesbezüglichen Grundlagenforschung bis zum Praxiseinsatz der Diagnostikgeräte werden dann rund zehn Jahre vergangen sein, eine für komplexe Vorhaben durchaus angemessene Zeitspanne."
Derzeit arbeitet der Wissenschaftler gemeinsam mit Medizinern der Augenklinik Marburg an einem ähnlichen Verfahren zur Diagnose eines extrem bösartigen Krebses im Auge. Im Mai 2004 wird Leupold 65 Jahre alt. Den völligen Rückzug ins Seniorendasein plant er nicht, denn er ist auch seiner alten Liebe zur Photosynthese treu geblieben und arbeitet in einem diesbezüglichen Sonderforschungsbereich weiter mit.
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