Im Finale mit Studio Berlin: WM-Übertragung aus Südafrika
Eine deutsche Beteiligung am Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika wird es auf jeden Fall geben, das weiß Harald Becker sicher. Noch nicht ganz sicher ist, ob es auch die deutsche Nationalmannschaft bis dahin schafft. Teile der Ausrüstung von Beckers Team sind per Schiff schon unterwegs nach Johannesburg. Denn wenn für Südafrikaner und Mexikaner am 11. Juni 2010 der Anpfiff zum Eröffnungsspiel ertönt, haben die Techniker von Studio Berlin Adlershof, dessen Geschäftsführer Becker ist, bereits eine anstrengende erste Halbzeit hinter sich. Nach der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz ist Studio Berlin bereits zum dritten Mal für die Übertragung des FIFA-Weltbildes in zwei der zehn WM-Stadien verantwortlich.
Andre Schumann ist ständig unterwegs zwischen dem „Soccer-City“-Stadion in Johannesburg und der Royal-Bafokeng-Arena in Rustenburg. Dass er dabei nicht die zwischen beiden Städten liegende Bergkette des Margaliesberg Nature Reserve überwinden muss, liegt daran, dass sich die Stadien derzeit noch in einer 1.400 Quadratmeter großen Halle auf dem Studiogelände in Berlin Adlershof befinden. Hier im Studio L haben Schumann und sein Team die sogenannten Fernseh-Compounds, die es in jedem WM-Stadion geben wird, mit Klebeband auf dem Boden abgebildet.
Nicht gern erinnert sich der deutsche Fußballfan an die Übertragung des nervenaufreibenden Spiels der deutschen Nationalmannschaft gegen die Türkei bei den Europameisterschaften vor zwei Jahren – kein Bild vom dramatischen EM-Halbfinale, mindestens sechs Minuten lang. Der peinliche Fernsehausfall hatte eine schlichte Ursache: Das Stromgenerator-Notsystem war fehlerhaft. Weil ein Gewitter in Wien die Leitungen kurz lahmlegte, stürzte alles ab. „Das war nicht unsere Übertragung“, sagt Schumann, als Projektleiter verantwortlich für die technischen Vorbereitungen, „und auch die FIFA hat aus dem Zwischenfall Konsequenzen gezogen.“
Statt Übertragungswagen Container-Dörfern
Anders als bei den Meisterschaften in Europa kommen in Südafrika keine Übertragungswagen zum Einsatz. In den WM-Stadien wird die Übertragungstechnik in Container-Dörfern, den Broadcast-Compounds, fest installiert, die gesamte Technik wird von den Übertragungsteams mitgebracht. Fast sieben Millionen Euro investierte Studio Berlin für den Auftrag der Host Broadcast Services (HBS), einer Tochter der Schweizer Sportrechte-Agentur Infront, für die mediale Verwertung der WM. Mehr als 1.000 Arbeitsstunden leistete das Team um Andre Schumann bis Ende März für die Vorbereitung.
Im Studio L ist alles soweit für die Begutachtung durch den Auftraggeber. Was auf den ersten Blick wie Chaos aussieht, folgt einem bis ins Detail ausgeklügelten technischen Grundkonzept. Das komplette System für das Stadion Johannesburg ist in dem mit Klebeband gekennzeichneten Compound bis auf das letzte Teil aufgebaut. Nach erfolgreicher Abnahme wird es dann für das zweite Stadion kopiert.
Bis zu 39 Kameras pro Spiel
Unzählige Meter Kabel in grün, grau und gelb für die Übertragung von Video- und Audiosignalen sowie Strom liegen auf dem Boden. Im Equipment-Raum, dem technischen Herz, stehen Racks mit Kamerabasen, Videokreuzschienen und Signalwandlern. Im „Camera Control Room“ wird der größte Teil des Berliner Teams sitzen. Hier gehen die Kamerasignale ein und werden auf sogenannten Multiviewern dargestellt. Bis zu 39 Kameras richten ihre Objektive auf jedes Spiel. Tor- und Superzeitlupenkameras, die Flycam, Kameras zur besonderen Spielerbeobachtung und für die Umkleidekabine. Kameras mit so reizenden Namen wie ISO-6-Beauty, die in fester Einstellung eine möglichst schöne Perspektive des Stadions einfangen. ISO 1 ist die wichtigste, die Hauptkamera. Selbst aus dem Mannschaftsbus und aus dem Helikopter wird gesendet.
Die richtige Mischung
Im „Raum“ nebenan sitzt „Gott“ – zumindest für jeden Fußballfan, der nicht direkt dabei sein kann. Für die Spiele aus Johannesburg und Rustenburg ist Gott ein Franzose. Aus den bis zu 72 verschiedenen Bildquellen auf sechs 46-Zoll-Monitoren mischt er, im Main Control Room, das FIFA-Weltbild. Mehr als 200 Fernsehstationen übertragen diese Bilder. Der Regisseur mischt, was wir sehen, und bestimmt, sagt Schumann, die „visuelle Dynamik eines Spiels“. Für das französische Team, das mit den Studio-Berlin-Technikern schon bei der EM 2008 sehr gut zusammengearbeitet hat, sind einige der Multiviewer als Zeichen der Gastfreundschaft sogar französisch beschriftet. Hier finden gerade die letzten Tests statt. „So ein Projekt lebt ja“, erklärt Projektleiter Schumann.
Inzwischen sind die Fernsehdörfer in der Halle abgebaut, sorgfältig verpackt und teilweise in Containern auf dem Seeweg ans südliche Ende Afrikas. Der Rest folgt per Flugzeug. Am 18. Mai muss alles vor Ort sein. Dann beginnt die dreiwöchige Aufbauphase.
von Rico Bigelmann
Link: www.studio-berlin.de