Ideenkonferenz fördert Wissensaustausch
Zweites TEDxHU-Event fand in Berlin statt und will komplizierte Inhalte verständlich erklären
Es beginnt ein wenig wie ein Gottesdienst. In der Kapelle der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) spricht von einer Videoleinwand der erblindete Isaac Lidsky, amerikanischer Autor und Unternehmensredner darüber, wie man Negatives in Positives übersetzt, über das Verhältnis von Sehen und Visionen und darüber, dass man selbst der Schöpfer seiner eigenen Realität ist. Doch die Gäste, die sich an diesem Dezembersamstag zum zweiten TEDxHU-Event „Igniting Innovation“ eingefunden haben, sind nicht aus religiösen Gründen hier. Was hier gefeiert wird, sind Ideen, die es wert sind, verbreitet zu werden.
„Die HU wäre zu cool, um kein TED-Event zu haben, fanden einige Studierende der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Hochschule“, erinnert sich Konstantina Nathanail, die schon beim Start dabei war. 2018 hat sie als Cheforganisatorin die Veranstaltung mit einem siebenköpfigen Team vorbereitet. TED – das steht für Technologie, Unterhaltung (Entertainment) und Design und begann bereits 1984, zunächst als Konferenz, die die drei Themen miteinander verbinden sollte. Heute ist TED eine globale Gemeinschaft mit dem Ziel: Ideen und die Menschen, die sie haben, zu verbinden und bekannt zu machen. Einer der ersten TED-Talker war der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore. Auch TEDxHUBerlin ist eine Plattform dieser globalen Community.
400 bis 500 Events gibt es pro Jahr weltweit. Alle nach dem strengen Reglement einer Stiftung organisiert, welche die Lizenzen dafür vergibt. Nur 100 Besucher pro Veranstaltung sind zugelassen, die Bühne muss in festgelegter Form ausgestattet sein. Alle Talks werden aufgezeichnet und auf einem zentralen YouTube-Kanal veröffentlicht. Politik, Religion oder Werbung sind tabu. Bewerbungen besonders von jungen Menschen als Organisatoren sind erwünscht.
Konstantina Nathanail studiert Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Zwanzigjährige spricht drei Sprachen und hat früh ihr Interesse an Konferenzen entdeckt. Als 14-Jährige hat die gebürtige Griechin an einer internationalen Simulation der Vereinten Nationen teilgenommen, hat als Land dort Algerien vertreten, musste Resolutionen schreiben und argumentieren. Dass sie bei TEDxHU mitmachen will, war ihr sofort klar. Bis zu acht Wochen dauert es, bis die Stiftung eine Bewerbung absegnet, in der das Thema bereits vorgestellt ist. „Auf vier, fünf Seiten“, erzählt Nathanail, „wird das Logistische – was, wann und wo – skizziert, das Team und seine Motivation und Erfahrung vorgestellt.“ Dann geht es an die Finanzierung. Etwa 10.000 Euro werden für ein gutes Event veranschlagt. Sponsoren – zu denen auch die WISTA Management GmbH gehört – müssen gefunden werden. Auch diese müssen strenge Kriterien der TED-Stiftung erfüllen. Alle Arbeit am Event ist ehrenamtlich. Die Auswahl der Redner ist dann die Kür. Sie werden vorgeschlagen oder bewerben sich selbst. Mit Lebenslauf, Video und Themenvorschlag.
Lamine Cheloufi, einer der Redner an diesem Tag, mag Bargeld nicht besonders. Die bargeldlose Gesellschaft ist sein erklärtes Ziel. Der Geldtransfer von einer „Tasche“ in die andere, sei prinzipiell der Austausch von Information. Und das, davon ist Cheloufi überzeugt, geht heute ohne Münzen und Scheine. Doch die Deutschen, das weiß er auch, lieben ihr Bargeld. Wie also bringt man so eine Idee zur Zündung? Nicht nur Cheloufi stellt sich seit langem diese Frage – und hat schon einige Antworten. Auch die anderen Redner der zweiten TEDxHUBerlin-Auflage wissen Spannendes zu berichten. Da sind Diana zur Löwen, eine bekannte Influencerin, die vom inneren Optimisten berichtet und davon, wie man ihn befreit.
Zeitverschwender, Verräter, gescheiterter Wissenschaftler: Akademiker rümpfen die Nase über Kollegen, die in die nicht akademische Welt wechseln. Mariana Cerdeira kennt diese Vorurteile und plädiert in ihrem Talk für einen Kulturwandel. Gunay Kazimzade untersucht, wie sexistisch und rassistisch künstliche Intelligenz werden kann.
„TEDx“, sagt Konstantina Nathanail, „ist Storytelling, soll komplizierte Inhalte verständlich erklären. Unserem Thema wollen wir uns aus den unterschiedlichsten Richtungen und interdisziplinär nähern.“
Und humorvoll. Cheloufi, der seinen Talk fast im Stile eines Rappers vorträgt, weiß sein Publikum zu unterhalten. Er vermittelt neben viel Substantiellem auch Spaßiges. Etwa, dass wir Deutschen durchschnittlich 103 Euro in der Geldbörse haben. Geld, das, laut Statistik, auf seiner Reise schon einmal Kokain gesehen haben muss und das – pro Münze – so viele Bakterien trägt wie eine Toilette am Berliner Hauptbahnhof.
Konstantina Nathanail musste für ihr Studium nach Genf und wird die nächste Runde nicht mitorganisieren können. Die Erfahrung aber bleibt ihr, dass man mit einem kleinen Team so viel erreichen kann.
Von Rico Bigelmann für Adlershof Journal