Hat Wasser ein Gedächtnis?
Ja, Wasser hat ein Gedächtnis, aber es ist unvorstellbar kurz. Warum das so ist, erläutert Prof. Dr. Thomas Elsässer vom Max-Born-Institut in Adlershof in einem Vortrag an der Berliner URANIA. Termin: 20. Oktober, 19.30 Uhr
Wesentliche Eigenschaften von Wasser sind noch immer unverstanden und deshalb Gegenstand aktueller Forschung. Die Mitteilung "Das kurze Gedächtnis des Wassers" hat im Frühjahr eine für Grundlagenforschung ungewöhnlich starke Medienresonanz hervorgerufen. Einer der Gründe dafür war das große Interesse an Homöopathie, die mit hoch verdünnten Wirkstoffen arbeitet und dem Trägermedium Wasser eine Art Gedächtnis zuschreibt. Die Ergebnisse aus dem Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) widersprechen dieser Einschätzung allerdings.
Einem Team von Wissenschaftlern um Prof. Dr. Thomas Elsässer vom MBI und Prof. R.J. Dwayne Miller von der University of Toronto gelang es erstmals, ultraschnelle Fluktuationen in der Struktur von flüssigem Wasser nachzuweisen. Die Wissenschaftler nutzten dazu neue Methoden der Femtosekunden-Schwingungsspektroskopie. Wie sie im Fachjournal Nature (Bd. 434, Seite 199) berichteten, geht das strukturelle Gedächtnis in dem fluktuierenden Netzwerk gekoppelter Wassermoleküle innerhalb von 50 Femtosekunden verloren - schneller als in jeder anderen Flüssigkeit. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde ("zehn hoch minus fünfzehn").
In den in Berlin durchgeführten Experimenten regt ein Lichtimpuls in einem extrem dünnen Wasserfilm lokal eine molekulare Schwingung an: die Streckschwingung eines Wassermoleküls. Der Wasserfilm ist 0,5 Mikrometer dünn. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist hundertmal dicker. Der infrarote Lichtimpuls (Wellenlänge: 3 Mikrometer) dauert 70 Femtosekunden. Das von dem Lichtimpuls zum Schwingen angeregte Molekül dient als Sonde für die Fluktuationen des molekularen Netzwerks. Diese Fluktuationen führen zu einer Veränderung der Schwingungsfrequenz und Schwingungsphase. Mit dem Verfahren der "zweidimensionalen Schwingungsspektroskopie" machen die Wissenschaftler am MBI diese Änderungen in Echtzeit sichtbar und bestimmen daraus Zeitskala und Mechanismus der Fluktuationen.
Dabei zeigt sich, dass die zum Zeitpunkt der Schwingungsanregung vorliegende Struktur des Netzwerks innerhalb von zirka fünfzig Femtosekunden verloren geht, einem Zeitintervall, das viel kürzer ist als die Lebensdauer einer Wasserstoffbrücke von ungefähr tausend Femtosekunden. Ursache des schnellen Strukturverlusts sind gehinderte Kipp- und Rotationsbewegungen der gekoppelten Moleküle, die Wissenschaftler sprechen von "Librationen" der Wasserstoffbrücken. Diese verändern die relative Orientierung der Wassermoleküle zueinander und tragen so zum Verlust des strukturellen Gedächtnisses in der Flüssigkeit bei. Dieses Bild wird durch neue erweiterte Experimente bestätigt, die im Vortrag vorgestellt werden.
Vortrag: Hat Wasser ein Gedächtnis?
Ort: URANIA Berlin, An der Urania 17, 10787 Berlin
Zeit: 20. Oktober 2005, 19.30 Uhr
Eintritt: 5 Euro (erm. 4,50; URANIA-Mitglieder: 3,50 Euro)
Pressemitteilung Forschungsverbund Berlin e. V., 14.10.2005