Frischzellkur
Helmholtz-Forscher untersuchen Alterungsprozesse von Dünnschichtsolarzellen
In ihrem Labor am Helmholtz-Zentrum Berlin in Adlershof sind Dr. Alexander Schnegg und Dr. Klaus Lips Alterungsprozessen auf der Spur. Die Zellen, die sie zwischen riesigen Magnetspulen untersuchen, haben allerdings mit Biologie nichts zu tun, auch wenn ihr Lebenselixier die Sonne ist. Es sind Solarzellen, genauer gesagt: Dünnschichtsolarzellen aus ungeordnetem (amorphem) Silizium. Die Sonne setzt in ihnen Elektronen frei, die den Stromfluss ermöglichen.
Unglücklicherweise beeinträchtigt die Sonne aber auch ihre Funktion. In den ersten 100 Betriebsstunden sinkt ihr Wirkungsgrad um 10 bis 20 Prozent, erst danach stabilisiert er sich. Dieser Alterungsprozess wurde schon 1976 beobachtet und ist nach seinen Entdeckern Staebler-Wronski-Effekt benannt. Was genau dabei passiert, ist jedoch nicht klar: Es fehlte bisher schlicht an Analyseverfahren, die empfindlich genug waren, um den in den hauchdünnen Schichten entstandenen Schaden zu untersuchen.
Die Solarforscher um Lips und Schnegg nutzen nun speziell auf dieses Problem zugeschnittene Methoden der Elektronen-Paramagnetischen-Resonanz-Spektroskopie, kurz EPRSpektroskopie, um neue Einsichten in das Material zu bekommen. In dem Projekt EPR-Solar koordinieren die Berliner Physiker die Kooperation mit Solarexperten am Forschungszentrum Jülich, EPR-Spezialisten an der TU München und der FU Berlin sowie Simulationsprofis am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf.
Das Projekt wird seit 2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für fünf Jahre gefördert. Die Forscherinnen und Forscher wollen in dieser Zeit nicht nur die Prozesse im Material verstehen, sondern auch die EPR-Analyse weiter entwickeln.
Denn Dünnschichtsolarzellen gelten als kostengünstige Alternative zu den teuren Solarzellen aus einkristallinem Silizium, die schon auf vielen Hausdächern blau schimmern. Sie haben zwar mit bis zu neun Prozent nur knapp die Hälfte ihres Wirkungsgrades, doch die nur einige hundert Nanometer dünnen Schichten aus amorphem Silizium verbrauchen viel weniger Material und lassen sich durch Aufdampfen auf Unterlagen wie Glas oder Kunststoff deutlich einfacher herstellen. „Damit amortisieren sie sich energetisch schon nach weniger als einem Jahr und nicht erst nach zwei bis vier Jahren, und das ist ein entscheidender Vorteil“, sagt Schnegg.
Die Alterungsprozesse in amorphem Silizium werden, soviel ist bisher bekannt, durch Defekte im Atomverbund erzeugt, die vom Sonnenlicht verursacht werden. Solche Defekte stören den Stromfluss und verringern so den Wirkungsgrad. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung aber auch Heilung der Defekte wird Wasserstoffatomen zugewiesen, die auch im Material vorhanden sind. Unklar ist dabei, wo diese Wasserstoffatome sitzen und wie sie genau auf die Defekte einwirken.
Bei der Klärung dieser Fragen nutzen die Forscher eine besondere physikalische Eigenschaft der Defekte. Denn genau dort sitzen ungepaarte Elektronen, die ein magnetisches Moment besitzen. Dieser so genannte Spin wird wie eine Kompassnadel von den Atomen der Umgebung beeinflusst, und dies lässt sich mit Hilfe der EPR-Spektroskopie beobachten. Die Physiker legen dazu ein externes Magnetfeld an und strahlen zusätzlich Mikrowellen in die Proben ein. Bei welchen Energien die Spins ihre Richtung ändern, lässt Rückschlüsse auf die Art der Defekte und ihre Verteilung zu. So lässt sich beispielsweise erkennen, ob tatsächlich ein Wasserstoffatom in unmittelbarer Nähe ist.
Mittlerweile haben die Forscher ihre Methode so modifiziert, dass sie diese Informationen Millionen Mal empfindlicher als bisher direkt aus dem Photostrom der Solarzelle gewinnen. Dadurch berücksichtigen sie automatisch nur solche Defekte, die auch den Stromfluss beeinträchtigen. „Seit Projektstart konnten wir die Empfindlichkeit und das Auflösungsvermögen des EPR-Spektrometers erheblich verbessern“, sagt Lips. So konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen neue Erkenntnisse darüber gewinnen, wo der Wasserstoff im amorphem Silizium wirklich sitzt.
Weitere Fortschritte erwarten die Physiker durch ihr neues Terahertz-EPR-Spektrometer, das sie an der Synchrotron-Strahlungsquelle BESSY des Helmholtz-Zentrums Berlin in Adlershof aufgebaut haben. „Der Aufwand lohnt sich“, so Schnegg, „denn wenn wir die Solarzellenalterung vermeiden können, sinken die Energieerzeugungskosten um bis zu 30 Prozent, und die Dünnschichtsolartechnik wäre damit schon heute konkurrenzfähig.“
Kontakt:
Dr. Udo Erdmann
Forschungsbereichsbeauftragter Energie
Helmholtz-Gemeinschaft
Telefon: +49 30 206329-17
udo.erdmann(at)helmholtz.de
Dr. Antonia Rötger
Pressereferentin Wissenschaftskommunikation
Helmholtz-Gemeinschaft
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antonia.roetger(at)helmholtz.de
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