Frank Meinecke von Fraunhofer FIRST erhält Hugo-Geiger-Preis
Was passiert wo im Gehirn? Diplomarbeit zur Bewertung blinder Quellentrennung bei Gehirnsignalen
Aufschlag beim Volleyball: Der Arm des Spielers hebt sich und schleudert den Ball kraftvoll über das Netz. Diese Bewegung wird durch ein bestimmtes Gehirnsignal gesteuert. Aber durch welches?
Menschen fällt es in der Regel nicht schwer, ein bestimmtes Signal beispielsweise aus einer Geräuschkulisse herauszufiltern. Auf einer Cocktailparty etwa überlagern sich Stimmen, Musik und das Klappern von Geschirr. Dennoch können sie sich auf die Stimme ihres Gesprächspartners konzentrieren. Ein ähnliches Gewirr sich überlagernder Signale produziert auch das Gehirn selbst. Doch anders als der Mensch sind komplexe physikalische Messverfahren wie Elektroenzephalographie (EEG), Elektrokardiographie (EKG) oder Magnetoenzephalographie (MEG) nicht in der Lage, die Quellen der einzelnen Signale zu unterscheiden. Wer also herausfinden will, welches Gehirnsignal den Arm des Volleyballspielers steuert, muss es von den übrigen elektrischen und magnetischen Strömen trennen.
Bei dieser Aufgabe helfen statistische Projektionstechniken wie die Independent Component Analysis (ICA). Dieses Verfahren trennt die Signale systematisch in unabhängige Komponenten und lokalisiert die zugehörigen Quellen. Man spricht hier allerdings von blinder Quellentrennung, da vor Anwendung der ICA keine Informationen über die Charakteristika der einzelnen Signale, wie z.B. ihre Frequenz, vorliegen. Daher können keine zuverlässigen Aussagen darüber gemacht werden, ob das Verfahren die richtigen Quellen ermittelt hat. Um ICA-Ergebnisse diesbezüglich zu bewerten, hat Frank Meinecke am Fraunhofer-Institut FIRST ein automatisiertes Verfahren entwickelt, das mit speziellen Algorithmen die Qualität der Ergebnisse blinder Quellentrennung beurteilt. Am 20. Oktober wird er für diese Arbeit im Rahmen der Jahrestagung der Fraunhofer-Gesellschaft mit dem 1. Hugo-Geiger-Preis ausgezeichnet.
Das von ihm entwickelte Verfahren nutzt so genannte Resampling-Methoden aus der computergestützten Statistik. Dabei werden aus einem vorliegenden Datensatz künstlich neue Datensätze generiert, die eine ähnliche Struktur wie die Ursprungsdaten aufweisen. Auf jeden dieser künstlich erzeugten Datensätze wird nun die ICA angewendet. Kommt dabei immer ein ähnliches Ergebnis heraus, ist also die Varianz auf das Ergebnis klein, ist dies ein hinreichendes Indiz dafür, dass die entsprechenden Ergebnisse der ICA auf dem ursprünglichen Datensatz verlässlich sind. Das konnte Frank Meinecke mit der von ihm entwickelte Strategie nachweisen.
Das Verfahren lässt sich zum Beispiel bei der Untersuchung von Patienten mit neuronalen Krankheiten einsetzen, etwa Schlaganfall-Patienten, Patienten mit essentiellem Tremor oder Parkinson-Patienten. Diese Krankheiten weisen pathologische Hirnsignale auf, die man mit Hilfe von ICA extrahieren und lokalisieren kann. Die Verlässlichkeit dieser Lokalisation ist von fundamentaler Bedeutung etwa bei der Vorbereitung operativer Eingriffe.
Frank Meinecke wurde am 29. April 1975 in Remscheid geboren. Er studierte Physik an der Bergischen Universität Wuppertal und der Universität Potsdam und arbeitet seit 2003 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand bei Fraunhofer FIRST.
Der Hugo-Geiger-Preis der Fraunhofer-Gesellschaft wird jährlich vergeben und soll hervorragende, anwendungsorientierte Diplomarbeiten oder medizinische Doktorarbeiten auf dem Gebiet „Life Science“ und angrenzender Technologiefelder würdigen. Der Preis ist mit insgesamt 6.500,- € dotiert.
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