„Emil“ ruft zum Schichtwechsel
Ohne Roller zum brillantesten Licht Berlins
Bis 2015 entsteht vor der Synchrotronspeicherquelle BESSY II ein neues Labor zur Erforschung von Materialien für die regenerative Energiegewinnung.
Berlins brillanteste Lichtquelle liegt in einem mächtigen Rundbau. Durch die Fenster sieht man Wissenschaftler auf Rollern vorbeihuschen. Sie haben es eilig, zu ihren Experimentierstationen zu gelangen. Das Röntgenlicht, das ein fadendünner Elektronenstrahl im Innern der Anlage auf seiner 240 Meter weiten Kreisbahn aussendet, ist begehrter denn je, die Zeit an den Messplätzen von BESSY ein kostbares Gut.
Klaus Lips wird künftig ohne Roller zu seinen Experimentierstationen kommen. Denn für die Analyse von Materialien zur regenerativen Energiegewinnung wird ein neues Gebäude außerhalb der BESSY-Rotunde errichtet. Das Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH (HZB) und die Max-Planck-Gesellschaft nehmen das Großprojekt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für gut 18 Millionen Euro in Angriff. „Die Begutachtung ist exzellent ausgefallen“, schwärmt der Projektleiter.
Lips und seine Kollegen werden in dem „Emil“ genannten Labor („Energy Materials In-situ Laboratory Berlin“) von 2015 an nicht nur dabei helfen, das Licht der Röntgenlampe BESSY II effizienter anzuzapfen, sondern auch das der Sonne. Und zwar mithilfe von Solarzellen. Während die Max-Planck- Forscher mit „Emil“ Katalysatoren studieren möchten, suchen die HZB-Wissenschaftler nach den am besten geeigneten Materialien und Strukturen für die Gewinnung elektrischer Energie aus Sonnenlicht. Es ist immer noch völlig offen, ob dabei in Zukunft vorwiegend kristallines oder amorphes Silizium, Dünnschichtsysteme aus anderen Halbleiterstoffen oder Polymere zum Einsatz kommen.
Die Preise für Solarmodule purzeln unaufhörlich. Allein 2010 wurden Solarzellen für die Erzeugung von 25 Gigawatt Leistung produziert, die Hälfte davon in China. Das Gros besteht aus Silizium, einem Stoff, der nahezu unbegrenzt verfügbar und bestens eingeführt ist. Seit Langem züchtet die Industrie hochreine Siliziumeinkristalle für Computerchips.
Kostengünstiger ist es, Silizium aus einer Schmelze in Form zu gießen. Lips hält eine bläulich schimmernde Platte hoch, auf der man die einzelnen Kristalle dieses polykristallinen Siliziums deutlich voneinander unterscheiden kann. „Solche Wafer haben einen hohen Wirkungsgrad, sind aber vergleichsweise dick. Unser Traum sind Dünnschichtsolarzellen, die man an Hauswände kleben kann“, sagt der 49-jährige Physiker und zieht eine mit amorphem Silizium beschichtete, lila Plastikfolie aus einem Karton. Sie sieht aus wie Weihnachtspapier.
Schon heute suchen Forscher wie Iver Lauermann bei BESSY nach Möglichkeiten, den Wirkungsgrad von Dünnschichtsolarzellen zu steigern. „Sie bestehen aus Kupfer-Indium-Diselenid, Cadmium- Tellurid und anderen Verbindungen“, erläutert der Chemiker. Man kann solche Dünnschichtsolarzellen zum Beispiel übereinanderstapeln, um das Spektrum des Sonnenlichts besser auszunutzen.
Damit die Forscher künftig unterschiedlichste Materialien und Unterlagen, Temperaturen und Gasatmosphären erproben können, wird das neue Labor Herstellungsmaschinen sowohl für Siliziumwafer als auch für die Dünnschichttechnik und Nanomaterialien beherbergen. Unter dem Röntgen- und UV-Licht von BESSY lassen sich dann die Oberfläche und die Tiefenstruktur einer Solarzelle analysieren, während die Zelle Schicht für Schicht wächst. Die Kombination von Instrumenten ist einzigartig, die Idee Frucht der Fusion von BESSY mit dem Hahn-Meitner-Institut zum Helmholtz-Zentrum Berlin. „Es gilt herauszufinden, wie man Solarzellen optimiert“, so Lips. Und das Potenzial, das in der Photovoltaik steckt, mit einer neuen, wegweisenden Technik voll zur Entfaltung zu bringen.
Von Thomas de Padora
Internet:
- www.helmholtz-berlin.de (Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien)
- www.mpg.de/de (Max-Planck-Gesellschaft)