Ein kleiner Exzellenzcluster
Prof. Peter Rudolph vom Berliner Institut für Kristallzüchtung koordiniert ein 2-Millionen-Projekt zur Züchtung von Kristallen in einem Magnetfeld. Es vereint Kooperationspartner aus Industrie, Forschung und Hochschule.
In der großen Züchtungshalle des Instituts für Kristallzüchtung (IKZ) stehen riesige Maschinen, wie sie auch die Industrie benutzt. Manche dieser Anlagen, die für die Herstellung von Kristallen aus Verbindungshalbleitern verwendet werden, sind in so genannten Einhausungen untergebracht. Denn ein Teil der Stoffe, die sich da in Schmelztiegeln befinden, sind flüchtig und mitunter toxisch, wie Arsen oder Phosphor. Gewaltiger Druck, bis zum 75-fachen des normalen Luftdrucks, bewahrt die flüssigen Verbindungen mit Gallium oder Indium vor einer Zerlegung. Aus diesen Schmelzen ziehen die Kristallzüchter die begehrten "Drei-Fünf-Halbleiter". Aus der Schmelze wächst millimeterweise pro Stunde ein zylindrischer Einkristall. In Scheiben (Wafer) geschnitten ist er die Basis von Hochfrequenzelektronik-Bauelementen. Dabei gilt: Je größer und je perfekter der Kristall, desto mehr und billigere Schaltkreise kann ein Wafer liefern.
"Wollen Sie einen großen Kristall ziehen, wie die Industrie ihn will", erläutert Prof. Peter Rudolph vom IKZ, "dann brauchen Sie auch große Tiegel." Darin jedoch komme es unweigerlich zu verstärkten Konvektionsströmen und sogar Turbulenzen in der Schmelze. "Das stört das Wachstum der Kristalle", sagt Rudolph: Es kommt vor allem zu Fehlorientierungen (Zwillingsbildungen) und chemischen Inhomogenitäten, die die Gewinnung eines perfekten Einkristalls nicht zulassen. In einem neuen Projekt, das Rudolph koordiniert, möchten er und sein Team zunächst die Grundlagen der Kontrolle solcher unerwünschter Konvektionsströme erforschen und darauf aufbauend ein Industrieverfahren entwickeln. "Ein speziell angepasstes Magnetfeld, welches durch eine verfahrenstechnische Innovation erzeugt werden soll, hemmt die Konvektion und deren Fluktuationen", verrät der Kristallzüchter, "und wir realisieren eine Idee, mit der wir die industriellen Kristallzüchtungsverfahren optimieren können."
Das Projekt mit dem Titel "Kristallzüchtung im Magnetfeld (KristMag)" hat ein Gesamtvolumen von 2,2 Millionen Euro. Die Förderung auf der Basis europäischer Gelder erfolgt gemeinsam durch die Technologiestiftung Berlin (TSB) für die Berliner Projektpartner (IKZ, WIAS, Steremat GmbH) sowie die F&E-Förderung Brandenburg für einen Industriepartner aus Ostbrandenburg (Auteam GmbH). Es wird allein im Forschungsverbund Berlin sechs Arbeitsplätze schaffen: fünf am IKZ, einen am ebenfalls beteiligten Weierstraß-Institut und eine Halbtagsstelle in der Gemeinsamen Verwaltung für das Projektmanagement. Mehr noch: Bei den Konsortialpartnern aus Industrie und Forschung (Institut für Elektrothermische Prozesse der Uni Hannover, Kristall-Labor des Fraunhofer-Institutes IISB in Erlangen) wurden eine weitere Wissenschaftlerstelle geschaffen und darüber hinaus die Jobs von 13 Mitarbeitern in den beteiligten mittelständischen Unternehmen gesichert. "Das war es dann doch wert, den Antrag zu formulieren", sagt Rudolph und deutet auf einen dicken Ordner mit rund 300 Seiten hin. "Zwei Leute waren rund zwei Monate nur damit beschäftigt, das ist eigentlich einem Experimentalwissenschaftler kaum zumutbar, denn diese Zeit steht nicht für Forschungen zur Verfügung."
Mit zwei der vom Projektbudget eingestellten Kollegen, Dr. Frank Kießling und Dietmar Jockel, steht Prof. Rudolph in der Einhausung einer der für das Projekt verwendeten Züchtungsanlagen und diskutiert die nächsten technologischen Schritte. Zunächst wollen sie ihre Idee an einer Modellsubstanz erproben. Sie nehmen Germanium. Das weist, wenn es gezielt verunreinigt wird und wächst, charakteristische Streifenmuster auf, so genannte Striationen. Und deren radialer Verlauf im Kristall wiederum lässt Rückschlüsse auf die Wirksamkeit eines Magnetfeldes zu. Danach soll es an die Züchtung von Galliumantimonid, Galliumarsenid und Indiumphosphid gehen. Bauelemente auf der Basis dieser III-V-Halbleiter finden sich beispielsweise in Handys und zukünftigen Abstandswarngeräten von Autos. Der Bedarf für solche Bauelemente wächst, der Ruf nach kostensenkenden größeren und perfekten Kristallen wird lauter.
Das Institut für Kristallzüchtung hat daher in dem Projekt viele Partner vereinigt. Die Weierstraß- Mathematiker sind beispielsweise vorrangig für die Berechnungen zuständig. Sie modellieren, was in der Schmelze und an der kristallisierenden Phasengrenze vor sich geht. Neu an dem Projekt ist, dass Berlin und Brandenburg gemeinsam fördern, weil einer der Partner aus dem Umland kommt. "Das ist ein richtiger kleiner Exzellenzcluster, den wir hier aufbauen", sagt Rudolph nicht ohne Stolz. In diesem Cluster wird Risikoforschung und der Aufbau einer Wertschöpfungskette betrieben. "Wir haben drei Jahre Zeit", erläutert Rudolph, "dann muss sich erwiesen haben, dass die Idee funktioniert." Geht alles glatt, können herkömmliche Kristallzüchtungsanlagen mit der Innovation ausgerüstet werden und aus dem Erlös geht ein Teil der Fördergelder zurück an die Zuwendungsgeber.
Der Text dieser Pressemitteilung ist ein Auszug aus dem Verbundjournal, der Zeitschrift des Forschungsverbundes Berlin e.V.