Die Schmelze bändigen
IKZ-Idee könnte die Herstellung von Halbleiterkristallen revolutionieren
Forscher des Berliner Instituts für Kristallzüchtung (IKZ) nutzen wandernde Magnetfelder, um Konvektionsprozesse in der heißen Schmelze zu kontrollieren. Dadurch ließen sich Kristalle – etwa Silizium für Solarzellen oder Galliumarsenid für elektronische Anwendungen – kostengünstiger und in höherer Qualität als bisher produzieren. Die Idee mit den Magnetfeldern ist nicht neu, aber die Wissenschaftler des IKZ machen womöglich aus einem entscheidenden Dreh Wirklichkeit: Sie nutzen die Widerstandsheizspulen der Schmelzöfen, die das Rohmaterial erhitzen, zur gleichzeitigen Erzeugung von wandernden Magnetfeldern. Dazu musste die elektrische Ansteuerung konfiguriert werden, was zwei Industriepartner übernahmen.
Bei einem Statusseminar, das kürzlich in Berlin stattfand, haben die Kristallzüchter den ersten Galliumarsenid-Kristall präsentiert, der in einem solcherart erzeugten Magnetfeld heranwuchs. „Zusätzlich stellten wir neueste Modellrechnungen des IKZ und des Weierstraß- Institutes für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) Berlin vor, nach denen es technisch möglich ist, das Verfahren im Industriemaßstab zu betreiben“, berichtet der Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Dr. Peter Rudolph. „Die Übereinstimmung zwischen Simulation und Experiment war bei mehreren Detailprozessen beeindruckend.“
Das ließ nicht nur die teilnehmenden Wissenschaftler bei der Tagung aufhorchen, sondern auch viele Industrievertreter. „Große Marktchancen sehen vor allem die Hersteller von Solar- Silizium“, sagt Rudolph, der bereits gemeinsam mit den kooperierenden Industriepartnern über eine Ausgründung nachdenkt. Der Großteil des Siliziums für Solarzellen wird in Blockform gegossen. Dabei erkaltet die Schmelze in den Gussformen langsam, der Abkühlungs- und Kristallisationsprozess wird durch spezielle Heizanordnungen gesteuert. „Wir könnten uns vorstellen, auch bei diesem Verfahren die Heizungen so umzukonfigurieren, dass sie wandernde Magnetfelder erzeugen“, sagt Rudolph. Damit lassen sich vielleicht hochwertigere Siliziumblöcke herstellen.
Doch was im Labor funktioniert, muss noch lange nicht für die Industrie taugen. „Das ist der Vorteil am IKZ“, entgegnet Rudolph, „wir haben hier für unsere Versuche Anlagen im Industriemaßstab, so etwas hat keine Hochschule.“ Die ersten Untersuchungsergebnisse am GaAs-Kistall, der von seinen Mitarbeitern Dr. Frank-Michael Kießling und Matthias Czupalla im wandernden Magnetfeld gezüchtet wurde, seien sehr vielversprechend. Hinzu kommt, dass das IKZ in dem Forschungsvorhaben eng mit Unternehmen kooperiert. Das Projekt trägt den Titel "Kristallzüchtung im Magnetfeld (KristMag)" und hat ein Gesamtvolumen von 2,2 Millionen Euro. Die Förderung auf der Basis europäischer Gelder erfolgt gemeinsam durch die Technologiestiftung Berlin (TSB) für die Berliner Projektpartner (IKZ, WIAS, Steremat GmbH) sowie die F&E-Förderung Brandenburg für einen Industriepartner aus Ostbrandenburg (Auteam GmbH). Hinzu kommen Konsortialpartner wie das Institut für Elektrothermische Prozesse der Uni Hannover und das Kristall-Labor des Fraunhofer- Institutes IISB in Erlangen.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Peter Rudolph, IKZ
Tel.: 030 / 6392-3034