Die Nanophotonikerin
Sofia Pazzagli experimentiert mit Lichtquanten
Wellen auf einem vom Wind gekräuselten Teich: „Üblicherweise“, sagt Sofia Pazzagli, „stellen wir uns so etwa die Bewegung des Lichtes vor.“ Die Wirklichkeit ist komplexer: „Wenn wir Licht in einer sehr, sehr kleinen Dimension betrachten, im Quantenraum, verhält es sich seltsam. Es besteht aus Photonen, winzigen Teilchen, die zur selben Zeit an verschiedenen Orten sein und sich sogar miteinander verbinden können.“
Am Physikalischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin in der Newtonstraße spürt die gebürtige Florentinerin seit gut vier Jahren dem Licht im Quantenraum nach. Mischt fluoreszierende Moleküle mit neuartigen Materialien, Graphenen, Polymeren: „Wir probieren die besten Verfahren aus, damit alle diese Zutaten harmonisch miteinander wechselwirken, um neue Quantenlichtquellen zu schaffen.“ Nanophotonik heißt das Forschungsfeld, auf dem Pazzagli unterwegs ist. Sie selbst spricht vom zauberhaften „Tanz zwischen Licht und Materie“ und davon, die „Grenzen des Vorstellbaren“ zu verlegen, um Wege zu ebnen für die Quantentechnologien der Zukunft.
Die Physikbegeisterung nahm sie vom „Liceo Classico Europeo“ in Florenz mit, wo sie fünf – in der Erinnerung vergoldete Jugendjahre – verbrachte. Das Gymnasium residiert in einer Renaissance- Villa mit Park, die einst der Bankiers- und Herrscherdynastie Medici gehört hatte. Hier traf eine wissbegierige Schülerin auf eine Mathematik- und Physiklehrerin, die im Unterricht das Faktenwissen mit den „philosophischen Aspekten“ ihrer Fächer zu verbinden gewusst habe.
Ein „wirklich inspirierender“ Photonikkurs während des Physikstudiums an der Florentiner Universität führte sie an ihr späteres Forschungsfeld heran. Zweitgutachter der Dissertation war 2018 ein Pionier auf dem Gebiet der Nanophotonik, der damals in Wien lehrende deutsche Physiker Arno Rauschenbeutel.
Auf seine Einladung hin zog Pazzagli im Januar 2019 in die österreichische Hauptstadt und im Juli desselben Jahres, als Rauschenbeutel in Berlin seine Humboldt-Professur antrat, weiter nach Adlershof.
„Ein unglaublicher Ort. Sehr viele coole Leute, coole Wissenschaft“, findet sie rückblickend auf die vergangenen vier Jahre. Was sie beeindrucke, sei das Nebeneinander von Forschung und Hightechunternehmen auf einem Campus: „Das ist extrem neu. In Italien gibt es nichts Gleichartiges.“ Mit beiden Händen hat sie die Möglichkeiten ergriffen, die sich jungen Wissenschaftler:innen hier bieten. So war sie beteiligt, als Anfang 2021 am Physikalischen Institut die „Friday Light Talks“ starteten, eine Initiative, um nach der Ödnis der Coronamonate wieder mehr Austausch zu schaffen. Dabei treffen sich alle zwei Wochen Menschen am Beginn einer wissenschaftlichen Laufbahn zu Kurzvorträgen und Debatten.
Im vorigen Jahr belegte Pazzagli in Adlershof den zweiten Platz im „Falling Walls“-Wettbewerb, der seit 2009 jährlich stattfindet. Die in Berlin ansässige gleichnamige Stiftung veranstaltet die Konferenzen jeweils zum Jahrestag des Mauerfalls, um „Durchbrüche in der Wissenschaft“ weltweit ins Licht zu setzen. Seit dem Frühjahr 2023 engagiert sich Pazzagli als eines von sieben ausgewählten Mitgliedern im Young Professionals Board der WISTA Management GmbH. Das Gremium soll dem Standortmanagement Empfehlungen unterbreiten, wie sich Lebens- und Arbeitsbedingungen des Nachwuchses in Wissenschaft und Wirtschaft in Adlershof verbessern lassen.
Zur Arbeit kommt Pazzagli – „außer bei Regen“ – mit dem Fahrrad aus Tempelhof. Sie wohnte dort bisher gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, einem Physikerkollegen, den sie in Adlershof kennengelernt hat. Dieser forscht und lehrt neuerdings im Ausland – an der Universität Florenz.
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal