Der Strahlenmann
Jan Ruschel forscht in Adlershof an kurzwelligen UV-Lichtquellen
Er hätte auch anders gekonnt. „Ganz früher habe ich gedacht, dass ich Künstler werde“, sagt Jan Ruschel. In der Oberstufe an seinem Berliner Gymnasium gab die Kombination der Abiturleistungskurse, die er sich ausgesucht hatte, Anlass zum Staunen und Stirnrunzeln. Kunst und Physik – wie ging denn so was zusammen?
Am Ende hat die Physik die Oberhand behalten. Neben dem Studium an der Technischen Universität Berlin war Ruschel einige Jahre lang bei einer Medizintechnikfirma mit der Entwicklung von Herzschrittmachern beschäftigt. Ende 2016 kam er als Doktorand ans Ferdinand-Braun-Institut, Leibniz-Institut für Höchstfrequenztechnik (FBH). In seiner Dissertation ging es um die Frage, wie sich die Lebensdauer von Leuchtdioden verlängern lässt, die kurzwellige UV-Strahlung erzeugen. Die Arbeit ist seit 2021 fertig, das Thema beschäftigt ihn weiterhin: „Ich kann hier noch nicht aufhören, ich habe hier noch was zu tun“, habe er sich nach der Promotion gesagt.
Im Studium sei sein Augenmerk zusehends vom Feld der theoretischen, in das der anwendungsorientierten Physik gewandert: „Ich möchte, dass am Ende etwas herauskommt, das Menschen was bringt.“ Das kurzwellige ultraviolette Licht, sogenannte UVB- und UVC-Strahlung, mit der sich Ruschel in seiner Dissertation befasste, genügt diesem Anspruch durchaus. UVC-Strahlung ist ein Bakterien- und Virenkiller, hocheffizient als Methode der Desinfektion. Sie erledigt sogar multiresistente Keime, denen mit keinem Antibiotikum mehr beizukommen ist.
Die im Team entwickelten UVB- und UVC-Dioden geben, für das Auge nicht sichtbar, Licht mit Wellenlängen von 310 und 265 Nanometern ab. Ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter. Erzeugt wird eine so intensive Strahlung durch Dioden aus Aluminium-Galliumnitrid, die bis vor einigen Jahren das Problem hatten, nach hundert Stunden schon verschlissen zu sein. Ruschel hat Wege gefunden, die Lebensdauer der Leuchtelemente auf immerhin 10.000 Stunden zu verlängern.
Derzeit forscht er an Lichtquellen mit noch höherer Energie. Sie strahlen auf Wellenlängen, die kürzer als 240 Nanometer sind. Bislang geben sie allerdings schon nach wenigen Stunden den Geist auf – Ruschel will das ändern. Es wäre eine Errungenschaft. Superkurzwelliges UV-Licht wird auf menschlicher Haut schon durch die äußerste, nur aus abgestorbenen Zellen bestehende Schicht absorbiert. So ließen sich durch Bestrahlung Keime abtöten, ohne Gefahr, lebendes Hautgewebe zu schädigen.
Vielseitigkeit liegt Ruschel am Herzen. Er sähe sich ungern in eine Schublade einsortiert: „Ich habe einfach versucht, meinen Interessen zu folgen.“ Kunst zählt nach wie vor dazu, im weitesten Sinne. „Immerhin bin ich auch Musiker geworden.“ Seit zwölf Jahren spielt er als Schlagzeuger in einer Berliner Band mit dem bemerkenswerten Namen „Der letzte infantile Gedanke“. In gewisser Weise, meint Ruschel, sei hier formuliert, „wofür wir stehen“, nämlich Neugierde, Spaß, Sorglosigkeit, „kindliche Eigenschaften“ eben. „Uns bucht, wer gute Stimmung haben möchte. Wenn die Leute tanzen sollen. Wir machen die Musik, die wir selbst gerne hören.“ Anfangs war es ein Studentenhobby. Längst ist eine Art Profession daraus geworden. Das Publikum mochte die Band. Also ging es weiter.
Physiker, Musiker – sonst noch etwas? Nun ja, meint Ruschel, er arbeite ganz gerne mit Holz: „Ich hätte mir auch vorstellen können, Tischler zu werden …“
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal