Der Rebell in uns
Neues Zentrum für Konfliktforschung
Weil das Kontakte knüpfen in Berlin derart leicht sei, muss er sich teilweise aktiv gegen Kooperationen zur Wehr setzen, sagt Konfliktforscher Werner Sommer aus Adlershof. Gemeinsam mit Psychologen, Neurowissenschaftlern, Linguisten, Biologen und Informatikern untersucht er, wie Widerstreite in uns und anderen intelligenten Systemen entstehen und gelöst werden. Trotz des Konfliktstoffs wirkt Sommer sehr ausgeglichen.
Wahl mit Folgen
Jeder kennt sie, die täglichen kleinen Auseinandersetzungen, die wir mit uns selbst führen: Esse ich noch ein Stück Schokolade, trotzdem es Mühe machen wird, hinterher die überflüssigen Pfunde wieder abzutrainieren? Ignoriere ich das Tempolimit, obgleich ich Gefahr laufe, in eine Radarkontrolle zu kommen oder einen Unfall zu verursachen? In Konfliktsituationen muss ich zwischen unvereinbaren Alternativen wählen. Wofür entscheide ich mich? Und mit welchen Folgen? Suchtkranke stehen vor der Wahl, ihrer Sucht nachzugeben oder nicht. An Zwangserkrankungen Leidende sind ständig am Scheideweg zwischen den Sicherheit verheißenden Ritualen und dem Wunsch, den Alltag zu bewältigen. Am „Interdisziplinären Wolfgang-Köhler Zentrum zur Erforschung von Konflikten in intelligenten Systemen“ gehen Wissenschafter unterschiedlichster Fachrichtungen diesen Fragen nach. Das Zentrum wurde letzten Herbst am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität (HU) offiziell eröffnet.
Bewusst sind die Untersuchungen nicht nur auf menschliches Konfliktverhalten begrenzt. Die Forscher beobachten auch die Reaktionen in anderen intelligenten Systemen – zu denen sie z. B. Fußball kickende Roboterteams oder Bienenstämme zählen – weil Konflikte prinzipiell ähnliche Ursachen und Auswirkungen haben können. Die Forscher messen Reaktionszeiten, Fehlerraten, Hautleitfähigkeit oder Vorgänge im Gehirn und stellen die Konflikte auf verschiedenen Ebenen wie z. B. Verhaltens-, neuronaler, genetischer oder evolutionstheoretischer Ebene dar. Damit wollen sie zum besseren Verständnis des Menschen beitragen.
Wiederholungstäter oder Lerneffekte?
Zentrumsdirektor Werner Sommer, der eine Professur für Biologische Psychologie und Psychophysiologie an der HU hat, befasst sich schon seit mehr als zehn Jahren mit konfliktinduzierten Anpassungsprozessen. Aktuelle Fragestellungen betreffen z. B. den Lerneffekt bei Konflikten. Verhalte ich mich beim nächsten Mal vorsichtiger?
Emotionaler Einfluss
Eine der wichtigsten Begleiterscheinungen von Konflikten im Alltag sind Emotionen. Welche Rolle spielen diese? Geht man in einer positiven Stimmung leichter mit Konflikten um? Dieses Wissen könnte in wirksamere Therapieansätze fließen. Sommer und sein Team müssen unserem inneren Rebellen dafür aber erst gründlich auf die Schliche kommen.