Der Molekül-Fahnder
Carsten Engelhard wacht über die Verlässlichkeit chemischer Analysen
Die Stecknadel im Heuhaufen suchen. Lässt sich das so sagen? Um vielleicht auch Fachfremden begreiflich zu machen, womit er seine Arbeitstage verbringt? In der Analytischen Chemie ist Carsten Engelhard seit vielen Jahren in Forschung und Lehre zuhause. Darin geht es, wie er formuliert, darum, durch „Entwicklung, Optimierung und den Einsatz instrumenteller Messverfahren“ in unbekannten Proben „chemische Elemente, Moleküle oder molekulare Strukturen nachzuweisen“.
Die Fahndung nach Molekülen ist Engelhards wissenschaftliches Lebensthema. In seiner Dissertation befasste er sich 2007 mit der optischen Emissionsspektrometrie, einer Methode, die es ermöglicht, in flüssigen Proben bis zu 60 Elemente in sehr niedrigen Konzentrationen aufzuspüren. Dabei entwickelte er ein Verfahren weiter, mit dem sich der Gas- und Energieeinsatz bei solchen Messungen erheblich verringern lässt.
Seit März dieses Jahres leitet Engelhard die Abteilung 1 „Analytische Chemie; Referenzmaterialien“ der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM). Die Behörde mit elf Abteilungen an Standorten in Lichterfelde und Adlershof hat nach eigenem Selbstverständnis die „Sicherheit in Technik und Chemie“ weiterzuentwickeln, Engelhards Abteilung folglich Innovation und Zuverlässigkeit chemischer Analyseverfahren sicherzustellen: „Zusammen mit unseren Partnern arbeiten wir stetig an neuen Möglichkeiten präziserer und schnellerer Messungen.“
Eine Hauptaufgabe ist dabei die Entwicklung und Herstellung sogenannter Referenzmaterialien, Feststoffe, Flüssigkeiten, Gase mit bekannten und zertifizierten Eigenschaften, die in Laboratorien weltweit als Bezugsgröße und zur Überprüfung eigener Messergebnisse dienen. „Technisch anspruchsvoll und kostenintensiv“, meint Engelhard, „von der Privatwirtschaft kaum zu leisten.“ Interessierte können Referenzmaterialien im Webshop der BAM einkaufen.
Siegen, Münster, Bloomington, Adlershof heißen die bisherigen Etappen auf dem Lebens- und Berufsweg des Professors. In Siegen wurde er vor 47 Jahren geboren. Seit 2013 wirkt er an der dortigen Universität als Hochschullehrer. In Münster hat er studiert und promoviert. In Bloomington, einer kleinen ländlich geprägten Universitätsstadt im Mittleren Westen der USA, zwei Forschungsjahre verbracht: „viele Kornfelder, ein toller grüner Campus, moderne Laboratorien“. Dass die Musikfakultät regelmäßig kostenlose Konzerte veranstaltete, „hat mir auch sehr gefallen“.
Zurück in Münster leitete Engelhard drei Jahre lang eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftler:innen, Masterstudierenden und Promovierenden. Erstmals eigenständige Forschung, erstmals die Verfügung über ein Labor, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Einer der damaligen Mitarbeitenden ist mittlerweile selbst Professor in den USA: „Nachwuchsförderung liegt mir sehr am Herzen. Wenn ich Menschen als Mentor unterstütze und sehe, wie diese dann erfolgreich in der Wissenschaft oder Industrie ankommen, ist das die größte Freude.“
Jetzt also Adlershof: „Mein Herz“, sagt Engelhard, „hängt an der Forschung.“ So gesehen fühlt er sich hier gut aufgehoben: „Hervorragende Infrastruktur, hochspezialisierte Wissenschaftler:innen, mit denen ich tolle und neue Forschung nach vorn bringen darf, moderne Laboratorien.“ Zudem ein intellektuelles Klima, das er mit einem englischen Begriff als „vibrant“ beschreibt: „Ich kann jeden Tag zu einem Vortrag in Laufnähe gehen.“ Schließlich wohnt Engelhard, anders als viele, die hier arbeiten, auch in Adlershof, solange seine Frau und die drei Kinder noch im Münsterland leben.
Dr. Winfried Dolderer für Adlershof Journal