Der Falafel-Künstler
Walid Hreich versorgt Adlershof mit orientalischen Gerichten
Es gibt mittlerweile Kunden, die kommen extra aus Köpenick. Manche sogar aus Tempelhof. Man kann sagen, der schlichte Imbissstand vor dem Zentrum für IT und Medien hat es in drei Jahren zu einer gewissen Berühmtheit gebracht. Woran die Bewertungen im Netz sicherlich nicht unbeteiligt sind. „Die beste Falafel in Berlin“, das ist in mehr als einem Kommentar zu lesen. Auch der Inhaber ist Besuchern aufgefallen – als „sehr“, ja „äußerst freundlich“.
Im August 2017 hat Walid Hreich seinen mobilen Gourmettempel hier an der Ecke Albert-Einstein- und Magnusstraße aufgestellt. Ein Experiment mit zunächst ungewissem Ausgang. „Ich habe viele Berufe“, sagt Hreich. Seit er vor gut 24 Jahren nach Berlin kam, hat er als Anstreicher und Glaser gearbeitet, als Fahrer für einen Lieferdienst, war Mitbesitzer eines Restaurants am Schlesischen Tor, hat den Taxischein gemacht. Seine Leidenschaft indes ist seit jeher Kochen. Schnippeln, kneten, würzen, mischen, brutzeln, immer neue Geschmacksvarianten ausprobieren. Er hat daraus vor drei Jahren ein Geschäftsmodell gemacht. „Falafel Saida“ heißt es, nach der Stadt, wo Hreich vor 53 Jahren geboren wurde.
Saida, das Sidon der alten Phönizier, ist, wie er meint, die Falafel-Hochburg im Libanon. Nirgendwo sonst schmecke es besser. Zu Hreichs Kindheitserinnerungen zählt seine Mutter, die in der Küche stand und Knusperbällchen frittierte. Hreich entstammt einer palästinensischen Familie, die bis 1948 in Safed lebte, im heutigen Norden Israels. Warum es ihn nicht im Libanon gehalten hat? „Ich bin Palästinenser. Es gibt keine Arbeit. Libanon ist schwierig.“ Zwei Brüder waren schon nach Deutschland gezogen. Kriegswirren waren es nicht, es war die Erwartung eines besseren Lebens, die Walid Hreich den Rat eines Bruders beherzigen ließ: Verlass den Libanon! Komm hierher! Im Januar 1996 traf er in Berlin ein.
Adlershof als Standort seiner Falafel-Bude hat er mit Bedacht gewählt. Bei Google recherchiert und festgestellt: Hier ballen sich Unternehmen und Institute, also gibt es Kundschaft satt. Er fuhr hin und war angetan: „Es ist ruhig und entspannt. Die Leute sind nett. Die Gegend gefällt mir.“ Daheim in Kreuzberg oder in Neukölln hätte er sich als Gastronom eher nicht gesehen. Von einem italienischen Imbissbetreiber in Adlershof erhielt er den Tipp, im WISTA-Büro vorzusprechen.
Sein Arbeitstag beginnt seither morgens um fünf Uhr mit der Zubereitung des frischen Falafel-Teigs. Lohnt sich die Mühe? „Ich bin zufrieden. Es war ja eigentlich nur ein Versuch. Aber es hat geklappt.“ Unter der Woche in den Mittagspausen bilden sich öfters richtige Schlangen vor der Bude mit den beiden Stehtischen. Mit den kulinarischen Vorlieben der Adlershofer ist Hreich mittlerweile auch leidlich vertraut. Rund 80 Prozent der Kunden, schätzt er, verlangen Vegetarisches. „Für Palästinenser ist die Falafel Teil unserer Kultur“, sagt Hreich. „Wir haben Ahnung. Aber jeder hat auch sein Geheimnis.“
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal