Der/Die Nächste bitte
Wie glückt die Unternehmensnachfolge? Wir haben uns umgehört
Der Generationenwechsel ist ein kritischer Moment – gerade bei inhabergeführten kleinen und mittleren Unternehmen. Wir haben uns umgehört, wie die Unternehmensnachfolge glückt
Der Spaß, die Ideen und die Vitalität für den Job sind unverändert da, doch während sich die meisten längst im Ruhestand wähnen, machte Jean Blondeau einfach weiter. Als er die 70 überschritten hatte, war es jedoch an der Zeit, andere ans Ruder zu lassen: Der Geschäftsführer der 5micron GmbH möchte sich weitgehend aus dem operativen Geschäft zurückziehen und sucht mit Mit-Geschäftsführerin Ute Franke eine geeignete Nachfolge. Keine ganz einfache Sache, zumal das Unternehmen als Lösungs- und Produktanbieter mit Fokus auf Mess- und Steuerungssysteme im Umfeld des Internet of Things hochspezialisiert ist. Kandidierende brauchen technische Expertise und müssen etwas von Betriebswirtschaft verstehen.
„Wir haben natürlich zuerst an Kolleginnen oder Kollegen aus dem Team gedacht“, berichtet Franke. „Aber der Einsatz und die Verantwortung als Geschäftsführer:in wird dann doch gescheut oder passt nicht zur persönlichen Lebensplanung.“ Auch das „Vorfühlen“ im Netzwerk von Partnern und befreundeten Unternehmen brachte wenig, außer „guten Gesprächen“ und dem Befund, dass viele selber vor der Nachfolgeproblematik stehen. Franke: „Wir haben deshalb ein Unternehmensexposé erstellt sowie zusammen mit einem Berater eine Annonce auf der nexxtCHANGE Plattform inseriert und sind auch auf der Nachfolge-Plattform der Industrie- und Handelskammer (IHK) gelistet.“ Jetzt heißt es abwarten.
Es gab bereits erste Interviews mit Bewerber:innen (die fast alle aus der Softwarebranche kamen), doch die richtige Person fand sich noch nicht: „Bei manchen, die ‚Unternehmerneulinge‘ wären, ist der Appetit zwar groß, aber die Realität wurde oft nicht durchgedacht – gerade was das Engagement und den Einsatz angeht oder wie sich der Alltag eines technischen Geschäftsführers gestaltet“, erzählt Franke. „Interessant ist, dass sich bei uns überwiegend Menschen gemeldet haben, die den Schritt zum Unternehmer oder zur Unternehmerin machen möchten, ohne, so der O-Ton, ‚die anstrengende Start-up-Phase‘ selber durchmachen zu müssen.“ Tja.
Geschäftsführung und Gesellschafter treffen eine Vorauswahl und erstellen eine Shortlist, die mit dem Team beraten wird. Dessen Feedback fließt schließlich in die Entscheidung ein.
Externe Hilfe zu beanspruchen ist aus der Sicht von Holger Wassermann, Geschäftsführer bei Mittelstandsbroker sowie Professor am FOM Hochschulzentrum in Berlin, gut, wenn der Nachfolgeprozess glücken soll. Nur bei kleinen Transaktionen mit einem Unternehmenswert deutlich unter 500.000 Euro könne die Stabübergabe auch in Eigenregie glücken – wenn sie gut vorbereitet ist.
Grundsätzlich gelte: „Das ist ein sehr vertrauliches Thema, gerade im Mittelstand.“ Womit das Problem beginnt: Denn wer sich aus der Angst, Kunden, Lieferanten und Mitarbeitende zu verlieren, scheut, offensiv den Verkauf oder Geschäftsführerwechsel anzugehen, wird schwerlich Interessent:innen finden können. „Umgekehrt sind potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten 35 bis 45 Jahre alt und leitende Angestellte. Die gehen auch nicht damit hausieren, dass sie sich in dieser Richtung verändern möchten“, weiß Wassermann.
Da gibt es nur eines: „Hilfe bei einem Nachfolgeberater holen, der über ein entsprechendes Netzwerk verfügt.“ Klar, das koste Geld (honoriert wird meist erfolgsabhängig bei Vermittlung), doch das sei gut investiert: „Es gibt nur den einen Versuch. Wer am falschen Ende spart, geht das Risiko ein, schlimmstenfalls sein Vermögen komplett zu verlieren.“
Abgebende Unternehmer:innen sollten sich klar machen, dass sie auf diesem Feld meist Laien sind. Das gilt auch beim Stabwechsel innerhalb der Familie. Hier rät der Experte zu einem auf Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht spezialisierten Steuerberater und/oder einer Anwältin, um finanziellen Schaden zu vermeiden. Und zu psychologischer Unterstützung: „Dabei sollten unter anderem die Spielregeln geklärt werden, etwa welche Rolle die abgebenden Eltern noch in der Firma haben sollen.“
Ungut, wenn sich das gesammelte Firmenwissen im Kopf der scheidenden Geschäftsführung befindet, mahnt der Berater. Braindrain droht und damit letztlich eine Vernichtung des Unternehmenswertes. Daher sollten vorher Hierarchien aufgebaut und damit Know-how auf mehrere Schultern verteilt werden. Nicht zuletzt, und das gelte grundsätzlich, sollte der Übergebende wirklich bereit sein, abzugeben. Klingt simpel, doch an der mangelnden Fähigkeit loszulassen, scheitern viele Übergänge.
Nicht so bei der FOC – fibre optical components GmbH, die optische Komponenten für die Datenübertragung entwickelt, herstellt und weltweit vertreibt. Nach 30 Jahren wird sich Gründer und Geschäftsführer Christian Kutza sukzessive aus dem operativen Tagesgeschäft zurückziehen und die Führung seiner Ehefrau Paulina Christ übergeben, die aktuell den Vertrieb leitet. „Auch wenn es trivial klingen mag“, betont Kutza, „derjenige, der übergibt, muss das wollen und die Bedingungen dafür schaffen, dass er loslassen kann.“
Im Falle des Ehepaares bedeutet das, dass Paulina Christ, seit 17 Jahren an Bord, nach und nach in ihre neue Aufgabe hineinwächst: „Dafür habe ich einen Mentor und Partner an meiner Seite“, sagt sie. Aber nicht nur das: Von Anbeginn holten sich die beiden auch externe Hilfe, um den Nachfolgeprozess solide und professionell aufzuziehen: „Neben der bewussten Entscheidung, sich wirklich zurückziehen zu wollen, ist das mein wichtigster Rat, damit der Generationenwechsel klappt“, betont Kutza.
Außerdem sei eine gute Portion Kritikfähigkeit, gegenseitige Akzeptanz und Offenheit nötig, ergänzt Christ. Ist es also ein Vorteil, wenn das Geschäft innerhalb der Familie weitergeführt wird? „Das ist nicht zu verallgemeinern“, sagt Christ. „Nicht jede Partnerschaft oder Konstellation ist dafür geeignet. Aber bei uns passt es!“ Ehemann Kutza nickt zustimmend und sagt: „Es ist ein Abenteuer und eine schöne Sache, wenn die Nachfolge so zum Wohle der Firma geregelt werden kann.“
Chris Löwer für Adlershof Journal