Das Licht überlisten
Max-Born-Institut baut und vermarktet optisches Nahfeldmikroskop mit extrem hoher Auflösung
Am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) in Berlin beschäftigt sich die Forschergruppe um Dr. Christoph Lienau mit nanooptischen Verfahren zur Untersuchung von Strukturen, die um ein Vielfaches kleiner sind als die Wellenlänge des sichtbaren Lichts. Grundlage ist ein vom MBI patentiertes Verfahren der optischen Nahfeldmikroskopie, das sich mit unterschiedlichen Methoden der optischen Spektroskopie kombinieren lässt. Ein auf diesem Verfahren basierendes Nahfeldmikroskop wurde jetzt im Auftrag des Forschungszentrums Jülich gebaut und soll am Montag, 17. Oktober, ausgeliefert werden.
Die Jülicher Forscher um Arbeitsgruppenleiter Dr. Reinhard Carius wollen mit dem neuen Mikroskop Effekte von Nanostrukturen auf die optische Absorption in dünnen Siliziumschichten untersuchen. Ihr Ziel ist es, dadurch die Effizienz von Dünnschicht-Solarzellen zu steigern. "Hierfür reicht es nicht, allein die Oberflächenform zu kennen", sagt Reinhard Carius, "wir müssen speziell auch Informationen über die lokalen optischen Eigenschaften erhalten." Deshalb helfen auch andere Arten der Mikroskopie nicht weiter, wie die Rastertunnel- oder die Elektronen-Mikroskopie. Denn diese liefern nahezu ausschließlich Informationen über die Form der Oberfläche, nur in geringem Maß über die elektromagnetischen Eigenschaften der Materialproben. "Das Gerät aus dem MBI erlaubt uns dagegen zu untersuchen, wie sich Licht in den hauchdünnen Siliziumschichten ausbreitet", sagt Carius. Das Nahfeldmikroskop sei sehr flexibel einsetzbar, lobt Carius. "An keiner anderen Stelle ist so ein Gerät verfügbar", sagt der Wissenschaftler, "daher sind wir an das MBI herangetreten, um uns dort eine Kopie dieses Geräts bauen zu lassen."
Was ist nun das besondere an der optischen Nahfeldmikroskopie? "Wir können damit das Licht überlisten", sagt der Entwickler Christoph Lienau. Eigentlich gilt für die optische Mikroskopie die Auflösungsgrenze, wie sie der deutsche Physiker Ernst Abbé 1873 formulierte: Was kürzer ist als eine Lichtwellenlänge, das kann nicht mehr abgebildet werden. Doch Licht lässt sich nicht nur als Welle, sondern auch als Strom von Teilchen begreifen, und diese Teilchen können scheinbar undurchdringliche Barrieren überwinden. In der Quantenphysik kennt man dieses Phänomen als Tunnelprozess. "Die Photonen tunneln durch Öffnungen, die kleiner sind als die Wellenlänge des Lichts", erläutert Lienau, "und wir messen dann ihre Zahl oder auch ihre Eigenschaften". Die Öffnung, durch welche die Lichtteilchen tunneln, befindet sich an der Spitze einer ohnehin schon hauchdünnen Glasfaser. Die Spitze ist mit Metall überzogen, und in diese Schicht schlagen die Forscher ein Loch, indem sie die Glasfaser sozusagen auf die Probe unterm Mikroskop tippen. Die Größe der Öffnung - in der aktuellen Versuchsanordnung weniger als 50 Nanometer - ermitteln die Wissenschaftler, indem sie Licht durch die Glasfaser schicken und messen, wie viel Licht an der Spitze austritt. Sichtbares Licht hat je nach Farbe eine Wellenlänge von rund 400 bis 800 Nanometern; ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter. "Mit unserem Tieftemperatur-Nahfeldmikroskop erreichen wir eine Auflösung von 50 Nanometern, also bis zu fünfzehnmal kleiner als die Lichtwellenlänge", sagt Lienau. Allerdings ergibt das so aufgefangene Licht kein Bild, wie man es von optischen Mikroskopen oder Fotoapparaten sonst kennt. Vielmehr muss die Glasfaserspitze das Untersuchungsobjekt, ähnlich wie bei Raster-Elektronenmikroskopen, Punkt für Punkt abtasten und jeweils das Licht messen. So entsteht eine Rasteraufnahme aus Lichtpunkten.
Der Unterschied zu den anderen Rastermikroskopverfahren lässt sich mit dem Ertasten von Oberflächen durch Blinde vergleichen. Der Tastsinn liefert zwar Informationen über die Form der Oberfläche und auch über andere Eigeschaften wie Temperatur oder elektrische Ladung, nicht jedoch über die Farbe oder die Transparenz. Das Gerät, für das das MBI ein Patent hält, arbeitet bei Temperaturen zwischen 10 und 300 Kelvin (das entspricht minus 260 Grad Celsius bis Raumtemperatur). Die Kühlung erfolgt über flüssiges Helium. Dabei ist allerdings nur die Probe kalt, die empfindliche Messeinheit befindet sich bei Raumtemperatur in einer Vakuumkammer, was die Bedienerfreundlichkeit deutlich erhöht. Die ganze Apparatur ist ungefähr so groß wie eine Waschmaschine und lässt sich leicht in konventionelle optische Apparaturen, z. B. für spektral oder zeitlich aufgelöste Untersuchungen integrieren.
Der Auftrag aus Jülich ist übrigens nicht der erste. Bereits zuvor hat das MBI zwei weitere ähnliche Mikroskope gebaut und verkauft. Vor der Auslieferung nach Jülich haben die Entwickler ihr Gerät ausgiebig getestet. Sie sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und auch Reinhard Carius vom FZ Jülich lobt: "Die Zusammenarbeit ist unheimlich gut verlaufen. Wir sind froh, mit dem MBI einen so kompetenten und zuverlässigen Partner gefunden zu haben."
Weitere Informationen:
Dr. Christoph Lienau
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie Abteilung C3
Max-Born-Str 2A D-12489 Berlin
Tel. +49-30-6392-1476
Fax +49-30-6392-1409
E-Mail: lienau(at)mbi-berlin.de
Pressemitteilung: Forschungsverbund Berlin e.V.