Das gute und das böse Lächeln
Wie Mimik und Vorwissen über die Biographie des Gegenübers zusammenspielen
Was prägt unseren ersten Eindruck, wenn wir jemandem ins Gesicht sehen? Humboldt-Stipendiatin Julia Baum untersucht im Fachbereich Neurokognitive Psychologie der HU in Adlershof, wie Mimik und Vorwissen über die Biographie des Gegenübers zusammenspielen.
Donald Trump blickt mit strahlendem Lächeln in die Kamera. Freundlich, offen, optimistisch wirkt der US-Präsidentschaftskandidat. Doch nur auf den naiven Betrachter: Viele, die dem 70-jährigen Milliardär beim Reden zusehen, haben eher ein mulmiges Gefühl. Zu viel haben sie gelesen über seine Lügen im Wahlkampf, sein überbordendes Ego, seine abfälligen Bemerkungen über Frauen, Einwanderer und Homosexuelle.
„Wenn wir Menschen bewerten, geschieht das nicht nur über die Mimik, unser Eindruck formt sich auch über das emotionale Wissen, was wir über sie haben“, sagt Julia Baum. Der im US-Wahlkampf allgegenwärtige Donald Trump ist für Psychologen wie Baum ein willkommener Forschungsgegenstand. In Studien wurde bereits gezeigt, dass Probanden den Gesichtsausdruck von anderen – wenn über diese wie über Trump viel kritisches Wissen vorhanden ist – als grimmig oder böse wahrnehmen, selbst wenn das Gegenüber eigentlich ganz neutral schaut. Besonders extrem ist dieser Effekt bei Diktatoren wie Adolf Hitler, Idi Amin oder Saddam Hussein.
Diese Wechselwirkung zwischen dem, was das Gehirn über die Retina des Auges an Mimik empfängt, und unserem sogenannten „affektiven Wissen“ über ein Gegenüber ist nur vermeintlich banal. Manche psychologischen Schulen halten bis heute an der These fest, dass allen Menschen die Fähigkeit mitgegeben ist, schon anhand kleinster mimischer Regungen zu entschlüsseln, was jemand fühlt, ob er lügt oder die Wahrheit sagt. „Vertreter dieser Schule bieten sogar Trainings an, um Ausdrücke interpretieren zu lernen“, sagt Baum. „Dabei wird der Einfluss des Vorwissens über ein Gegenüber allerdings vernachlässigt.“
Die 29-Jährige untersucht genau diesen Einfluss: In Testreihen mit freiwilligen Studienteilnehmern messen Baum und ihre Kollegen mithilfe des Elektroenzephalogramms (EEG), was im Gehirn beim Betrachten eines Gesichts wann passiert. Bis zu einer ersten Einschätzung vergehen nur 200 Millisekunden und ab etwa 400 Millisekunden beginnt schon ein elaborierter Prozess. „Diesen dynamischen Prozess schauen wir in unseren Analysen genau an“, erklärt Baum. Für die Forscher ist die entscheidende Frage, wie die visuelle Information den Eindruck prägt und wie entscheidend das gelernte Wissen ist. In den Tests werden den Probanden – pro Experiment sind es bis zu 30 – nicht nur Prominente gezeigt. Gemessen wird auch die Wirkung unbekannter Gesichter, über die nur kurz vorher biographische Angaben gemacht werden.
„Auch hier konnten wir zeigen, dass ein Gesicht und dessen Mimik positiver bewertet wurde, wenn die Zusatzinformation den Menschen als sympathisch darstellte“, erläutert Baum. Für ihre Dissertation hat sich die Kognitionspsychologin vorgenommen, das Wechselspiel zwischen äußerem Eindruck, biographischem Wissen und Emotion noch besser zu verstehen. Wie entwickelt sich der Eindruck, den man von einem bestimmten Menschen gewonnen hat, über einen längeren Zeitraum? Sind eingefräste Ansichten über ein Gegenüber revidierbar? Solche und ähnliche Fragen stellt sich die junge Forscherin, die für die Vorbereitung ihrer Promotion mit dem Stipendium Humboldt Research Track gefördert wird, das im Rahmen der Exzellenzinitiative ins Leben gerufen wurde.
Baum überlegt sich nun, wie sie die Testreihen gestalten muss, um auf ihre vielen Fragen möglichst valide Antworten zu bekommen. Ihre Arbeit sieht sie auch im Kontext der Informationsflut durch Internet und neue Medien, die in hohem Tempo und oft „stark emotional“ auf Menschen einströmten und etwa im Fall des Amoklaufs von München die Panik übermäßig schürten. „Wir verlassen uns auf unser Urteilsvermögen und unsere Fähigkeit, Gesichter ‚lesen‘ zu können. Mich reizt es sehr, etwas, das so offensichtlich erscheint, zu hinterfragen, um besser zu verstehen, wie unser menschliches Urteilsvermögen tatsächlich funktioniert.“
Von Claudia Wessling für Adlershof Journal