Das dritte Auge
ISAS und HMI entwickeln Biosensoren für die Medizin
Karsten Hinrichs vom ISAS hat ein drittes Auge. Mit ihm kann er Dinge sehen, die normalerweise unsichtbar sind: winzige molekulare Strukturen. Natürlich ist der Physiker kein Supermann mit Extra-Sinnesorgan; das dritte Auge ist ein optisches Messgerät, ein sogenanntes Ellipsometer. Gemeinsam mit Doktorandin Dana-Maria Rosu untersucht er damit derzeit neuartige Biosensoren, die das Institut für medizinische Immunologie der Charité mit Unterstützung des Hahn-Meitner-Instituts und des ISAS entwickelt.
Das Neue an den Sensoren ist deren Herstellung auf Basis von Silizium, die es ermöglicht, das Sensorsignal sofort elektronisch auszulesen. Rudolf Volkmer von der Charité leitet das Berliner Gemeinschaftsprojekt und kann sich bereits künftige Einsatzmöglichkeiten vorstellen. „Die Blutgruppenbestimmung könnte damit viel schneller und einfacher werden“, so der Chemiker. Auch andere Anwendungen sind für ihn denkbar: „Implantiert in Patienten mit Herzinfarktrisiko, könnte der Sensor das Blut direkt und fortwährend auf kritische Parameter untersuchen, und mit einem in die Siliziumbasis integrierten Sender schon vor einem möglichen Infarkt Alarm funken.“
Doch davon ist das Projekt im Moment noch weit entfernt, zunächst geht es um Grundsätzliches. Geeignete Bauteile für den Sensor – organische Moleküle, von den Forschern auch Biomoleküle genannt – müssen gefunden werden. Moleküle, die wie eine chemische Angel auf genau das wirken, was detektiert werden soll. Dazu Moleküle, die an der Siliziumoberfl äche haften bleiben. Und weitere Molekülarten, die die Detektiermoleküle mit den Haftmolekülen verbinden. Sind alle Bauteile gefunden, müssen wiederum geeignete Verfahren entwickelt werden, um sie auf die Siliziumoberfläche zu bringen. Dabei muss das Projekt jedoch berücksichtigen, dass auch Moleküle ein „Oben“ und „Unten“ haben. „Es ist fast wie bei einem Puzzle“, erklärt Rudolf Volkmer. „Wenn wir die Moleküle nicht richtig herum ausrichten, können sie ihre Aufgabe nicht erfüllen.“
Nur dass die einzelnen Puzzleteile so winzig und komplex sind, dass sich das Ausrichten weder mit dem bloßen Auge noch mit dem Mikroskop überprüfen lässt. An dieser Stelle kommt Karsten Hinrichs mit dem Ellipsometer zum Einsatz. An der Anlage des Elektronenspeicherrings BESSY nutzt das ISAS eine Strahllinie, die das hochempfi ndliche Instrument mit genau der speziellen Infrarotstrahlung versorgt, die es zum Untersuchen der molekularen Strukturen braucht. Der Vorteil des Verfahrens: Die Messungen zerstören oder beschädigen die Proben nicht, die untersuchten Sensorteile bleiben wie sie sind. Und ebenfalls anders als andere Verfahren kommt das Ellipsometer ohne Vakuum aus, so dass die Messungen in situ erfolgen können. „Das bedeutet, dass wir alle Prozesse live beobachten können, während sie tatsächlich passieren“, erklärt Hinrichs.
Wenn der Physiker von Beobachten spricht, meint er das nicht wörtlich. Das Ellipsometer „sieht“ nicht wie ein Mikroskop, sondern es misst eine bestimmte Eigenschaft des Lichts – die Polarisation – die sich ändert, wenn das Licht auf eine Probe gestrahlt wurde. Erst im Zusammenhang mit optischen Simulationen und Modellrechnungen und im Vergleich mit Referenzmaterialien wird ein wirkliches Bild daraus. „Ohne das ISAS müssten wir quasi blind herumprobieren“, erläutert Rudolf Volkmer von der Charité, „und wüssten doch am Ende nicht genau, ob es nur Zufall ist, wenn der Sensor das Richtige misst.“
Weitere Informationen:
ISAS - Institute for Analytical Sciences
Uta Deinet
Tel: (0231) 1392-234
E-Mail: presse(at)isas.de
Quelle: Analytix inside Nr. 6, Newsletter des ISAS - Institute for Analytical Sciences