Cassini-Huygens und DLR-Wissenschaftler im Glück
Erste Naherkundung eines Mondes im äußeren Sonnensystem gelungen
Die europäische Raumfahrt hat mit dem gelungenen Abstieg der europäischen Forschungssonde Huy-gens durch die Atmosphäre des größten Saturnmondes Titan einen einzigartigen Erfolg erzielt: Erstmals in der Geschichte der Raumfahrt ist heute am 14. Januar 2005 die wissenschaftliche Erforschung eines Körpers des äußeren Sonnensystems vor Ort gelungen. Bei dem gut zweistündigen Sinkflug durch die Atmosphäre des Saturnmondes Titan übertrug die europäische Sonde Huygens wie geplant wissenschaftliche Daten und Bilder. Beim Abstieg wurde sie zunächst abgebremst durch den Hitzeschild, dann durch den Fallschirm, bevor sie auf der kalten Oberfläche des Saturntrabanten aufsetzte. Die Sonde war nicht für das Überleben auf der Titanoberfläche oder eine weiche Landung konstruiert worden, sondern für die Erkundung der Titanatmosphäre. Am 25. Dezember 2004 war Huygens erfolgreich von der amerikanischen Muttersonde Cassini abgetrennt worden.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist maßgeblich an der europäisch-amerikanischen Mission Cassini-Huygens beteiligt.
An Bord der Atmosphärensonde Huygens der Europäischen Weltraumorganisation ESA gibt es sechs wissenschaftliche Experimente. Weitere zwölf sind auf der NASA-Muttersonde Cassini, deren Antenne die Daten der Huygens-Sonde zur Erde überträgt. Speziell an der Huygens-Mission sind aus Deutschland zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen beteiligt, so die Universität Köln, die Ruhr-Universität Bochum, die Technische Universität Dresden und das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau. Die Universität Bonn ist federführend an dem Doppler Wind Experiment (DWE) beteiligt.
Huygens ist die erste in Europa geplante und gebaute Sonde, die ins äußere Sonnensystem fliegt. Hauptauftragnehmer war der französische Raumfahrtkonzern Aerospatiale, der Zusammenbau der Einzelkomponenten erfolgte bei der Firma EADS Astrium GmbH in Ottobrunn.
Deutsche wissenschaftliche Beteiligungen auf dem amerikanischen Mutterschiff Cassini
Auf der Cassini-Sonde der amerikanischen Weltraumorganisation NASA sind weitere deutsche Einrichtungen mit Experimenten vertreten oder beteiligt: Den wichtigsten deutschen Beitrag leistet hier das Max-Planck-Institut (MPI) für Kernphysik aus Heidelberg, das für eines der sechs Experimente auf der Muttersonde Cassini verantwortlich ist: Das MPI misst mit dem in Deutschland entwickelten Cosmic Dust Analyzer (CDA) den interplanetaren und kosmischen Staub im Saturnsystem; das DLR ist an diesem Experiment beteiligt. Es wurde beim DLR gebaut und auf seine Weltraumtauglichkeit getestet.
Die Universität Köln und die TU Braunschweig beobachten die Magnetfelder (Dual Technique Magnetometer, MAG). Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau misst einmal neutrale und geladene Teilchen innerhalb der Saturn-Magnetosphäre (Ion and Neutral Mass Spectrometer, INMS), in einem zweiten Experiment untersucht es die Saturn-Magnetosphäre und ihre Wechselwirkungen mit dem Sonnenwind (Magnetospheric Imaging Experiment, MIMI). In einem dritten Experiment vermisst das MPS die Ultraviolett-Spektren der Atmosphären von Saturn und Titan sowie der Ringe und der festen Oberflächen der Monde im Saturnsystem (Ultraviolet Imaging Spectrograph, UVIS) - das DLR ist auch an diesem Experiment beteiligt. Mit dem Composite Infrared Spectrometer (CIRS) erfasst die Bergische Universität Wuppertal Infrarotdaten der Oberflächen, Ringe und Atmosphären im Saturnsystem. Das DLR in Berlin-Adlershof erstellt eine spektrale Kartierung von Oberflächenstrukturen auf den Saturnmonden mit dem Visible and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), und die FU Berlin erstellt hoch auflösende multispektrale Bilder des Saturn, seiner Ringe und Monde (Imaging Science Subsystem, ISS). Bei diesem Kameraexperiment leistet das Berliner DLR-Institut für Planetenforschung Unterstützung bei der Planung der Nahvorbeiflüge an den Monden, in der Kartographie und Photogrammetrie.
Deutschland zusammen mit Italien wichtigste europäische Nation bei der Mission Cassini-Huygens
Der finanzielle Anteil Deutschlands an der europäisch-amerikanischen Mission Cassini-Huygens beläuft sich auf rund 115 Millionen Euro, die europäischen Gesamtkosten für die Huygens-Atmosphärensonde liegen bei circa 400 Millionen Euro.
Die Gesamtkosten der kompletten NASA/ESA-Mission Cassini-Huygens betragen rund 3,3 Milliarden Dollar. Deutschland leistet gemeinsam mit Italien die wichtigsten europäischen Beiträge bei dieser Mission, bezogen auf den finanziellen und wissenschaftlichen Anteil.
Saturnmond Titan eher Planet als Mond
Der Saturnmond Titan - mit 5.150 Kilometer Durchmesser der größte Trabant des Ringplaneten - ist ein sehr komplexer Körper im Sonnensystem. Er ist größer als der Planet Pluto und ähnelt in vielerlei Hinsicht eher einem Planeten als einem Mond. Er ist der einzige Mond in unserem Planetensystem mit einer dichten Atmosphäre, nicht zuletzt deshalb ist er für die Wissenschaft von höchstem Interesse. Wie die Lufthülle der Erde enthält die Titanatmosphäre hauptsächlich das Gas Stickstoff. Hinzu kommen etwa drei Prozent Methan und etwa ein Prozent Argon. Die beiden amerikanischen Voyager-Sonden hatten bereits 1980 und 1981 mit Methan verwandte Kohlenwasserstoffe nachgewiesen. Der Saturnmond Titan war aufgrund seiner enormen Größe und der niedrigen Temperaturen im Saturnsystem in der Lage, bis heute eine eigene Atmosphäre beizubehalten, in der sich zudem aus dem Methan durch photochemische Prozesse und durch von Strahlung induzierte Prozesse möglicherweise organische Moleküle gebildet haben. Die Wissenschaftler sind somit auf der Suche nach den Bausteinen des Lebens.
Da Titan zudem eine ungewöhnliche, junge und möglicherweise aktive Oberfläche (Eis- oder Kryo-Vulkanismus) hat, können die Bilder der Abstiegskamera der Sonde Huygens dazu beitragen, die Geologie dieses geheimnisvollen Mondes zu enträtseln.
Dichte Atmosphäre verhinderte bisher Erforschung des größten Saturnmondes Titan
Wegen seiner dichten Atmosphäre ist Titan der einzige Mond im Sonnensystem mit einer nennenswerten Gashülle, weshalb seine Oberfläche selbst bei den früheren Vorbeiflügen von Voyager 1 (1980) und Voyager 2 (1981) nicht abgebildet werden konnte. Im April 1998 wurde mit dem europäischen Infrarot-Teleskop ISO erstmals Wasser entdeckt. Diese Beobachtung, vor allem aber jüngste Messungen der Cassini-Instrumente bei den beiden Nahvorbeiflügen am 26. Oktober und am 13. Dezember 2004, lassen auch für die Experimente der Huygens-Sonde am 14. Januar 2005 eine vielfältige Mischung von organischen Molekülen auf Titan und in dessen Atmosphäre erwarten. Diese könnten der Zusammensetzung der Erdatmosphäre in einem sehr frühen Stadium, vor Beginn des Lebens, ähnlich sein.
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Quelle: Pressemitteilung Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), 14.01.2005
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