Brief mit 'Gedächtnis'
Siemens Postautomation schließt ersten Vertrag mit japanischer Post und verkauft mikroelektronische Briefe für Logistik-Tests
Die folienummantelten Briefe haben die übliche Form und das normale Gewicht. Sie werden unentwegt auf Reisen geschickt. Jeder Einzelne ist jährlich meist zehntausende von Kilometern unterwegs. Doch handelt es sich nicht um gewöhnliche Postsendungen, denn in ihrem Innern arbeiten Mikroprozessoren und hochempfindliche Bewegungssensoren. Diese High-tech führt elektronisch Buch darüber, ob und wie lange die „Quality Test Letter“ (Testbriefe) gerade per Flugzeug, Laster oder Zug transportiert oder vom Zusteller ausgetragen werden oder ob sie bewegungslos irgendwo lagern.
Der eher unauffällige Testbrief mit ´Gedächtnis´ ist das Herzstück des von der Berlin Adlershofer Tochtergesellschaft des Siemens-Unternehmens Postautomation, Konstanz, entwickelten Hard- und Softwaresystems QTS („Quality Test System“), mit dem Postdienste in aller Welt ihre Logistik überprüfen. „Jede gute Post ist daran interessiert, Schwachstellen in ihren aufwändigen Sortier- und Transportsystemen aufzuspüren, Mängel im zeitlichen Ablauf der Zustellung zu beseitigen“, sagt Dr. Georg Kinnemann, Technikchef des Adlershofer Betriebes.
Mit QTS ist diesem ein echter Renner auf dem internationalen Markt gelungen, für den es derzeit kein Konkurrenzprodukt gibt. Gerade ist eine größere Anzahl von Briefen der jüngsten „Quality Test Letter“-Serie, die im Auftrag von Siemens Postautomation durch die Berliner Firma ELBAU hergestellt werden, an die japanische Post verkauft worden. „Das ist die erste Order aus Japan für unser Unternehmen“, freut sich Kinnemann.
Das QTS-Prinzip ist leicht zu verstehen: Der Brief wird von A nach B geschickt und dann zur Auswertung gebracht. Die über jede Reiseetappe - so zusagen von Briefkasten zu Briefkasten - gespeicherten Sensordaten können über eine Schnittstelle ausgelesen und mit Hilfe einer speziellen Software als aussagekräftige Bildschirmdiagramme dargestellt werden. Der Vergleich von tatsächlichem und Sollverlauf des Brieftransports zeigt Unregelmäßigkeiten, Irrwege, zu lange Ruhezeiten und Verspätungen auf. Der Analyst erkennt, mit welchen Verkehrsmitteln der Messbrief transportiert worden ist. Zwei Knopfzellen liefern diesem mehr als 100 Tage lang Energie. Dabei muss er allen auftretenden physischen und thermischen Belastungen widerstehen. Kinnemann demonstriert Flexibilität und Robustheit des Qualitätsprodukts. Es lässt sich elastisch verbiegen, hält einen Fall aus mehreren Metern Höhe aus und kann automatische Briefsortieranlagen unbeschadet passieren. „Auch Temperaturen von minus 30 bis plus 70 Grad Celsius machen ihm nichts aus. Das sind Gründe dafür, dass zahlreiche Postdienste von Australien über Südafrika, Brasilien und Kanada bis nach Westeuropa mit QTS ihren Brieftransport optimieren.“ Zu den Hauptabnehmern zählen die amerikanische, die britische und die deutsche Post. Rund 10 000 Siemens-Testbriefe waren und sind weltweit bislang im Einsatz. „Falls sie einen Fehler haben, dann ist es ihre lange Lebensdauer“, scherzt der Technikchef der Adlershofer Siemens Postautomation GmbH.
Die Firma war 1991 mit 25 Mitarbeitern - nahezu alle kamen von der früheren Akademie der Wissenschaften sowie vom einstigen Institut für Post- und Fernmeldewesen - gegründet worden. Heute zählt sie knapp 50 Angestellte und entwickelt für das weltweit aktive Mutterunternehmen in Konstanz vor allem automatische Postsortiermaschinen.
Auch dabei ist den Adlershofern ein technisches Highlight gelungen. Für diese bis zu 80 Meter langen Anlagen schufen sie ein Farbbildverarbeitungssystem, das in seiner neuesten Version unter anderem Briefmarken, Symbole und Etiketten auf Briefen (aber auch auf anderen Gegenständen) erkennen kann und sich damit ebenfalls für andere Einsätze eignet. Dabei hatten die Konstrukteure ´ihren´ Elchtest zu bestehen, und das kam so: Weil die Flut von Briefen nur mit Hochleistungs-Sortiermaschinen bewältigt werden kann - eine moderne Anlage schafft derzeit bis zu 50 000 Sendungen pro Stunde -, wurde ein automatisches System zur Briefmarken-Erkennung erforderlich. Die Berliner Siemens-Tochter entwickelte dafür eine Lösung. „Die Tinte unter dem Vertrag zur Lieferung von 15, mit dieser Technik ausgerüsteten Briefsortiermaschinen aus Konstanz war kaum trocken“, so erinnert sich Kinnemann, „da brachte der erste Kunde, die schwedische Post, eine neue Serie dreieckiger Briefmarken mit farbigen Elch-Motiven heraus.“ Das System zur Farbobjekterkennung sei zwar für beliebige Briefmarkenumrisse konzipiert worden; jedoch sei die Entwicklung der entsprechenden Software-Komponenten zu diesem Zeitpunkt noch nicht komplett gewesen. „Das haben wir dann aber innerhalb kürzester Zeit erledigen können.“
Inzwischen hat die Firma dieses System so weiterentwickelt, dass es bis zu 500 verschiedene Briefmarken erkennen kann - auch dann, wenn sie schief aufgeklebt sind oder auf dem Kopf stehen. Das ist deshalb bedeutsam, weil das Farbbildverarbeitungssystem bei jedem einzelnen Brief darüber entscheidet, ob dieser zum Lesen der Adresse gewendet werden muss. Mit Hilfe einer Farbzeilenkamera sucht es deshalb auf jeder Seite des Briefes nach Marken, Freistempelaufdrucken oder anderen Symbolen und stellt je Sekunde Sortierinformationen für bis zu 15 Sendungen bereit.
218 solcher Systeme hat Siemens bislang weltweit verkauft. Die jüngsten Erzeugnisse dieser Art können jetzt auch aufgedruckte elektronische Briefmarken mit 2DCodes sowie Etiketten und weitere Objekte erkennen. Für den universellen Einsatz in anderen Branchen und Bereichen kann das System laut Kinnemann mit unterschiedlichen Kameras zusammenarbeiten.
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