Blick in eine kleine feine High-Tech-Schmiede
In Berlin Adlershof entsteht Mikroelektronik vom Feinsten
"Meister der Miniaturisierung" in: Vorwärts, Nr.4/204
von Susanne Dohrn
Drähte, die man nur noch unter dem Mikroskop erkennen kann, Leiterplatten, nur wenige Millimeter groß – „Naturwissenschaftliche Kenntnisse müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören sie nicht.“ So schrieb der Ex-Literaturprofessor Dietrich Schwanitz in seinem Buch „Bildung“. Die Arroganz des Geisteswissenschaftlers spricht daraus und eine Technikverachtung, die in Deutschland in Mode gekommen ist. Naturwissenschaftler hören solche Sätze oft. „Über das neueste Theaterstück mitreden, aber wie Digitalfunk oder ein Halbleiter funktioniert, das braucht man nicht zu wissen, obwohl die Auswirkungen auf unser Leben viel größer sind,“ sagt der Physiker Günther Tränkle.
Tränkle ist Direktor des Ferdinand-Braun-Instituts für Höchstfrequenztechnik (FBH) in Ad-lershof, ein Schwabe in Ost-Berlin und Experte für drei-fünf-Halbleiter (geschrieben III/V). Halbleiter sind Stoffe, die Strom leiten können, aber anders als Metalle eben nur ein biss-chen. Etwas, das sich die Informationstechnologie seit Jahren zu Nutze macht. Kaum ein technisches Gerät, vom Küchenherd bis zum Auto, das ohne Halbleitertechnologie funktio-niert. In Adlershof hat man sich auf Miniaturisierung spezialisiert: z.B. auf Laserdioden, die auf die Spitze eines Zeigefingers passen. Laserdioden sind sehr intensive Lichtquellen. In-tensiv, weil sie, anders als Glühbirnen, viel mehr Strom in Licht umwandeln können. Außer-dem fokussieren sie das Licht extrem gut. „Man könnte damit Papier anzünden,“ sagt Tränkle. Man nutzt sie z.B. im Automobilbau, um Kunststoffe zu kleben und zu schneiden.
Man setzt sie in der Medizin ein. So können Tumorzellen mit einem Stoff angereichert werden, der Licht absorbiert. Dann werden sie mit speziellem Licht bestrahlt. Die dabei entstehende Hitze zerstört die Tumorzellen. In Adlershof werden Laserdioden für Atomuhren entwickelt, die nie kaputt gehen dürfen. Sie sollen bei der nächsten Generation von GPS-Satelliten mitfliegen. Spitzentechnologie aus Deutschland, entwickelt und produziert tief im Osten Berlins, hinter einer braungelben Fassade aus den späten 30ern, die so gar nicht aussieht wie ein Pendant zu Silicon Valley. Und doch wird hier für die Crème de là Crème der deutschen Industrie geforscht und entwickelt. Hier werden Drähte verlötet, die zehn Mal dünner sind als ein menschliches Haar, hier werden Schichten auf Leiterplatten gedampft, die tausend Mal dünner sind als ein Haar. Hier arbeiten Spezialisten, die sich mit den Besten der Welt messen können. Bezahlt nach Dienstjahren und Bundesangestelltentarif.
Fünf offene Stellen hat Tränkle zur Zeit in seinem Institut, zum einen weil in der Wirtschaft mehr bezahlt wird, zum anderen, weil die Physik viel zu lange den Ruch hatte, schwer ver-ständlich und zudem eine einsame Tätigkeit zu sein. Zu Unrecht, sagt der Professor. 50 Prozent der Arbeit an seinem Institut sei Teamarbeit. Und Spaß mache sie auch. „Etwas zu entwickeln, das den Menschen nützt, zu wissen, unsere Laserdiode kreist bald um die Erde, das macht einen Techniker glücklich.“ So wie es einen Künstler glücklich mache, ein Kunstwerk zu schaffen. Außerdem hätten die meisten Menschen für Naturwissenschaften ausreichend Talent. Sie wüssten es nur nicht, weil sie zu wenig damit in Berührung kämen.
Kann also ein Laie verstehen, wie ein Halbleiter funktioniert? Volker Bentlage, Assistent des Direktors und selbst Physiker, erklärt: „Metalle leiten Strom. Isolatoren wie Glas, leiten ihn nicht. Und dann gibt es Stoffe, die leiten ein bisschen, die Halbleiter. Sie bestehen z. B. aus Galliumarsenid. Wird Energie zugeführt, können sich die Elektronen lösen, die sich in der äußersten Hülle der Gallium- und Arsenid-Atome befinden. Beim Gallium lösen sich drei, beim Arsenid fünf Elektronen, daher der Name III/V Halbleiter. Strom beginnt zu fließen. Von dort zur Laserdiode ist es nur ein kleiner Weg: Gezielte Verunreinigungen des Halbleiters mit einem anderen Stoff, z.B. Aluminium, können die frei schwingenden Elektronen wieder ein-fangen. Dann geben sie die zugeführte Energie in Form eines Lichtimpulses wieder ab. Wird dies Licht zwischen zwei Spiegeln gebündelt, entsteht ein Laser.“