Bessere Charakterisierung von „reinen“ Stoffen
Neues Projekt von BAM und PTB bringt mehr Klarheit in der Analyse verunreinigter Materialien
Millionen von Messungen des Gehaltes an chemischen Elementen werden jedes Jahr durchgeführt, in der chemischen Industrie, bei diagnostischen Tests, aber auch für Materialuntersuchungen und Produktentwicklungen. Vor einer Messung wird zunächst kalibriert. Doch wie wird kalibriert und wie genau sind die Lösungen eingestellt, die als Grundlage dienen?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Messergebnisse mitunter nur schlecht vergleichbar sind. Das Problem: Die Lösungen basieren auf Stoffen. Doch ideal „reine“ Stoffe gibt es nicht. Doch wie viel Verunreinigung liegt wirklich vor? Dieser Frage geht ein neues internationales Forschungsprojekt nach, an dem sich die BAM und ihre Schwesterbehörde, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), beteiligen. Mit einem Forschungsprojekt innerhalb des Europäischen Metrologie-Forschungsprogramms (EMRP) möchte man mehr Klarheit in die Analyse bringen und zu einer besseren Charakterisierung von „reinen“ Stoffen beitragen.
Um die genaue Beschreibung der Zusammensetzung von „reinen“ Stoffen besser zu verstehen, nehmen wir ein Beispiel: Die Aufgabe sei es, den Aluminiumanteil in einer Auto-Karosserie zu bestimmen. Dafür löst man ein Stück der Karosserie auf und misst darin die Aluminium-Konzentration. Zum Vergleich nimmt man eine Lösung aus einem Stück Metall mit bekanntem Aluminiumgehalt und misst diese ebenfalls. Meist sei das Kalibriermaterial gut, aber es wären auch Lösungen im Umlauf, beispielweise beim Magnesium, die eine Abweichung von bis zu vier Prozent aufweisen, weiß Heinrich Kipphardt von der BAM zu berichten. Es sei schon ein Unterschied, ob sich in einer Lösung eines Elementes 1000 Milligramm pro Liter (mg/L) oder 1040 mg/L befänden, sagt Kipphardt. Dementsprechend verfälscht würden die Ergebnisse. „Bei Legierungen für Supraleiter ist die Stöchiometrie schon sehr wichtig. Ob es 60 oder 60,5 Prozent sind, macht schon einen großen Unterschied“, erklärt Kipphardt.
Bei dem Projekt, an dem sich neun internationale Partner beteiligen, geht es deshalb nicht um einen neuen Weltrekord, einen Reinststoff herzustellen, gesucht wird vielmehr nach einer besseren Charakterisierung. „Wenn wir wissen wollen, wie viel Aluminium in einem ‚reinen‘ Aluminium-Material ist, dann messen wir die Summe aller Verunreinigungen“, sagt Kipphardt. Während man metallische Verunreinigungen noch relativ einfach bestimmen kann, sind die nichtmetallischen wie Sauerstoff und Stickstoff viel schwieriger zu ermitteln, und das obwohl gerade der Sauerstoff oft die Hauptverunreinigung ist.
Untersucht werden von der BAM insbesondere Aluminium, Magnesium und Zink. Zu den so genannten Leitelementen im Projekt gehören aber auch Molybdän und Rhodium. Aluminium und Magnesium sind in der Industrie für Leichtbaumaterialien von großer Bedeutung, spielen aber auch in der klinischen Chemie, zum Beispiel in der Diagnostik, eine Rolle. Rhodium ist ein wichtiges Edelmetall bei der chemischen Katalyse und wird zum Beispiel auch in Auto-Katalysatoren verwendet. Molybdän kommt in einer Vielzahl von Anwendungen vor, beispielsweise bei der Legierung von Stahl und auch bei Legierungen in der Luft- und Raumfahrt.
Die ausgewählten Elemente sind Vertreter einer Gruppe von Elementen mit ähnlichem Verhalten. Die Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass die zu entwickelnden Verfahren und Konzepte auch für andere Elemente anwendbar sind. Angestrebt wird eine Genauigkeit von 0,01 Prozent. Das Ziel sind internationale anerkannte Referenzmaterialien, von denen die Reinheit sehr gut bekannt ist, um damit zuverlässig und mit kleiner Unsicherheit kalibrieren zu können.
Dass das Forschungsprojekt international auch beachtet wird, macht die Liste der Partner und Organisationen deutlich, die direkt und indirekt in diesem Projekt mitarbeiten. Neben der BAM und der PTB sind dies sieben weitere Institute aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Rumänien, der Slowakei, Griechenland und Mexiko. Das Projekt läuft zunächst für 36 Monate.
Kontakt:
Dr. rer. nat. Heinrich Kipphardt
Abteilung 1 Analytische Chemie, Referenzmaterialien
E-Mail: heinrich.kipphardt(at)bam.de