Algorithmische Adleraugen
Bildverarbeiter ISRA VISION investiert im Technologiepark Adlershof
Die ISRA VISION Graphikon GmbH entwickelt und vertreibt optische Qualitätskontrollsysteme. Weltweit spüren diese in Photovoltaik- und Halbleiterfabriken zuverlässig Mängel und Fertigungsfehler auf. Die Inline-Systeme sind dem menschlichen Auge in Geschwindigkeit und Präzision weit überlegen. Seit einem Jahr arbeitet das Unternehmen im neuen Zentrum für Mikrosysteme und Materialien (ZMM). Jetzt hat die Konzernmutter ISRA VISION in Adlershof ein Grundstück gekauft und will bauen.
Die Lage ist dramatisch. Die Solarbranche schreibt tiefrote Zahlen. Erst im Frühjahr hat mit Bosch ein weiteres Schwergewicht vor Modulschwemme und Preisverfall kapituliert. Peter Handschack hat durch die Krise ebenfalls Kunden verloren. Doch der Geschäftsführer der ISRA VISION Graphikon GmbH (kurz ISRA VISION Solar) denkt nicht daran, den Kopf in den Sand zu stecken. „Wir sind mit unserer Konzernmutter einig, dass sich die Lage nach dieser heftigen Konsolidierungsphase verbessern wird“, sagt er. Wer überlebe, könne im bereinigten Photovoltaik-(PV-) Markt durchstarten. Genau das hat er vor.
Handschack ist mit Graphikon seit den Anfängen des PV-Booms im Geschäft. Mitte letzten Jahrzehnts begannen sich die Gewichte Richtung Ausland zu verschieben. „Als kleine Firma hätte uns die anstehende Internationalisierung überfordert. Entsprechend froh waren wir, mit ISRA VISION einen starken Partner zu finden“, berichtet er. Im Juli 2010 übernahm der Marktführer für industrielle Bildverarbeitung das auf optische Kontrollsysteme für PV-Fabriken spezialisierte Berliner Unternehmen.
„Die globalen Vertriebs- und Servicestrukturen von ISRA haben uns viele Türen geöffnet“, so Handschack. Jetzt in der Krise erweist sich die starke Muttergesellschaft erst recht als Hilfe. ISRA VISION ist in einem Dutzend Branchen aktiv. Tochter und Mutter arbeiten nicht nur in Forschung und Entwicklung eng zusammen, sondern bündeln auch im Projektgeschäft ihre Kräfte.
Generell ist optische Qualitätsüberwachung ein Wachstumsmarkt. Dabei werden Werkstücke beleuchtet, gefilmt und die Bilder dann von Algorithmen auf Abweichungen vom Soll hin analysiert. In Sekundenbruchteilen überwachen die Systeme in den Prozessketten moderner Fabriken, ob die Qualität stimmt. Solche Inline-Kontrolle spart viel Geld, da sie den Ausschuss minimiert und teuren Reklamationen vorbeugt.
Obwohl die Zeichen in der PV-Branche gerade nicht auf Neu- und Ausbau von Fabriken stehen, ist der Markt für die algorithmischen Adleraugen nicht tot. Um ihre Kosten zu senken, rüsten Hersteller Kontrollsysteme nach oder bringen die Bestehenden technisch auf den neuesten Stand. Nachvollziehbar. Denn Produktionsfehler können in der Branche richtig teuer werden. „Wenn beim Bedrucken der Solarzellen mit Silber etwas schiefläuft und das nicht sofort auffällt, wandern Hunderte Siliziumzellen samt Silber in den Müll“, erklärt Handschack. Weil die Materialien so zeit- und kostenintensiv sind, wird in PV-Fabriken jeder Prozessschritt inline kontrolliert: angefangen beim blanken Silizium-Wafer, über den Zuschnitt, Ätz-, Beschichtungs- und Druckverfahren bis zur Kontrolle der elektrischen Eigenschaften und der Modulmontage. Ein minimaler Zelldefekt kann ein ganzes Modul unbrauchbar machen.
Im Zusammenspiel aus jeweils angepasster Ausleuchtung und automatisierter Bildauswertung spüren die Systeme Brüche, Materialfehler, abweichende Beschichtungsdicken sowie Druck- und Montageungenauigkeiten auf. Wenn nötig im Sub-µm-Bereich. Hightech also, die in Adlershof das richtige Umfeld gefunden hat. „Wir sind froh, dass wir vor einem Jahr den Schritt aus dem Pankower Hinterhof ins ZMM gegangen sind“, sagt Handschack. Nicht nur weil der neue Firmensitz repräsentativer ist, sondern weil das Umfeld stimmt.
Gleich im ersten Jahr hat ISRA VISION Solar Projekte mit benachbarten PV-Firmen und Forschungsinstituten gestartet. Allerdings ging manches davon in der letzten Zeit jäh zu Ende – die Krise hat auch die Adlershofer Solarwirtschaft voll erwischt. Handschack erwartet, dass es bald wieder bergauf geht. Denn langfristig gebe es für die Photovoltaik Grund zum Optimismus: „Es gibt weltweit einen riesigen Bedarf. Aus unserer Sicht führt mittelfristig kein Weg an der Photovoltaik vorbei“, sagt Handschak. So sieht das auch die Konzernmutter, die in Adlershof auf Ausbau setzt. Ende Mai kaufte sie ein Grundstück hier im Technologiepark.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal