"10 Jahre IfG – Tradition und Zukunft"
Rede von Professor Dr.-Ing. Norbert Langhoff anlässlich des zehnjährigen Bestehens der IfG - Institut für Gerätebau GmbH
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
nochmals herzlich willkommen zu unserem Firmenjubiläum! Wir freuen uns und danken Ihnen, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Bei denjenigen, die gerne gekommen wären, aber aus persönlichen oder beruflichen Gründen absagen mussten, bedanken wir uns für die mündlichen und schriftlichen Glückwünsche. Es tut uns gut zu wissen, Förderer, Freunde und Kooperationspartner an unserer Seite zu haben.
Wir haben Sie eingeladen, um mit Ihnen nicht nur das Erreichte zu feiern, sondern auch einen Blick in die Zukunft zu werfen. Wir möchten uns bedanken für Ihre fördernde direkte oder indirekte Hilfe, Ihr Verständnis, Ihre Kooperationsbereitschaft, Ihre Kritik und das uns vermittelte Gefühl, zur Adlershofer Wissenschafts- und Technologie-Community zu gehören.
Sie, sehr geehrter Herr Diepgen, hatten seinerzeit als Regierender Bürgermeister mit viel persönlichem Einsatz dafür Sorge getragen, dass mit erheblichem finanziellen Aufwand trotz angespannter Finanzlage des Landes dieser integrierte Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Adlershof Wirklichkeit werden konnte und inzwischen auch im internationalen Vergleich beispielgebend ist. Um bei der Politik zu bleiben, möchte ich auch dem damaligen Staatssekretär Herrn Dr. Hans Kremendahl danken, der heute leider nicht zu uns kommen konnte. Dr. Kremendahl hat mit hohem persönlichen Engagement mitgeholfen, dass aus Visionen Realitäten entstehen konnten.
Anlässlich des diesjährigen Deutschen Ingenieurtages in Münster, an dem ich teilnehmen durfte, haben Sie, sehr verehrter Herr Professor Christ, als Präsident des Vereins Deutscher Ingenieure sehr deutliche Worte zur Situation der Technik und des Ingenieurberufes in Deutschland in Anwesenheit des Bundespräsidenten gefunden.
Unter dem Motto des Ingenieurtages "Zukunft inspiriert" führten Sie sinngemäß aus:
"Wir sehen das 21. Jahrhundert als das Jahrhundert der nachhaltigen Entwicklungen", und Sie haben neben den Schlüsseltechnologien Mikroelektronik, Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie auf die große Bedeutung der optischen Technologien für den Standort Deutschland verwiesen.
Deutsche Firmen halten heute einen Weltmarktanteil von 25 Prozent, im Bereich der Industrielaser von sogar 38 Prozent. Aber dieser Weltmarktanteil nimmt tendenziell ab. Dennoch: Die Unternehmen, die sich mit diesen Technologien beschäftigen, wachsen auch in Deutschland mehrheitlich mit zweistelligen Prozentzahlen. Der heutige Umsatz dieser Branche von weltweit 80 Milliarden Euro wird in den nächsten zehn Jahren auf 500 bis 800 Milliarden Euro ansteigen.
Auch hier prägen kleine und mittlere Unternehmen mit hoher Innovationskraft die Industriestruktur. Unternehmen in den neuen Bundesländern mischen kräftig mit. Auch hier, so dürfen wir Ihnen versichern, werden wir zukünftig nicht nur mit-, sondern uns auch kräftig einmischen – mit neuen Ideen und Produkten.
Derzeit sind 110.000 Menschen im Bereich Optische Technologien beschäftigt und den Unternehmen fehlen bereits 10.000 Fachkräfte. Die Lücke im Ingenieurbereich bringt den Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr. Forschung und Entwicklung geraten ins Stocken und zeitversetzt dann auch die Herstellung neuer Produkte und des Handels mit Ihnen.
Was ist zu tun?
Einer der Wege ist es, mehr Ingenieure und Ingenieurstudenten auch aus Ländern außerhalb der Europäischen Union ins Land zu holen. Es tobt ein weltweiter Kampf um Köpfe. Selbst China bietet eine Art Green Card an. Die wissenschaftlich-technische Dynamik in den USA wird von einem fast 50prozentigen Ausländeranteil getragen. Wir müssen in Deutschland attraktiv werden für Ausländer. Wie dies funktionieren kann, demonstrieren wir permanent.
Zurück nach Adlershof. Sie, sehr geehrter Herr Schmitz, haben als Geschäftsführer der WISTA-MANAGEMENT GMBH Anfang 2002 den Staffelstab von Professor Scharwächter übernommen und wie vor Ihnen Wolfgang Knifka und auch der viel zu früh verstorbene Ulrich Busch den Standtort mit geprägt. Sie verstehen sich im positiven Sinne als Dienstleister für die Institute und Unternehmen. Ihnen und allen Mitarbeitern der WISTA sei hiermit gleichfalls gedankt. In meinen Dank möchte ich ausdrücklich auch die Geschäftsführung des Innovations- und GründerZentrums (IGZ) sowie des Ost-West-KooperationsZentrums (OWZ), unsere Kollegen Dr. Florian Seiff und Dr. Gerhard Raetz sowie ihr Team einbinden. Dieses Team geht beispielhaft auf unsere Wünsche ein und bemüht sich ständig darum, uns optimale Arbeitsvoraussetzungen zu garantieren.
Aus Wissen Arbeit werden zu lassen, diese zu strukturieren und neue moderne Wirtschaftsstrukturen wachsen zu lassen, gehört zu den Aufgaben des Technologiebeauftragten des Landes Berlin. Sie, sehr geehrter Herr Professor Lichtfuß, und Ihr Vertreter in Adlershof, Herr Professor Däumichen, zählen zu den Förderern, die uns in oft nicht ganz einfachen Perioden kritisch begleitet und unterstützt haben.
Einen Teil unserer Leistungsfähigkeit beziehen wir aus unseren vielfältigen Kooperationsbeziehungen zu Unternehmen, die sich wie wir als "potente Zwerge" auf heiß umkämpften Märkten verstehen. Für diese Unternehmensnetzwerke steht neben den Firmen SPECTRO GmbH/Kleve mit den Herren Blades, Dr. Joachim Heckel, Herrn Klinger und Röntgenanalytik Apparatebau GmbH mit Dr. Michael Haschke beispielhaft die RÖNTEC Aktiengesellschaft und ihr Vorstand Herr Schülein sowie deren Aufsichtsratsvorsitzender Herr Dr. Abshagen. Sie beide folgen wie wir dem Grundsatz "Unternehmer sind die, die etwas unternehmen". Dies war auch, lieber Herr Dr. Abshagen, unser gemeinsames Motiv für die ADLERSHOFER GESPRÄCHE, die wir 1995 ins Leben riefen und die für mich sehr lehrreich waren.
Zu dem geworden zu sein, was wir heute sind, verdanken wir letztendlich unseren Mitarbeitern. Mir ist am Ende meines beruflichen Lebens etwas widerfahren, was ich Glück nennen möchte. Ich hatte und habe das Glück, von hochintelligenten und hochmotivierten Menschen, von Wissenschaftlern, Ingenieuren, Konstrukteuren und Anderen umgeben zu sein, die eine hervorragende Arbeit leisten. Die hohe Kreativität unseres Teams resultiert auch aus dem Umstand, dass wir seit Jahren russische Wissenschaftler und Ingenieure in unserer Mitte haben. Unterschiedliche Kulturen und Ausbildung, Sichtweisen auf unsere Welt, Eigenarten und Ausdrucksweisen der Sprachen – alles dies ist die Quelle stimulierender und erfolgreicher Arbeit. Die Herren Prof. Ivanov und Beloglazov sind die Träger dieser Partnerschaft. Auch ihnen möchte ich Dank sagen.
Der Wissenschafts- und Technologiepark Adlershof zählt neben Jena und Dresden bereits heute zu den technologischen Leuchttürmen in den neuen Bundesländern. Adlershof ist auf dem Wege, auch international zu einer erstklassigen High-Tech-Adresse zu werden. Wir empfinden Stolz auf das Geschaffene, auf die neuen Gebäude, die moderne Architektur, die wissenschaftliche und technologische Infrastruktur und die sich zunehmend stärker ausprägende Verflechtung zwischen den Forschungsinstituten und den Unternehmen. Wer das Gelände von früher her noch kennt, wer weiß, unter welchen Bedingungen hier geforscht und gelehrt wurde, kann einschätzen, welche großartige Aufbauarbeit geleistet wurde. Wir sind dankbar für die Möglichkeit, uns in diesen Werdungsprozess einbringen zu können.
Die Wettbewerbsfähigkeit eines rohstoffarmen Industriestaates wie Deutschland wird künftig verstärkt davon abhängen, ob und wie es gelingt, die Transferprozesse von Forschungsergebnissen in die industrielle Verwertung hinsichtlich der Qualität und Zeit optimal zu gestalten. An dieser Front werden die grundlegenden Probleme unserer Gesellschaft, wie Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, soziales und Gesundheitssystem, Stabilität der Rente und letztlich die politische Stabilität unserer Demokratie entschieden.
Was also ist zu tun?
Lassen Sie uns die Chance, die Adlershof bietet, nutzen.
Auf einer Podiumsdiskussion Anfang Dezember letzten Jahres stritten wir hier in Adlershof über Erfahrungen und Traditionen der Akademie der Wissenschaften der DDR, die noch heute eine hohe Aktualität besitzen. Dazu zählen zweifellos die Erfahrungen, die wir im Zentrum für wissenschaftlichen Gerätebau bei der Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten gewonnen haben. Diese Prozesse und deren Spezifik zu verstehen, hat eine eminente Bedeutung bis auf den heutigen Tag. Immerhin leitete ich diesen für die Forschung in der DDR so eminent wichtigen technologieorientierten Bereich über 20 Jahre.
Die Aufgabenstellung und Größe des einstigen Zentrums für wissenschaftlichen Gerätebau (ZWG) der Akademie der Wissenschaften der DDR mit immerhin 1.700 Mitarbeitern ist nur zu verstehen, wenn man sich an die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen dieser Jahre erinnert. Die letzten privatwirtschaftlich geführten kleinen und mittleren Unternehmen wurden Anfang der siebziger Jahre verstaatlicht und überwiegend den großen Kombinaten zugeordnet. Das spezifische Know-how, die Flexibilität und damit eine der wichtigen Lieferquellen für Forschungstechnik gingen verloren. Devisen, um die notwendigen Importe zu tätigen, standen nur in einem sehr geringen Umfang zur Verfügung. Sie erinnern sich, sehr geehrter Herr Dr. Ulbricht, wie viel Zeit wir gemeinsam in der von Professor Kriegsmann geleiteten Kommission, die den Auftrag hatte, Importentscheidungen vorzubereiten, vertan haben.
Der einzige Ausweg aus dieser Situation bestand darin, aus dieser Not eine Tugend zu machen, die Potenziale des wissenschaftlichen Gerätebaus auszubauen und die Zusammenarbeit mit der Forschung zu intensivieren.
Es ist uns trotz beachtlicher Ergebnisse zu keiner Zeit gelungen, die Vielfalt der Angebote und die Leistungsfähigkeit der bundesdeutschen gerätebauenden Industrie zu erreichen. Dies hatte vielfältige negative Auswirkungen auf die Grundlagen- und angewandte Forschung in der DDR und damit nicht zuletzt auch auf die Konkurrenzfähigkeit der Industrie auf westlichen Märkten.
Im Zeitraum von 1970 bis 1989 gelang es dennoch, den Umsatz an wissenschaftlichen Geräten von fünf Millionen auf fast 500 Millionen DDR-Mark zu steigern. Als Quasi-Monopolist war der Absatz quasi eine buchhalterische Aufgabe nach einem vorgegebenen Proporz. Unser Beispiel – wie das der meisten DDR-Kombinate – zeigt, welche negativen Folgen für die Konkurrenzfähigkeit der fehlende Wettbewerb und ein funktionierender Markt als Scharfrichter letztlich spielen.
Auf der positiven Seite stehen demgegenüber tragfähige mittelfristige Projekte und Produktideen, die nach der Wiedervereinigung beim Neubeginn die Grundlage für über 20 Ausgründungen bildeten. Beispielhaft stehen dafür solche Unternehmen wie Lasertechnik Berlin GmbH, Herr Dr. Scholz; Laser-Labor Adlershof e. V., Herr Dr. Lucht; Feinwerk- und Messtechnik GmbH, Herr Drewitz oder SENTECH Instruments GmbH, Herr Dr. Krüger.
Die Erforschung des Machbaren war aber nicht nur in der DDR mühevoll und mit Verzicht verbunden. Dabei geht es um die Lösung des Widerspruchs zwischen dem, was die Natur uns zu geben bereit ist und dem, was der Mensch braucht, um die Auseinandersetzung mit den Traditionen der Praxis, die partnerschaftliche und kreative Überwindung dessen, was sich scheinbar bewährt hat. Wer in Deutschland in der öffentlich-rechtlichen Wissenschaftslandschaft eine Karriere anstrebt, für den ist Zeit kostbar. Es gilt das Prinzip "publish or perish!". Kontakte mit der Industrie knüpfen und eine nachfrageorientierte Forschung aufbauen oder um Begeisterung für eine innovative Idee werben, das führt oft weg vom Königsweg.
Für die Industrie andererseits ist die Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten häufig nur dann von Interesse, wenn möglichst risikolos Ergebnisse übernommen werden können, die eine garantiert hohe Wertschöpfung erwarten lassen.
Als ich, meine Damen und Herren, zehn Jahre alt wurde, versank 1945 das „Tausendjährige Reich“ in Schutt und Asche. Ich überlebte.
Als ich 55 wurde, wurde nach lang andauernder Agonie des Versuchs zum Aufbau eines alternativen Gesellschaftsmodells in Deutschland offenkundig. Ich überlebte – mit Blessuren.
Die Frage, die sich mir wie vielen Millionen Bürgern der in Auflösung befindlichen DDR stellt, war: Was nun? Sollte ich die neuen Chancen als Herausforderung begreifen und annehmen oder aus einer mehr oder weniger guten sozialen Deckung heraus über Gott und die Ungerechtigkeiten dieser Welt lamentieren?
Ich habe mich für die erste Variante entschieden, um gegenüber mir selbst und Anderen unsere Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit auch unter den Bedingungen der Marktwirtschaft unter Beweis zu stellen. Dabei spielt vor allem auch ein Motiv eine herausragende Rolle: Ich möchte mich nicht ein drittes Mal im nunmehr vereinten Deutschland auf der Seite der Verlierer wiederfinden.
Die Welt hatte sich 1989/90 für uns ganz grundsätzlich verändert, das 40 Jahre gewachsene persönliche, berufliche, politische und soziale Umfeld existierte im Prinzip nicht mehr. Das einzige, was uns blieb, war das berufliche wissenschaftliche und technische Wissen und die Erfahrung. Wie sich jedoch sehr bald herausstellte, war dies intellektuelle Potenzial – gepaart mit dem Willen, sich zu behaupten – entscheidend. Dies war zweifellos eine wichtige, aber bei weitem nicht hinreichende Voraussetzung, einen Neuanfang zu wagen. Es fehlten das Kapital und was noch viel wichtiger war, die Einbindung in das bundesdeutsche bzw. internationale wissenschaftliche und kommerzielle Netzwerk.
Das für die Gründung eines privatwirtschaftlich geführten Forschungs- und Entwicklungsunternehmens erforderliche Startkapital haben wir mit Hilfe einer bereits 1990 gegründeten Technologie-Consulting-Firma verdient und daher erst am 5. Juli 1993 das Institut für Gerätebau als GmbH aus der Taufe gehoben. Erst dieses Eigenkapital öffnete uns die Türen der Banken und den Zugang zu Förderprogrammen. Hier war mein Alter als Jungunternehmer mit 58 Jahren eine echte Hürde. Es kostete mich erhebliche Überwindung und Selbstbeherrschung, von jungen Unternehmensberatern und Firmenkundenbetreuern einer Bank darüber belehrt zu werden, was unsere Welt im Innersten zusammenhält. Ich habe dabei gelernt, in existenziellen Fragen auf keinen Fall vom Wohlwollen einer Bank abhängig zu werden. Und dies ist uns auch bis heute ganz gut gelungen.
Es wäre allerdings nur die halbe Wahrheit, wenn ich heute nicht auf die helfende finanzielle Unterstützung durch das Land Berlin und den Bund zu sprechen käme. Das Berliner FIT-Programm half uns, die Grundausstattung für das Institut zu kaufen, die Programme des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, des Bundeswirtschaftsministeriums sowie der Stiftung Industrieforschung eröffneten uns die Chance, über Projektanträge eine 50prozentige Förderung für Produkte und Verfahrensentwicklungen zu erhalten. Ohne diese politisch gewollten und auch realisierten Rahmenbedingungen würde es uns heute nicht geben und damit auch nicht diese Geburtstagsfeier.
Das Institut für Gerätebau wurde mit zunächst drei Mitarbeitern gegründet. Unter Berücksichtigung von inzwischen erfolgten Ausgründungen, wie beispielweise des IAP - Institut für angewandte Photonik e. V., sind es nunmehr 30 Mitarbeiter. Bezieht man die nach außen vergebenen Aufträge ein, so haben wir in den zurückliegenden zehn Jahren rund 50 Arbeitsplätze neu geschaffen und gesichert. Der Umsatz hat sich in diesem Zeitraum vervielfacht, der Anteil von Fördermitteln ist von ursprünglich ca. 50 Prozent auf unter 25 Prozent gesunken. Dieser Anteil muss allerdings aufrecht erhalten werden, wenn wir auch zukünftig an der vordersten Front des technischen Fortschritts mitmarschieren wollen. Diese Fördermittel sind Investitionen in die Zukunft und nicht – wie fälschlicherweise oft behauptet wird – Subventionen. Die von uns jährlich erwirtschafteten Gewinne werden nicht an die Gesellschafter ausgezahlt, sondern in Ausrüstungen und neue Arbeitsplätze reinvestiert. Nur so ist Wachstum zu initiieren.
Der entscheidende Faktor allerdings, der über Erfolg und Misserfolg entscheidet, sind unsere Mitarbeiter, deren Kompetenz und Leistungsbereitschaft. Wir verfügen nicht nur über hochqualifizierte Wissenschaftler und Ingenieure, sondern auch über eine gesunde Mischung älterer und jüngerer Mitarbeiter. Es ist geradezu grotesk, dass unsere Gesellschaft es als normal empfindet, Menschen jenseits des 50. Lebensjahres aus dem Arbeitsprozess ausscheiden zu lassen. Welche Vergeudung an intellektuellem Reichtum und welche Missachtung der zukünftigen demographischen Entwicklung!
Um in der Unternehmensbezeichnung die Merkmale unserer Tätigkeit besser zu reflektieren und – ich tue das aus einer gewissen Tradition heraus – haben wir uns erlaubt, den Namen zu erweitern, so dass wir zukünftig bei Beibehaltung des Logos und der Kurzbezeichnung als IfG - Institut für wissenschaftlichen Gerätebau GmbH firmieren wollen. Damit soll noch deutlicher der Schwerpunkt unserer Tätigkeit an der sensiblen Schnittstelle zwischen Forschung und industrieller Anwendung – letztlich des Marktes – zum Ausdruck gebracht werden.
Ich erinnere mich an viele Grundsatzdiskussionen mit Ihnen, Herr Durand, von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, zur Technologie- und Innovationspolitik, zur Effizienz von Förderungen sowie zu unseren ganz unterschiedlichen Berufserfahrungen. Die Unterschiede in unseren Biographien haben nicht wenige Ost-West-Probleme deutlich werden lassen. Zu keiner Zeit bestand jedoch gegenseitig das Gefühl, dass die inzwischen gefallene Mauer in unseren Köpfen fortbestand. Mir gefällt, dass dieser Disput bis zum heutigen Tage anhält und wir werden am Montag eine weitere Gelegenheit haben, gemeinsam mit Ihrem Staatssekretär Volkmar Strauch die Diskussion fortzusetzen.
Aus einer Idee Produkte werden zu lassen und damit Arbeit und Arbeitsplätze, ist eine große Herausforderung. Die Idee, Röntgenlicht mit Hilfe von Glaskapillaren verlustarm bei Beachtung unterschiedlicher physikalischer und geometrischer Bedingungen zu leiten, die bereits Mitte der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts vom Physiker Felix Jentsch in Jena erstmalig vorgestellt und von anderen wie Professor Muradin Khumakov in Moskau in den siebziger Jahren aufgegriffen und zu Polykapillarsystemen weiter entwickelt wurde, hat sich als tragfähig und kommerziell verwertbar erwiesen. Wir haben rund fünf Jahre benötigt, um die Chancen und Grenzen dieser Innovation auszuloten sowie die Grundlagen für eine neue Generation von Geräten für die Röntgenstoff- und Strukturanalytik, insbesondere für den Einsatz im prozessnahen Bereich zu legen.
Dies wäre ohne die gleichzeitige Entwicklung von Anlagen und Verfahren zur Herstellung von nano- und mikrostrukturiertem Glas als Fertigungsbasis nicht möglich gewesen. Hier hat uns die Kooperation mit unseren Kollegen aus dem russischen Saratov sehr geholfen. Mit deren über viele Jahre akkumuliertem Know-how haben wir es geschafft, in sehr kurzer Zeit diese Technologie in Adlershof anzusiedeln. Dies ist ein lebendiges positives Beispiel für den Technologietransfer "über Köpfe".
Preforms aus mehreren Millionen paralleler Glaskapillaren mit Innendurchmessern und Wandstärken im Nanometerbereich und Längen bis zu 1 m herstellen zu können, eröffnen über die Röntgenphysik hinaus vielfache Anwendungen in der Optik. Zweidimensionale photonische Kristalle sind nur eine der möglichen Applikationen. Sie eröffnen ein weites Feld für neue Ideen und Produkte. Hier stehen wir ganz am Anfang, aber mit großen Erwartungen. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, welche Nachhaltigkeit in Bezug auf neue Produkte und Märkte von Basistechnologien ausgehen.
Ein weiteres in die Zukunft projiziertes Aufgabengebiet sind die zeit- und ortsaufgelösten Röntgenspektroskopie und Röntgendiffraktometrie-Methoden. Ich spreche von einer Strukturanalytik mit Nanoauflösung hinsichtlich der Geometrie und einer Femtosekundenauflösung hinsichtlich der Zeitdynamik. Es eröffnen sich faszinierende Perspektiven. Einblicke in Energietransferprozesse innerhalb des Atoms gemäß der Devise "With X-rays in the world of atoms".
Worüber ich spreche, sind keine Visionen oder Wunschträume. Sie resultieren vielmehr aus den realen Bedingungen dieses Standortes, der in der Tat eine "Region of Excellence" in Bezug auf unser Fachgebiet in Europa und weltweit ist. Mit BESSY II, dem Max-Born-Institut, der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, der Technischen Universität Berlin, dem Institut für angewandte Photonik sowie den Unternehmen Röntec, Röntgenanalytik, Astro- und Feinwerktechnik ist ein Netzwerk entstanden, das die methodische Forschung, die Applikation und den Gerätebau vereint.
Dahinter stehen Zukunftsmärkte in einem beträchtlichen Umfang. Unsere vornehmliche Aufgabe muss es sein, zu den ersten auf diesen Märkten zu zählen und die Prozesse in diesem Forschungs- und Unternehmensverbund optimal zu gestalten. Den Rahmen für diesen Verbund bietet uns die von sechs Instituten und fünf Unternehmen erarbeitete Roadmap für die Röntgenstoff- und Strukturanalytik sowie der in der Diskussion befindliche Aufbau eines Zentrums für röntgenoptische Systeme als virtuelle Fabrik, die über die Herstellung und den Vertrieb von Röntgenkapillaroptiken hinaus auch Fresnel-, Fresnel-Bragg-, Graphitoptiken u. a. umfassen. Neue Röntgenlaser und Röntgendetektoren, bei denen ebenfalls durch Adlershofer Institute und Unternehmen internationale Spitzenpositionen eingenommen werden, runden das Bild ab.
Sie sehen, es gibt noch viel zu tun. Wir packen es an.
Ich habe, meine sehr geehrten Damen und Herren, von dieser Stelle in diesem Saal über fast 30 Jahre die Gelegenheit gehabt, aus unterschiedlichen Anlässen zu sprechen. Dabei politische und fachliche Bekenntnisse abgelegt, gelegentlich auch Irrtümer und Fehler eingestehen müssen, mich 1990 dem Votum der Mitarbeiter des Zentrums für wissenschaftlichen Gerätebau stellen müssen. Ich habe in all diesen Jahren gelernt, dass die Achtung Andersdenkender, die Vielfalt politischer, religiöser und kultureller Meinungen das Leben bereichert und interessant gestaltet.
Es war daher eine weitere, leider traurige Erfahrung, im Zuge der deutschen Wiedervereinigung erleben zu müssen, wie leichtfertig mit intellektuellem Potential, mit Wissenschaftlern und Ingenieuren und anderen Fachleuten verfahren wurde. Vom Ideenpotential vom akkumulierten Wissen, von funktionierenden Forschungs- und Entwicklungsteams lebt unser rohstoffarmes Land und muss sich im globalen Wettbewerb behaupten. Wir haben viele Chancen vertan – auch für unsere Stadt. Aber das ist Geschichte. Es macht auch keinen Sinn, über Gewesenes zu richten, Zeit zu vergeuden, wenn man sich wie wir aufgemacht hat, unsere Zukunft zu gestalten.
Glücklicherweise haben wir Vieles bewahren können, was noch heute die Adlershofer Wissenschafts- und Wirtschaftslandschaft prägt. Wir verfügen in Adlershof über viele Voraussetzungen, um beispielgebende Modelle an praktischen Beispielen zu erproben. Lassen Sie uns das in einem noch breiteren Umfang, als wir dies für die Röntgenanalytik bereits tun, versuchen.
Bei diesen Ausführungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, möchte ich es bewenden lassen. Zehn Jahre IfG: Das ist ein Grund zum Feiern und deshalb sind wir ja alle zusammen gekommen. Ich wünsche Ihnen und uns einen erfreulichen Tag, viele interessante Gespräche. Ich wünsche uns, dass wir in zehn Jahren hier wieder zusammenkommen, um das 20jährige Jubiläum eines qualitativ und quantitativ gewachsenen Unternehmens feiern zu können.
Ich möchte mit einem Satz von Albert Einstein schließen: "Die Zukunft interessiert mich mehr als die Vergangenheit, denn in der gedenke ich zu leben."