Page 6 - Adlershof Journal Juli/August 2017
P. 6
TITELTHEMA
AUFWIND
für Adlershofer Azubis
Bald startet das neue Ausbildungsjahr. Zeit, bei Adlershofer Unternehmen
nachzufragen, wie sie ihren Nachwuchs gewinnen, welche Qualifikationen
gefragt sind und ob es genügend qualifizierte Azubis gibt? Ida Berg, angehende Mikrotechnologin bei AEMtec, ist im 2. Lehrjahr
außerbetrieblichen Aktivitäten sowie Messeständen ist es nicht dungsstart im September lagen im Frühjahr bereits 30 Bewer-
leicht, geeignete Bewerber zu finden“, berichtet Kunze. Zumal bungen für die Ausbildung zum Mikrotechnologen vor. Die
Es hat sich etwas gedreht, doch eine Wende ist nicht in Sicht. das Berufsbild des Mikrotechnologen kaum bekannt sei. „Hinzu- Anwärter sind junge Menschen mit mittlerer Reife, Fachabitur,
Vor Jahren rumpelte es für viele Schulabgänger beim Start ins kommen vermehrt schlechte schulische Noten und mangelndes Abitur, abgebrochenem Studium und abgeschlossenem Studi-
Berufsleben, weil es schlicht an Ausbildungsplätzen mangelte. Vorwissen in den MINT-Fächern“, bedauert er. um. Wobei Letzteres nicht immer von Vorteil sein muss. Kunze:
Mittlerweile sucht manches Unternehmen fast schon verzwei- „In der Berufsschule kann es vorkommen, dass die studierten
felt nach motiviertem Nachwuchs. Auch Adlershofer Unterneh- „Nachwuchs zu finden ist nicht ganz einfach, aber möglich“, sagt Azubis einen Wissensvorteil haben, sich daher langweilen oder
men haben einschlägige Erfahrungen gemacht. Ahlberg. Er bestärkt zweifelnde junge Leute, sich zu bewerben: mit den Lehrern Diskussionen führen, denen die anderen Schü-
„Gerade jenen, die vielleicht keinen ganz klassischen Lebenslauf ler nicht folgen können.“ Dennoch ist diese Gruppe bei AEMtec
Mario Ahlberg, geschäftsführender Inhaber der Ahlberg Metall- vorweisen können, bietet der Mittelstand gute Möglichkeiten, wie auch den anderen Firmen auf dem Campus gern gesehen.
technik, konnte im vergangenen Jahr immerhin fünf Azubis für weil Individualität anerkannt und geschätzt wird.“ Preikscheit: „Wir sind offen für alles. Der Bildungsgrad spielt nur
die Ausbildung zum Werkzeugmechaniker, Zerspanungsme- zweitrangig eine Rolle. Die Person an sich ist das Relevante: Der
chaniker und Mechatroniker gewinnen. Doch die Aufgabe wird Auch bei weniger spezialisierten Tätigkeitsfeldern kann es kniff- Mensch muss zum Team passen.“ Bei Mediatec trudeln auf eine
schwieriger: „Die Jahrgänge, die die Schulen verlassen, werden lig werden, gute Aspiranten zu finden. Benjamin Preikscheit Stelle zwischen fünf und zehn Bewerbungen ein, meist von jun-
kleiner, gleichzeitig streben immer mehr junge Menschen eine von der Mediatec GmbH, einer Firma für Licht-, Bühnen- und gen Männern zwischen 16 und 23 Jahren. cl
universitäre Ausbildung an“, sagt Ahlberg. „Doch gerade für mit- Showservice, sagt: „Interessierte Menschen zu finden sehe ich
telständische Unternehmen sind Auszubildende die Fachkräfte als Kernproblem.“ Ausbilder Preikscheit stimmt keinesfalls die
von morgen.“ Klage Älterer an, die davon künden, dass früher alles besser war.
Er selber ist 26 Jahre alt und sagt: „Ich finde, dass ein Großteil
Thomas Kunze, Ausbilder und Teamleiter bei der AEMtec GmbH, der 17- bis 21-Jährigen schwerer zu motivieren ist.“ Preikscheit
führt auch den demografischen Wandel, der zu massenweisen begründet das mit Versäumnissen in der Schule: „Die Schüler
Verrentungen in den nächsten Jahren führt, sowie die soziale werden eher mangelhaft auf das Berufsleben vorbereitet. Hinzu
Verantwortung seiner Firma ins Feld. AEMtec bildet natürlich kommt, dass sehr viele nichts mit sich anfangen können, über-
auch aus, um sich „Facharbeiter mit sehr speziellen Kenntnis- fordert sind mit dem Angebot auf dem Markt und den Pflichten,
sen zu sichern“, sagt Kunze. Er schätzt die nach ihrer Ausbildung die auf sie zukommen.“ Die Erfahrungen, die Mediatec derzeit
übernommenen Azubis sehr: „Das sind bei uns die flexibelsten sammelt, sind wenig berauschend: „Wir empfinden 90 Prozent
Mitarbeiter, sie kennen alle Prozesse.“ der Praktikanten und Interessierten auf einen Ausbildungsplatz
als sehr desinteressiert und desorientiert.“ Ein Umstand, den
AEMtec stellt pro Jahr mindestens drei Ausbildungsplätze für auch befreundete Firmen beklagen, berichtet Preikscheit. Was
Mikrotechnologen bereit sowie alle drei Jahre jeweils einen zur er von Azubis erwartet sind vor allem Zuverlässigkeit, Interesse
Fachkraft für Lagerlogistik und zum Industriekaufmann sowie und Lernbereitschaft.
einen dualen Studenten für industrielle Elektrotechnik. Gesucht
sind Männer und Frauen, betont Kunze. Auch Thomas Kunze von AEMtec hat konkrete Vorstellungen:
„Mindestens ein mittlerer Schulabschluss mit guten Noten in
Ist es schwer, geeigneten Nachwuchs zu finden? „Ja. Das Mathe, Physik, Chemie und Englisch. Interesse an Technik und
gilt besonders für weiblichen Nachwuchs: Trotz Girls‘Day, Feinmotorik sind ebenfalls wünschenswert.“ Über mangelnde
Mario Ahlberg ermuntert junge Menschen, sich für eine Ausbildung zu bewerben Mädchen-Technik-Kongress, Girls‘Day-Akademie und weiteren Nachfrage kann Kunze jedenfalls nicht klagen: Für den Ausbil- Beleuchter Marcus Wenk (l.) und Azubi Christopher Arndt von Mediatec bei der Arbeit
6 Adlershof Journal | Juli_August 2017 Adlershof Journal | Juli_August 2017 7