CAMPUS
Hurra, ich lebe noch!
HU-Psychologe Benedikt Reuter gibt Tipps gegen Flugangst
Der Sitz ist eingenommen, der Sicherheitsgurt angelegt. Doch die Hände umgreifen verkrampft die Armlehnen. Was hat dieses merkwürdige Rauschen zu bedeuten? Warum eilt die Stewardess mit besorgter Miene ins Cockpit? Und dann noch dieser Mittelsitz – da kommt man doch überhaupt nicht raus, wenn etwas passiert!
Viele Menschen kennen solche Gedanken. Laut einer Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach leiden etwa 15 Prozent aller Menschen unter Flugangst. Manche reagieren darauf, indem sie einfach nie fliegen; andere hingegen, die beruflich mobil sein müssen, betreten regelmäßig mit weichen Knien, flauem Magen und feuchten Händen die Kabine. „Die Flugangst zählt zu den spezifischen Phobien“, erklärt Benedikt Reuter, Psychologischer Psychotherapeut und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschulambulanz des Instituts für Psychologie der Humboldt-Universität. Sie kann aber auch als Teil einer Agoraphobie auftreten. Unter Agoraphobie verstehen die Fachleute eine starke Angst vor Orten und Situationen, in denen Flucht schwer möglich ist – beispielsweise Aufzug oder eben Flugzeug.
Vermeidungsstrategien lösen das Problem nicht
In Internetforen und Zeitungsartikeln finden sich zahlreiche Tipps für von Flugangst geplagte Zeitgenossen. So wird etwa empfohlen, einen Gangplatz zu wählen, sich mit Hörbüchern abzulenken oder das Kabinenpersonal vorab über seine Angst zu informieren. Alle diese Maßnahmen können durchaus dazu beitragen, mit der Flugangst umzugehen, sagt Benedikt Reuter. Das eigentliche Problem lösen sie nach seinen Worten jedoch nicht. „Denn es handelt sich um Vermeidungsstrategien, die eingesetzt werden, um sich nicht mit seiner Angst zu konfrontieren.“
Angst aushalten lernen
Hilft es denn, sich mit den Fakten rund ums Fliegen vertraut zu machen und beispielsweise zu erfahren, dass ein Flugzeug selbst in schweren Turbulenzen nicht abstürzt? „Die rationale Ebene ist eine wichtige Voraussetzung, um die Angst zu bewältigen“, sagt Reuter dazu. „Aber in der Regel reicht es nicht, sich mit den Fakten auseinanderzusetzen.“ Vielmehr müssen Betroffene einen entscheidenden Schritt weitergehen und das Problem an der Wurzel packen: „Sie müssen die gefürchtete Situation aufsuchen und die Angst aushalten lernen“, erklärt Reuter. Dann nämlich stellt der Patient fest, dass das befürchtete Ereignis – also etwa der Flugzeugabsturz – gar nicht eintritt und die Angstsymptome auch ohne Vermeidungsstrategien abklingen.
Als „Exposition in vivo“ bezeichnet die Verhaltenstherapie diesen Ansatz. Eine andere Möglichkeit ist die „Exposition in sensu“, bei der die gefürchtete Situation lediglich in Gedanken aufgesucht wird. „Das Training im Flugsimulator zeitigt durchaus Erfolge“, sagt Reuter. „Noch wirkungsvoller ist es aber, unter professioneller Anleitung real zu fliegen.“ Diese Möglichkeit bietet die Lufthansa mit Wochenendseminaren, auf deren Programm auch ein innerdeutscher Hin- und Rückflug steht. In Berlin bekommen Betroffene beispielsweise beim Zentrum für Psychotherapie der Humboldt-Universität verhaltenstherapeutische Hilfe.