Page 12 - Adlershof Journal September/Oktober 2017
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NACHGEFRAGTCHGEFRAGT GRÜNDER
Martin Regehly hat den Schnellzug seines Lebens Start-up baut Brücken nach Indien
gestoppt. Als 20-Jähriger „Jugend forscht”-Preisträger,
mit 29 Jahren Firmengründer, jetzt, mit 39, ein Neustart
als Hochschulprofessor. Warum der Perspektivwechsel
vom Unternehmer zum Dozenten? Er braucht mehr Zeit, Im Mai 2017 hat Markus Wiencke mit seinem Unternehmen Bluebilities
um das Leben zu spüren und nicht nur an sich vorbei- ein Büro im Adlershofer Gründerzentrum (OWZ) bezogen. Sein Ziel: Indische
ziehen zu lassen. Absolventen der MINT-Fächer – also aus Mathematik, Informatik, Natur-
wissenschaften und Technik – mit deutschen Unternehmen zusammenzu-
bringen und Kooperationen zwischen Indien und Deutschland aufzubauen.
Vom Jungunternehmer Indien und Deutschland, da geht doch
was, findet der studierte Ethnologe und
zum Hochschulprofessor promovierte Psychologe Markus Wiencke.
Als Rucksacktourist war er das erste Mal
1999 dort, als Doktorand zuletzt 2010.
„Mich interessiert die Brücke zwischen
Deutschland und den Schwellenländern.
Martin Regehly, promovierter Physiker, Jahrgang 1978, sagt, Indien ist neben China ein Land, das die
sein Traum ist in Erfüllung gegangen. Mit Forschungserfahrungen Welt zukünftig mitprägen wird“, erzählt
am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin Wiencke. „Indien fasziniert mich, weil es
und am Laboratory for Atmospheric and Space Science (LASP) in so vielfältig ist; die verschiedenen Spra-
Boulder (Colorado) im Gepäck gründete er zusammen mit dem Abschied von Adlershof: Martin Regehly ist jetzt Physikprofessor an der TH Brandenburg chen, die Religionen. Anders als in Afrika
Informatiker Michael Menz im Jahr 2007 die greateyes GmbH in ist Indien nicht so stark durch die Europä-
Adlershof. Große Augen – der Firmenname ist Programm. Das aufbauen“, so Regehly. Zunächst einmal ist er absorbiert, um er geprägt. Einfach spannend.“
Spin-off der Humboldt-Universität zu Berlin stellt hochauflösen- den Studierenden eine interessante und lebendige Ausbildung
Indien zählt 1,3 Milliarden Einwohner,
de digitale Spezialkameras her. Sie kommen als präzise Detekto- zu bieten. Aber dann kommt auch Forschungstätigkeit hinzu.
ren für vielfältige Anwendungen im Bereich der Bildgebung oder „Die Arbeitsbelastung ist ähnlich, aber der Druck projiziert sich davon die Hälfte unter 25 Jahre. Wiencke
fiel auf, dass Deutschland in Indien ziem-
Spektroskopie in Industrie und Forschung zum Einsatz. Damit nicht in die Freizeit“, so Regehly. Um die Arbeitswege kurz zu
lich präsent ist. So werden an der Hoch-
lassen sich etwa Fehler in Wafern, Solarzellen und -modulen auf- halten, zog er mit seiner Familie auch nach Brandenburg.
schule deutsche Klassiker gelehrt: Kant,
spüren. Greateyes wurde so zum „Shooting Star“, heimste für das
völlig neue Prüfverfahren für Solarzellen im Jahr 2010 den Innova- Und sein Baby greateyes? „Ich habe lange überlegt, was hinter- Habermas. „Es gibt dort ein positives Bild Indienkenner Markus Wiencke
tionspreis Berlin-Brandenburg ein und machte sich auch interna- lasse ich, wenn ich aufhöre“, sagt er rückblickend. Er entschied von Deutschland, und umgekehrt ist das Brexit immer mehr Inder, die in Deutsch- Rechnen soll sich das Ganze über die
tional einen Namen. sich für den Verkauf von greateyes an ein mittelständisches auch so.“ Das sei nicht nur ein kultureller
Unternehmen aus Adlershof. Seine Bedingungen: Beschäfti- Aspekt. land studieren. Bevorzugt MINT-Fächer. Vermittlungsprovision, die die Unterneh-
Fortan jettete Martin Regehly um die Welt, um die Kameras zu gungsgarantie für die Mitarbeiter und der Firmensitz sollte im Fast 14.000 waren es im vergangenen men bei Erfolg bezahlen sowie monatli-
Besonders wirbt Indien um den deut- Jahr. che Servicegebühren. Die Firmen sparen
verkaufen. Das Unternehmen wuchs von den zwei Gründern Technologiepark bleiben. „Adlershof ist einfach ein fantastischer
schen Mittelstand. Deutsche Ingenieurs- im Gegenzug teure Assessment-Center
auf heute 15 Mitarbeiter an, der Umsatz stieg. Der Preis für den Standort“, ist er überzeugt und ergänzt: „Ich möchte mich bei
kunst wird dort sehr geschätzt. Deshalb Markus Wiencke wollte schon länger und die kostenaufwendige Vorauswahl.
Unternehmenserfolg: Auch der Druck auf den Manager Regehly allen Partnern, Kollegen und Freunden aus Adlershof für die letz-
nahm stetig zu. Für seine Leidenschaft, selbst im Entwicklerlabor ten zehn Jahre bedanken.“ Vor dem Interview hat er die ehema- studieren die meisten Inder, die nach ein eigenes Unternehmen gründen. Die Bluebilities will sich auch um die soge-
Deutschland kommen, IT und Ingenieurs- Idee einer Brücke zwischen Indien und nannte Blaue Karte EU kümmern, die
an neuen Ideen zu tüfteln, blieb immer weniger Zeit. Stattdessen ligen Kollegen besucht. „Dem Unternehmen geht es gut.“ Stolz,
wissenschaften. In den letzten Mona- Deutschland erschien ihm dafür span- Asiaten brauchen, um in Europa arbeiten
bestimmten Kundenakquise, Geschäftsabschlüsse forcieren, für greateyes ins Laufen gebracht zu haben, aber auch Wehmut we-
Liquidität sorgen, administrative Aufgaben sein Tagesgeschäft. gen des Abschieds klingen in seiner Stimme mit. „Ich bin eher ten gab es auch Kooperationsgespräche nend. Eine Jobbörse für chinesische Ab- zu können. Wiencke möchte Coaching-
zwischen den Ländern, unter anderem zur solventen gibt es schon. Für Indien will und Mentoringprogramme anbieten,
Auch am Wochenende kreisten seine Gedanken um die Firma. Der Physiker als Manager“, resümiert er.
Stress zerrte an seiner Gesundheit. Er brauchte mehr Freiraum, Cyber-Politik. Denn Bangalore in Indien der Mann mit Firmensitz in Adlershof der Bewerbungsgespräche vorbereiten und
um sich um seine Familie zu kümmern. Regehly sieht seine Stärken an der Grenzfläche zwischen Wissen- gilt als asiatisches Silicon Valley. Deutsche Erste sein. die Leute im Unternehmen begleiten. Die
schaft und Industrie. „Meine Triebfeder ist es, interessante Ideen Unternehmen wie Bosch und Siemens Kontakte, die dabei zwischen Hochschu-
Martin Regehly wagte darum einen Neustart. Weil er sein zu verfolgen, technische Entwicklungen voraussehen zu können gründen Filialen in Indien und benö- Seit wenigen Tagen ist die Website von len und Unternehmen geknüpft werden,
Wissen gerne weitergibt und Erfahrungen in der Lehre bereits und in die Praxis zu überführen“, sagt er. Er hat schon wieder eine tigen Fachkräfte. „Ihr Problem“, so weiß Bluebilities fertig. Es ist möglich, sich in möchte er nachhaltig nutzen und denkt
seit sechs Jahren an der Fachhochschule Wildau gesammelt neue Idee. Nicht ausgeschlossen, dass er in Zukunft ein Start-up Markus Wiencke: „Das Qualifikations- einer geschlossenen Datenbank zu re- an langfristige Kooperationen zwischen
hatte, bewarb er sich an mehreren Hochschulen. Seit Mai dieses mit seinen Studierenden zusammen gründet. Die Verbindung zu niveau im Land ist noch nicht so hoch, wie gistrieren. Absolventen auf der einen, Unternehmen und Hochschulen. Er freut
Jahres ist er nun Professor für den Studiengang Augenoptik/Opti- Adlershof wird sicher nicht abreißen. In zwei, drei Jahren wieder deutsche Unternehmen das verlangen.“ Unternehmen und Hochschulen auf der sich auf seine neue Aufgabe und fühlt
sche Gerätetechnik an der Technischen Hochschule Brandenburg als Juror beim „Jugend forscht“-Regionalwettbewerb Berlin Süd Hier kommt Bluebilities ins Spiel. Denn anderen Seite, die dann mit Matching- sich schon ein bisschen hier in Adlershof
(THB). „Ich bin mutig genug zu sagen, ich kann alles wieder neu einzusteigen, kann er sich ebenfalls vorstellen. sn auf der anderen Seite werden es nach dem Prozessen zueinander gebracht werden. zu Hause. jg
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